30.9.06

Borat

Wer nicht in den weiten Osten reisen will, trotzdem aber Eindrücke aus dieser Region aus erster Hand bekommen moechte sollte sich den Film Borat anschauen....

Ich kann es kaum erwarten bis der im Kino läuft...

29.9.06

Baltikum/Skandinavien 7.5: Bilder aus Schweden und Norwegen

Seit gestern Abend bin ich wieder in Hamburg. Als kleine Nachlese reiche ich hiermit abschliessend ein paar Bilder der letzten Urlaubstage aus Schweden und Norwegen nach.

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Stockholm von oben (aufgenommen vom Fernsehturm)


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Junge Soldaten am exerzieren in den Strassen von Stockholm. Damit der Kontakt zwischen Bevölkerung und ihrer Armee nich abreisst wird dieses Ritual taeglich mehrmals in den Strassen der Hauptstadt und nicht versteckt hinter dicken Kasernenmauern durchgeführt. Der letzte Mann trägt den gleichen Bart wie Markus Altekrüger, ist mit diesem aber vermutlich weder verwandt noch verschwägert.



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Insel in den Schären vor Stockholm


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Das Himbeermädchen, poetischer Name für eine Moorleiche. Im Magen der Leiche wurden als Henkersmahlzeit unverdaute Himbeeren gefunden.


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Ampel in Oslo


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Sprungschanze Holmenkollen in Oslo


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Gletschersee in den Fjorden zwischen Oslo und Bergen


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Bryggen, die alten hanseatischen Kontorhäuser in Bergen


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Bryggen, Dächer der alten hanseatischen Kontorhäuser in Bergen


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Blick auf Bergen, von der Jugendherberge aus fotografiert


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Bauarbeiten hoch über Bergen


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Fjord in der Nähe von Bergen. Typisches Wetter: Regen und schlechte Sicht

26.9.06

Baltikum/Skandinavien 7: Stockholm, Oslo und Bergen

Stockholm

Die Innenstadt von Stockholm verteilt sich wie Venedig auf eine
Menge von Inseln unterschiedlicher Groesse. Mit der knappen
Wohnflaeche wird dabei sehr verschwenderisch umgegangen.
Mal ist eine Insel komplett nur mit Museen bebaut, mal mit einem
groesszuegig angelegten Mischung aus Park, Freilichtmuseum
und Tierpark. Oder einfach nur mit einem Parlamentsgebauede
inklusive umschliessenden Park.

Einer Stadt am Wasser entsprechend wohne ich in einem
zentral gelegenen Hausboothostel. Sehr zu empfehlen,
beim Schaukeln des Boots im Wasser kann man wirklich
hervorragend einschlafen und bekommt einen prima Blick
auf die Skyline der Stockholmer Altstadt gratis dazu.

Auf dem Hausboot treffe ich Haenschen aus Herford (mit buergerlichem
Namen Johannes, aber das hoert er nicht gerne). Der sympathische
Mittfuenfziger kennt Stockholm wie seine Westentasche, denn schliesslich
hat er hier mehrere Jahre mit Frau und Kindern gelebt. Auf einem eigenen
Hausboot, denn einen Markt fuer Wohneigentum gibt es in Stockholm
praktisch nicht. Von seiner Frau geschieden lebt er heute wieder in Herford,
kommt aber haeufig vorbei um seine Kinder zu besuchen. Bevor ich Abends
losgehe treffe ich ihn in den naechsten Tagen haeufiger auf dem Boot auf ein
oder zwei Bier, neben interessanten Storys aus seinem Leben kann er mich
ausserdem mit Infos ueber Stockholm aus erster Hand versorgen.

Ein Highlight in Schweden sind die Museen. Die sind wirklich Weltklasse
und gehoeren zu dem Besten was ich je besucht habe. Und vor allem: Die
staatlichen Museen (das sind knapp 80 Prozent) sind alle fuer umsonst.
Wozu man sich also eine Stockholm-Karte, mit welcher man umsonst in
alle Museen kommt, kaufen soll, erschliesst sich mir nicht.

