21.8.08

Reisebericht von Markus

Markus war diese Tage "saehr fleissig" und hat seine Sicht der Dinge zu Papier gebracht. Diese ungefiltert an dieser Stelle, viel Spass beim Lesen:

Dobroko ranku!

Ich sitze in Chisinau / Republik Moldau im Internetcafe und schwitze mich zu Tode, wie eigentlich seit 6 Tagen. Doch ich beginne von vorne.

Als Vorstandsmitglied des Landesverbands Hamburg der PARTEI nehme ich meinen einwoechigen Erholungsurlaub zum Anlass, um die auszenpolitischen Versaeumnisse des Merkel-Regimes nach besten Kraeften auszubuegeln. Mein Freund Joerg und ich konzentrieren uns daher dieses Mal auf die weitgehend unbekannten Emporkoemmlinge aus dem beruechtigten Schweiszdreieck Ukraine, Moldau und das nach Unabhaengigkeit strebende Transnistrien, um hier der deutschen Wirtschaft ein freundliches Investitionsklima zu bereiten und den Menschenrechten auch in diesem Teil der Welt bla bla bla ...

Am ersten Abend schwitzen wir auf dem Unabhaengigkeitsplatz Maydan in der ukrainischen Hauptstadt Kiew und beobachten die Szenerie. Bislang war ich der Ansicht, dass es bei uns im Westen alles zu kaufen gibt. Doch geirrt! Das, was hier einige maennliche Ukrainer an Klamotten auftragen, findet man nicht mal im schlechtestsortierten Kik. Und so gleichen sich die Gedanken der aufgedonnerten Wasserstoffblondinen mit ihren traurigen Gesichtern: "Da sind wir mal in Kiew und ich schmeisze mich, meine Naegel und meine Oberweite in Schale, und mein Mann hat wieder nur seine vollgepisste Trainingshose an."

Als Deutsche genieszen wir wie in Irland und Georgien auch in der Ukraine hoechstes Ansehen. In allen Faellen verdanken wir das Groefaz, dessen voellig misslungenes Erstlingswerk hier als Reclam-Ausgabe zur Pflichtlektuere der Untertertia gehoert. Damit prahlt zumindst ein 16-jaehriger Ukrainer, der vor uns mit "Sieg Heil" und erhobenem rechtem Arm salutiert und "Mein Kampf" in hoechsten Toenen lobt. Wir haben ihm auf den Weg gegeben, ein wirklich spannendes und historisch ebenso bedeutendes deutsches Werk zu lesen, naemlich die Biografie von Heiner Bremer mit demselben Titel.

Wir uebernachten im sowjetischen Prestigebunker "Hotel Ukraina" direkt am Platz der Unabhaengigkeit. Hat sich das Land zwar politisch losgeloest, so hat man sich aus der Sowjetzeit doch einige liebgewonnene Abhaengigkeiten bewahrt, durch niemanden ueberzeugender verkoerpert als durch unsere Schluesseldame auf Flur 12: Neben ihrem Telefon steht eine angebrochene Buddel Wodka und neben ihre Diensttoilette hat sie gespeit! Klar, dass wir umgehend an die Rezeption petzen gehen. Um so ueberraschter bin ich, dass sie keine sechs Stunden spaeter ohne Anzeichen von Nuechternheit voellig planlos durch mein Zimmer irrt, waehrend ich schlafe. Mit amtlich ermittelten 2,8 Promille war ihre Arbeitsfaehigkeit - wie mir spaeter die Hotelleitung schriftlich bestaetigt - nach ukrainischem Maszstab zu keinem Zeitpunkt eingeschraenkt.

So verwundert es nicht, dass der Hoehepunkt unserer Reise nur dank uneingeschraenkter Arbeitsfaehigkeit der verantwortlichen Kraefte ins Interesse der Weltoeffentlichkeit gerueckt ist. Wir besuchen das Anglerparadies Tschernobyl!

