13.9.04

Transsib: Yekaterinenburg nach Irkutsk

Yekaterinenburg ist an grossen Attraktionen eher arm (trotzdem es eine sehr schoene Stadt ist). Die wenigen schauen wir uns an. Eine Attraktion sind zwei faustgrosse Truemmerteile des US Spionageflugzeuges, welches 1961 hier abgeschossen wurde. Ausserdem gibt es im Hof des Militaermuseums ein paar vor sich hinrostende Panzer zu bestaunen. Die Museumstanten freuen sich, das endlich mal Besuch kommt. Stolz zeigen sie mir die Uniformreste eines deutschen Spions der hier im 2. Weltkrieg umgedreht (und spaeter umgebracht) wurde. Als Spion hatte man in dieser Stadt vermutlich kein sehr gutes Leben.

Ganz grosser Fussball wird im 2.Liga Spitzenspiel Ural Ekaterinenburg gegen Nosta geboten. Die Vereinshymne ist angenehm rockig, “Ural, dawai….” feuert der Saenger seinen Verein an, jedoch singt keiner im Stadion mit. Ungefaehr 2000-4000 Zuschauer haben sich ins unbedachte komplett besitzplatzte U-foermige Stadion gewagt. Bier gibts aus Dosen, meistens auch selbst mitgebracht. Statt Brattwuersten werden Schaschlicks gebraten. Ordner gibt es dieses mal uebersichtliche 10 Mann, da sich aber kein Gaestefan ins Stadion traut und die Russen sehr friedlich die Partie verfolgen, gibt es hier auch keine Probleme. Fuer 1,5 Euro bekommen wir ein ansehnliches Spitzenspiel mit vielen Toren, welches Ural Ekaterinenburg am Ende mit 3-1 fuer sich entscheidet, zu sehen. Nach dem Spiel enttarnt uns ein Zuschauer als Deutsche. “Herr Unteroffizier” spricht er uns an, gibt uns dann den Rat “Niemals aufgeben!” und nuckelt genuesslich an seinem Loewenbraeu-Bier. Anscheinend waren es die einzigen Worte, die er auf Deutsch kannte. Kurz noch diskutieren wir mit ihm die aktuelle Tabellensituation und verabschieden uns dann Richtung Bahnhof.

Heute regnet es und Yekaterinenburg ist eine einzige Schlammwuesste. Woher der viele Staub kommt ist mir unbegreiflich, es sieht aus wie in einer Grossbaustelle. Vermutlich schleppen die Autos den Dreck jeden Tag in die Stadt, denn nur in den Staedten sind die Strassen in Russland asphaltiert.

Der Ural stellt ja die Grenze zwischen Asien und Europa dar. In Asien habe ich bisher ausserdem noch kein McDonalds gesehen. Was sich ausserdem noch geaendert hat sind die Hocktoiletten. Mann stellt sich in die Hocke ueber ein Plumsklo und laesst die Scheisse dann in das Loch fallen. Ein einfaches und Kloschuessel sparendes Prinzip. Mein erster Versuch schlaegt fehl und der vom Schaschlick verursachte Duennschiss landet an der Wand der Bahnhofstoilette. Uebervorsichtig wie ich war, habe ich den Hintern zu weit nach hinten gedrueckt. Fuer Europaer, die sich demnaechst auf den Weg nach Asien machen, bietet es sich an, die richtige Technik zu Hause zu ueben: Dazu einfach den Klodeckel oeffnen, auf die Brille stellen und langsam hinhocken. Dann veruschen, das Loch zu treffen und die Kleidung (Hose!) nicht zu beschmutzen. Evtl. sollte man dieses nicht auf der eigenen, sondern zunaechst auf einer fremden Toilette (Bahnhofstoiletten eignen sich hervorragend, da sie in der Regel schon von selbst sehr dreckig sind, sonst vielleicht beim Arbeitgeber oder bei Freunden) ueben.

Beliebt ist hier auch das Sitzhocken. Wenn man zu lange gestanden hat und sich ausruhen moechte, so gehen die Leute hier einfach in die Hocke – dabei bleibt der GANZE Fuss (und nicht nur der Ballen) auf dem Boden. Ich versuche es auch und kippe um.

Mit dem 340er geht es auf den laengsten Streckenabschnitt. Von Freitag Abend bis Montag Mittag werden wir in diesem Zug nach Irkutsk fast 3 Tage verbringen. Nach uber 12 Stunden duerfen wir den Zug das erste Mal in Omsk verlassen. Die Bahnhoefe in dieser Region sind im feinsten “Omsker Tuerkis” gestrichen (spezieller Farbton, entsteht durch Mischung der Farben Lindgruen, Tuerkis und Eitergelb). Was reitet den Russen bloss, ohne Not seine Haeuser in derart haesslichen Farben zu streichen? Vielleicht ist dies der Farbcode einer ganzen Region, denn bis Omsk wurde alles in hellblau gestrichen – ab hier bis Novosibirks ist alles Omsk-Tuerkis. Der 340er haelt buchstaeblich an jeder sibirischen Giesskanne, weshalb er auch 8 Stunden laenger braucht als der Expresszug den wir vorher nehmen wollten. Angeblich hatte dieser keine 1. Klasse Abteile, was dem Reisebuero genau 3 Wochen (nachdem sie unsere Buchung schon 3 Monate hatte) vor unserer Reise ewtas spaet aber nich zu spaet aufviel. Bitte bucht NIEMALS Tickets ueber das GO EAST Reisebuero!

Die Prodvornitsas sind diesmal sehr jung. Und extrem gelangweilt (zumindest die mit der Nachtschicht). Die Kippen tuermen sich in den Aschenbecher-Krippen, gesaugt wird alle 2 Tage (sonst 2 Mal am Tag). Wir sehnen uns nach dem harten und sauberen Regime aus dem letzten Zug zurueck. Immerhin wird Markus gezeigt, wie man ein Kopfkissen bezieht. Wegem schlechten Service verzichten wir dieses Mal darauf, die mitgebrachte Milka-Schokolade als Gastgeschecnk zu ueberreichen. Vor lauter Frust ob der vollen Aschenbecher beschliesse ich spontan, mit dem Rauchen aufzuhoeren. Der eigentliche Grund ist aber wohl der, dass ich die zollfrei eingekaufte Stange aus dem Hinflug inzwischen aufgeraucht habe.

Im Abteil neben uns faehrt ein Geschaeftsmann, welcher staendig an seinem Handy haengt. Zu seiner eigenen Sicherheit hat er einen Pistolero eingestellt. Dieser laesst den Griff seiner Handfeuerwaffe aufreizend laessig aus dem Hosenbund haengen. Im Mund traegt er soviel Gold wie der Beisser aus James Bond Stahl. Ganz nebenbei hat er auch die Koerpergroesse des Beissers, anders als dieser traegt er aber einen Oberlippen-Raeuberbart. In seiner Naehe fuehlen wir uns in diesen unsicheren Zeiten geborgen wie in Abrahams Schoss. Leider steigt er in Novosibirsk aus. An seiner statt tritt ein neuer Fahrgast, dessen Schnarchen lauter ist als die Fahrgeraeusche des Zuges. Eine beachtliche Leistung.

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