Pflichtgemaesz trete ich diesen Tagesausflug im PARTEIzwirn an, das ist der C&A-Anzug fuer 49 EUR, akzentuiert mit roter Krawatte. Im Winter leitet er die Kaelte unmittelbar an den Koerper weiter und im Sommer bewahrt er zuverlaessig vor Abkuehlung. Immerhin entspreche ich damit den Anforderungen der Reisefuehrung. Zwei Mitreisende mit Badeschlappen und kurzen Hosen werden umgehend zurueck ins Hotel geschickt, um sich dem Anlass entsprechend einzukleiden: lange Hose und festes Schuhwerk sind Pflicht! Ich mutmasze, dass wir dort einem hochrangigen, kontaminierten Helden der ersten Stunde begegnen werden.

An diesem Tag schraubt sich das Thermometer auf komfortable 42 Grad hoch. Und obwohl das Jacket meines PARTEIanzugs lediglich neben mir liegt, muss ich stuendlich den Schweisz aus den Stiefeln kippen. Immerhin bewahrt mich die Transpiration davor, vollends abzufackeln, denn der Flammpunkt meiner Synthetikhose liegt bei 45 Grad. Aber auch die Einheimischen leiden; der erste Sieger einer neuen olympischen Disziplin "Schwitzen" wird zweifellos ein Ukrainer sein, das Talent ist hier sehr verbreitet und wird von Generation zu Generation weitergetragen.

Wir naehern uns Tschernobyl und wundern uns ueber die vielen Menschen und neuen Haeuser, die wir innerhalb der aeuszeren Sperrzone im Umkreis von 20-10 KM rund um Reaktorblock 4 vorfinden. Laut Reisefuehrer handelt es sich aber nur um alte Menschen, die ohnehin nicht mehr zeugungsfaehig sind uns das auch per Eid bei der zustaendigen staatalichen Stelle bekundet haben.

Allerdings entsprechen sie nicht ganz unseren Vorstellungen, wie man sich als Bewohner einer kontaminierten Zone kleidet. Wir haben uns die Menschen in weiszen Schutzanzuegen vorgestellt, die in der linken Hand das Atemgeraet und in der rechten den Einkaufskorb mit ihren Einholungen schleppen. Immerhin tragen sie alle einen Pocket-Geigerzaehler um den Hals, um minuetlich den Becquerelzustand ihrer Atomhyhner und -kittelschuerzen abzurufen.

Bevor wir die Todeszone betreten, erhalten wir eine 15-minuetige Einweisung und Sicherheitsbelehrung in verschwitztem Englisch. Viel interessanter sind die Bilder an der Wand, die vom heroischen Kampf der Menschen gegen das Atom Zeugnis ablegen:
- Helden, die das Feuer des brennenden Meilers 4 loeschen;
- Helden, die aus dem Hubschrauber Fluessigbeton ablassen;
- Helden, die verstrahlte Truemmerteile im nahegelegenen Wald verbuddeln;
- Helden, die mit ihrem Schweisztuch Atome aus unschuldigem Haarwild tupfen.

Die Helden sind uebrigens tot, vermutlich sind sie alle erschwitzt.

Enttaeuschend: Innerhalb der Todeszone gibt es fuer Joerg und mich nichts Neues zu sehen. Von heute auf morgen verlassene sozialistische Musterstaedte mit einstmals 60.000 Einwohnern, ueppig ausgebaute aber vergammelnde Kulturzentren, verrottende Wohnblocks und gepluenderte Supermaerkte kennen wir aus Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern zur Genuege. Pritzwalk, Prenzlau, Prypjat - diese Geisterstaedtepartnerschaft ist kein Zufall.

Die Nagasaki-gestaehlten Japaner, die zur Zeit hunderte Geraete, Fahrzeuge und 30 Hubschrauber vom Maschinenfriedhof reinigen und fuer die kommenden Generationen einlagern, kuenden von der Hoffnung auf bessere Zeiten. Das hat man hier der Zone voraus.
Auszerdem ist hier die Versorgung der Bevoelkerung und der angehenden Helden durch ein engmaschiges Kiosknetz gesichert: Als ausgewiesener Stadionwurstexperte ueberzeugt sich Joerg persoenlich von der Qualitaet der Todeszonenknacker und faellt ein rundum positives Urteil.

Wir naehern uns Block 4 und werden potenziert zum Geigerzaehler unseres ukrainischen Reiseleiters zunehmend nervoes. In 150 Meter Entfernung vom "Todesreaktor" ("BILD") klettert die Anzeige der Piepse auf 0,7, was im Vergleich zu den 0,04 von Joergs Atombruzzzler vergleichsweise furchterregend klingt. Allerdings weisz niemand, ob das Geraet die Atomtemperatur oder den Schweiszgehalt der Luft misst.

Auszer mir haben auch andere Touristen die Sicherheitsbelehrung ignoriert und setzen sich in Sichtweite des Unfallsmeilers auf den Asphalt! Das ist richtig dumm, denn ein radioaktiv verseuchter Arsch wird es niemals durchs Geigerportal beim Verlassen der Todeszone schaffen! So kommt es auch am Ende: Die beiden muessen ihre verschwitzen Hosen am Checkpoint abgeben und nackig zurueck nach Kiew fahren - untenrum.

Nach einem aufregenden Tag rund um Tschernbobyl kehren wir im nahe gelegenen "Traudl's Atomstueberl" ein und schuetteln im Takt des Geigerzaehlers das inzwischen gewachsene dritte Discobein. Spielerisch entledigen wir uns so den letzten Spuren der Kontamination: einfach mit festen Tritt auf den Boden stampfen! Das ist das verblueffend einfache Geheimrezept der Einheimischen.

Obwohl sich die Experten noch streiten, kann man wohl zusammenfassend sagen, dass der Tschernobyl-Unfall eher als Negativbeispiel fuer die friedliche Nutzung der Atomenergie herangezogen werden kann. Aber wir wollen die positive Seite des GAUs auf Wunsch unserer ukrainischen Begleiter nicht verheimlichen: Seit Herbst 1986 tummeln sich im Kuehlwassersee gigantische Karpfen von 6 Metern Laenge!


Am Zentralbahnhof Kiew kuemmern wir uns um die Weiterreise nach Moldau. An den 70 Schaltern lernen wir beim Fahrkartenkauf, bei dem selbst die Einheimischen vor der Buerokratie kapitulieren, unsere Grenzen kennen:

Schalter Nr. 41: Laut Reisefuehrer ist der auch fuer internationale Kunden zustaendig und englischsprachig: wir haben 30 Minuten angestanden und zuletzt direkt vor der Ausgabe verharrt, dann fing die 20-minuetige Kaffeepause an!
Also rueber zu Schalter 46, der uns von einem Einheimischen empfohlen wird; aber dort verweigert sich die Matruschka, da wir weder russisch noch ukrainisch sprechen!
Also rueber zu Schalter 47: Hier bitteschoen nur Inlandsfahrkarten.
Also rueber zu Schalter 8: Mit einer Mischung aus deutsch, russisch und englisch kaufen wir nach einer Stunde zwei Fahrkarten nach Chisinau!


Allzusehr betone ich die negativen Seiten der Ukraine. Tatsaechlich geht hier mehr als auf der Reeperbahn, u.a. im Hydropark. Der erinnert an die Jugendinsel in Irkutsk und glaenzt mit Fahrgeschaeften, Kneipen, Bars, Tanzlokalen und einem Badestrand am Ufer des Dnjeprs, wo sich vorzueglich bei 25 Grad (2:00 Uhr nachts!) der Schweisz vom Koerper baden laesst.

Wir lassen unsere internationale Erfahrung aufblitzen und bekunden Sympathie fuer die drei am Nachbartisch sitzenden, scharfkantigen Georgier: "Sakartvelo", "Gaumarjos", "Georgiern muss in die NATO und EU!" u.s.w. bruellen wir und lenken uns somit von der Malaise auf der Tanzflaeche ab, wo abstoszend mit anzusehen ist, wie schwitzende Ukrainer im Stroboskoplicht ihre Ganzkoerper-Jeansanzuege mit Bewegungen fuellen, wie man es sonst nur aus Deutschland von Auftritten des "Fernando Express" in der Stadthalle Gondelsheim kennt.

Leider hat der Abend im Hydropark ein enttaeuschendes Ende: Als Speerspitze deutscher Karaokekunst fragen wir nach "Heute schuette ich mich zu" von Karl Dall. Man hat es nicht im Repertoire und so fahren wir zurueck zum Hotel und bewundern die aufgepumpten Botoxnutten in der Lobby.


Die 14-stuendige Bahnfahrt von Kiew nach Chisinau steht an. Wir steigen morgens um 04:40 ein und freuen uns, dass wir das Abteil mit lediglich 2 schwitzenden Ukrainern teilen. Wir haben in den letzten Tagen einges dazugelernt und koennen sehr erfolgreich gegenanstinken.

Wir reisen ueber die abtruennige, Russland nahe stehende Republik Transnistrien nach Moldau ein. Zur Sowjetzeit gehoerte es zur Moldawischen SSR und nach dem Zerfall der SU hat man sich schnell vom rumaenisch gepraegten Moldau unabhaengig erklaert. Wie damals ueblich gab es 1992 einige Scharmuetzel mit einer Schweiszhand voll Toter und danach eine "Friedenstruppe", die bis heute hauptsaechlich von Russland gestellt wird. Der Status ist wackelig - siehe Suedossetien.

Die Ausreise aus der Ukraine ist kein Problem, aber bei der Einreise nach Transnistrien gibt es KEINE Einreiseformalitaeten. Auch an der Grenze von Transnistrien zu Moldau bekommen wir keine Stempel in den Pass. Wir legen noch eine Schweiszschippe drauf, denn nun befinden wir uns illegal im Land! Laut Lonely Planet droht Visapflichtigen ohne Einreiseerlaubnis Gefaegnis. Darum - so lesen wir spaeter 2 Seiten weiter - sollte man partout nicht ueber diesen Grenzuebergang nach Moldau einreisen.

Insgesamt ist die Buerokratie in der ehemaligen Moldawischen SSR sowjetisch gepraegt. Das macht die Sache einerseits extrem unberechenbar, auf der anderen Seite aber auch voellig berechenbar: Wenn man mit den Behoerdenvertretern in der Diskussion ueber fehlende Einreisestempel nicht weiterkommt, oeffnen 50 EUR in kleinen Scheinen Herzen und Tueren - und zwar sehr verlaesslich.

Aber wir wollen nicht unbedingt bei der Ausreise am Flughafen unter Zeitdruck die volle Wucht der Behoerdenwillkuer zu schmecken bekommen und konsultieren deswegen die deutsche Botschaft, deren Hilfe ich erstmals in Anspruch nehme. Wir schildern Herr Carsten mittels Gegensprechanlage unser Anliegen und warten drauszen auf seine Antwort.
Joerg und ich stehen also vor dem Tor und mutmaszen, warum einen die Karriere ausgerechnet in die deutsche Auslandsvertretung nach Moldau verschlagen hat. So laestern wir lautstark:
- Das ist strafversetztes, faules Gesindel, das hier lernt, wie man bei der Arbeit in Schweisz kommt.
- Diese Tagediebe lassen sich doch den ganzen Tag nur die Sonne auf den Arsch knallen.
- Die sind doch nur wegen der 5-Euro-Nutten hier
u.s.w

Wir haben einen ausgesprochen guten Lauf, als ploetzlich einen Meter neben uns ein verspiegeltes Fenster zugeschlagen wird; und wir dachten, Herr Carsten haette uns ueber die installierte Videokamera auf dem Schirm.

5 Minuten spaeter laesst er uns wissen, dass er die Behoerden am Flughafen angerufen hat. Niemand kann uns garantieren, dass wir problemlos ausreisen koennen und er empfiehlt uns daher, heute beim Informationsministerium vorstellig zu werden.
"Wenn am Freitag Dick und Doof bei Euch auftreten, lasst sie richtig zappeln!" wird er den Beamten am Flughafen wohl ebenfalls nahegelegt haben.

Von einem Ende der Stadt latschen wir also zum anderen Ende der Stadt. An Tuer 1 des Informationsministeriums schickt man uns weiter zu Tuer 2. Dort schneidet man von einer Papierrolle eine Adresse ab, drueckt sie uns in die Hand und zeichnet sie netterweise zwischen die Schweiszflecken auf unserem Stadtplan ein.

Von einem Ende der Stadt latschen wir also wieder zum anderen Ende der Stadt und biegen nach rechts in die Bucuresti-Strasze ab. Dummerweise merken wir erst einen Kilometer spaeter, dass sie das Kreuz an der falschen Stelle eingezeichnet hat und stellen parallel dazu fest, dass Hausnummern in Moldau mehrfach vergeben werden. Also wieder zurueck und
wir sind puenktlich vor Feierabend in der Registraturu und erhalten eine Aufenthaltsbestaetigung. Insgesamt sind zwei Stunden fuer eine ehemalige Sowjetrepublik ein wirklich guter Wert und fast schon EU-konform.

Wie ueblich haben wir uns in Chisinau ein Hotel mit sowjetischem Charme gegoennt. Dort ist es zwar immer etwas teurer als in den deutlich besseren Hotels, aber die unbezahlbaren Alltagskuriositaeten erlebt man eben nur dort. Dieses Mal werden wir beim Einchecken dazu aufgefordert, eine Versicherung abzuschlieszen.
Ich zoegere und frage: "Wofuer benoetige ich die?"
"Die brauchen sie nicht!"
"Nein nein, sie verstehen mich nicht. Was muss passieren, damit diese Versicherung greift?"
"Nichts, gar nichts!"
Ich unterschreibe mit gutem Gewissen.


Am Dienstagabend lernen wir ein schwaebisch/ruemaenisches-moldauisches Paar kennen. Der rumaenischstaemmige Kampfsportler Konstanin aus Stuttgart besucht gerade seine Freundin in Chisinau, die in der deutschen Botschaft arbeitet. Wir schildern unseren Plan, einen Tagestrip nach Transnistrien zu wagen. Oxana meint, wir sollten das besser sein lassen, weil wir uns nur Aerger einfangen und uns die deutsche Botschaft da nicht rausholen kann.

Schnick-schnack, am naesten Tag sitzen wir im Bus nach Tiraspol und haben uns lediglich dazu durchgerungen, die dicke Kamera, groeszere Bargeldbestaende und Kreditkarten im Hotel zu lassen. Und was soll ich sagen: Die korrupten, pseudolegalen Grenzsoldaten haben uns so richtig durchgenommen!

Los geht's bei der Einreise. Nachdem wir Panzersperren und Sicherheitsanlagen, wie ich sie bisher nur aus Berichten vom Gaza-Streifen kenne, passiert haben, werden wir als einzige Touristen aus dem Bus gebeten. Der Busfahrer meint, er wuerde hinter der Grenze auf uns warten.
Waehrend ich drauszen bleibe, wird Joerg in ein kleines Haeuschen geleitet. Und kommt erst nach 10 Minuten wieder raus. Er musste alle Taschen leeren und sein Schweizer Messer war das gefundene Fressen fuer den Grenzer:
"Knife not allowed. I have to make protocol. Or you give me small present."
Joerg schiebt ihm ein Brot rueber.
"No!"
Joerg nimmt die Schlagstoecke in der Zimmerecke wahr und schiebt ihm eine Schachtel Zigaretten rueber.
"No!" Er tippt auf das Portemonnaie.
Joerg drueckt ihm 5 EUR in die Hand, darf einpacken und kommt heile raus.

Weiter geht's zur Registratur. In einem stickigen, voellig ueberfuellten Container draengen sich zwei Dutzend Einreisewillige, und unser schwitzender Busfahrer hat sich bereits fuer uns in die Schlange gestellt.
Nach ca. 30 Minuten sind wir dran und schieben unsere ausgefuellten, schweisznassen Einreiseformulare rueber.
Und warten, ebenso wie unser Busfahrer.
Ja gibt's das?! Wir erhalten unsere Paesse zusammen mit der Einreisebestaetigung zurueck! Mann, war das einfach!

Der Busfahrer packt uns am Arm und zerrt uns ueber den staubigen Checkpoint, wo grade ein Russe seine komplette Karre auseinandernehmen muss. Aber es sieht gut aus, wir sind schnell und sehen unseren Bus in grade mal 30 Metern Entfernung parken, vollgestopft mit unseren schwitzenden moldauischen Mitfahrern.

"Moooment!" Ein Grenzer haelt uns doch noch auf und wir muessen ihn zu einem Wachhaeuschen begleiten. Und wieder Formulare ausfuellen. Sie wollen wissen, was wir in unseren Beuteln haben und verlangen eine genaue Auflistung unserer Geldbestaende und Wertsachen. Aber bitte im Stehen ausfuellen!
Wir fuellen aus und um die Sache zu beschleunigen, stecke ich einen Fuenfer direkt in den Reisepass. Diesmal guckt mich der Grenzer schief an und reicht mir den Schein zurueck, stempelt hier und dort und schickt uns dann zum Bus, der aber inzwischen ohne uns weitergefahren ist.

Das ist aber das geringste Problem, wir steigen einfach in den Naechsten ein, der uns in die Hauptstadt Tiraspol bringt. Dort laufen wir einmal den sowjetischen Prestigeboulevard dieses kommunistischen Landes entlang, schwitzen nach Leibeskraeften, machen konspirative Fotos und grosze Bogen um die ueppig postierte Sicherheit.

Am Nachmittag steigen wir in den Bus zurueck nach Chisinau und sind erleichtert, dass wir dieses Mal nicht die einzigen Touristen sind. An der Grenze besteigt ein junger Beamter den Bus, kontrolliert unsere Paesse und gibt sie uns umgehend zurueck. Laeuft ja wie geschmiert!

Und dann stellt sich der naechste Grenzbeamte neben mich und sieht mich aus kalten Augen von oben herab an. "Come with me!"
Als einziger muss ich wieder ein Formular ausfuellen und alle meine Gegenstaende und Barreserven auflisten. Unterdessen faehrt der Bus weiter, was den Grenzer aber so was von gar nicht interessiert.
Als Bargeld trage ich ein:
- 35 EUR
- 42 urkainische Griwna
- 600 moldauische Lei.
Er sieht sich meine Liste an und ich muss ihm ins Gebauede folgen; ich befuerchte wohl nicht zu Unrecht, dass ich etwas falsch gemacht habe.

Wir betreten den Pausenraum der Grenzer. Kalte, angeknabberte Pizza liegt auf dem Resopal und ich muss alle meine Habseligkeiten vor ihm auf dem gruenen Sofa ausbreiten.

"You have not declared the camera and the book!"
"Yes I have, see the list!"
" No you have not. I have to make protocol now. Camera and books stay here."
" When do you return it to me?"
" No return."
"What can I do?"
" You pay the camera. 50 Dollars."
Ich bin erleichtert, denn den Wert meiner Kamera, die ich vor 2 Monaten fuer 200 EUR gekauft habe, habe ich im Formular mit eben diesen 50 Dollar angegeben.
" See the list, I have no dollar, only Euro."
"Give me 40 Euro!"
" See the list, I only have 35."
" 40 Euro!"
"Not 40. 35."
Er nickt, ich gebe ihm das Geld und darf einpacken. Haette er in das Dokumentenfach meines Notizbuchs geschaut, dann waeren wohl insgesamt 110 Euro faellig geworden. Glueck gehabt.

Ansonsten flutsche ich im wahrsten Sinne des Wortes wie geschmiert durch die naechsten Wachposten, wahrscheinlich wissen die, dass ich blank bin. Joerg und die anderen hatten mehr Glueck: Weil das Schlagstockzimmer besetzt war, durften sie ohne Schikane passieren.

Ey, Transnistrien kann man sich echt sparen!

Morgen mittag fliegen wir nach Hause. Am Flughafen von Chisinau wird sich zeigen, ob sich der Besuch beim Informationsministerium gelohnt hat, oder doch noch ein bisschen Schmiere faellig wird. Ist dann aber auch egal, solange ich morgen Abend puenktlich zur Boxveranstaltung im Uebel und Gefaehrlich aufkreuze.

Wer einige Bilder sehen moechte, kann das auf Joergs Seite unter http://www.doelfer.blogspot.com tun. Dort gibt es auch ein schoenes Bild vom Wappentier Moldaus: dem Kaenguruh.

Bis bald zurueck in der Zivilisation!

Markus

2 Kommentare:

Wolfwendy hat gesagt…

Ich komm auch nach dem Schlußsatz nicht wirklich dahinter;
das Lesen war trotzdem ein ordentlicher Vormittagsschmaus.

Leni hat gesagt…

Na, das hast du ja clever gemeistert am Zoll, hast deinen Kopf gut aus der Schlinge gezogen ;) Mag aber gar nicht wissen, wie du dich da in dem Moment gefühlt hast, hattest sicher Beine wie Wackelpudding. ;) Hoffe, der Rest deiner Reise verläuft angenehmer.