Das Wasa-Museum sticht eindeutig aus der grossen Masse heraus. Wenn
man nur fuer ein paar Stunden in der Stadt ist, dann sollte man mindestens dieses
besucht haben. Die Wasa wurde vor dreihundert Jahren gebaut und sollte das
modernste Kampfschiff der damaligen Zeit im Dienste der damaligen Grossmacht
Schweden sein. Etwas einzigartiges eben. Wirklich einzigartig war dann auch
die heiss herbeigesehnte Jungfernfahrt: Keine 20 Minuten nach dem Stapelauf
noch in Sichtweite der Stadt bekam die Wasa Schlagseite, lief voll Wasser und
ging unter. Erst in den 60er Jahren hat man sie wiedergefunden, geborgen
und wieder zusammengebaut. Der speziell um die Wasa herumgebaute
Ausstellungsraum ist abgedunkelt ("...damit das Schiff sich wohlfuehlt..." wie die
deutschsprachige Dokumentation verraet), weshalb das funzelig beleuchtete Schiff
noch imposanter wirkt als es tatsaechlich ist.

Nicht viel zu sehen gibt es im Nobelpreismuseum. Ich besuche es
trotzdem und lasse mich schon einmal fuer den Friedensnobelpreis
vormerken. Das scheint mir vollen allen Disziplinen, in welchen dieser
Preis vergeben wird, die einfachste zu sein. Sonst muesste ich noch
ein weltweit erfolgreiches Buch schreiben oder ein Mittel gegen eine
bisher unheilbare Krankheit erfinden. Mit dem Frieden ist das einfacher:
Weltweit werden Bilder mit meinem Konterfei - vielleicht trage ich ein
Retter T-Shirt? - aufgestellt, dazu eindrucksvolle Losungen in verschiedenen
Sprachen wie "Macht doch keinen Scheiss" oder so. Damit sollte der
Weltfrieden erreichbar und eine Nobelpreisverteilung preiswert zu machen
sein. Ich bin mir hundert prozentig sicher, das dieses Konzept funktioniert!

Bei einem Tagesausflug lasse ich mich von einem Boot auf die Schaeren, flache
Ostseeinseln an der gesamten Kueste Schwedend bringen und wandere dort
herum. Ein Boot waere hier hilfreich gewesen, aber es gibt nichts zu mieten.
Generell stellt Skandinavien im September langsam auf Winterbetrieb bzw. Winterschlaf
um. Viele im Sommer angebotene Touren sind nicht mehr verfuegbar obwohl die
Temperaturen zur Zeit absolut sommerlich sind. Einige Einrichtungen werden ausserdem
ab September komplett geschlossen, bei anderen verkuerzen sich die Oeffnungszeiten auf
mickrige Zeitintervalle wie 11:00 - 13:30 Uhr. Wer mal nach Skandinavien moechte
sollte diesen Aspekt beruecksichtigen.

Auf die Austragungszeiten oder den Spielplan der schwedischen Liga hat das aber zum
Glueck keine Auswirkung. Im Råsunda Stadion schaue ich mir Abends das Stockholm
Stadtderby von DJK gegen AEK. Spielerisch kein Leckerbissen, aber da drumherum hat
es in sich. Ich will in Hamburg ab sofort auch in einem Stadion englischer Bauart mit
zwei Raengen stehen. Die Akkustik ist einfach atemberaubend. Und die Choreographien
zu Beginn und waehrend des Spiels haben es in sich, dagegen wirkt alles mir aus
Deutschland bekannte oder erlebte einfach nur mickrig. Richtig daemlich sieht hingegen
das DJK Masskottchen aus: Ein als Bugs Bunny verkleideter Student (?) mit einem
umgedrehten Stieltopf auf dem Kopf tapert unbeholfen ueber das Spielfeld und wird unter
grossem Gejohle der Zuschauer von der eigenen Mannschaft beim warmmachen
abgeschossen. Am naechsten Tag versuche ein schwedisches Fussballtrikot als Souvenir
zu erwerben. Im DJK Laden frage ich naiv nach einem in den schwarz gelben AEK Farben.
Das ist ungefaehr so unbedarft, als wenn man in einem HSV Fanshop einen St. Pauli
Fanartikel nachfragt, nachdem man vorher durch den Laden gegangen und die ausgestellte
Ware begutachtet hat ("Und wo habt ihr die Pauli Klamotten? Die finde ich hier gar nicht ....!?!").
Mein Status als ahnungsloser Tourist bewahrt mich jedoch vor dem Schlimmsten.

Ein demographisches Nachwuchsproblem scheint es in Schweden, mindestens
jedenfalls in Stockholm, nicht zu geben. In keiner Stadt bevor habe ich bisher
derart viele Schwangere und vor allem junge Muetter mit Kinderwagen gesehen.
Irgendwas wird hier richtig und bei uns zu Hause falsch gemacht, aber ich komme
einfach nicht drauf, was.

Etwas daneben gegangen ist die Form von Schweden. Wenn Oestereich auf der
Landkarte aussieht wie ein plattgeklopftes Kotelett, dann hat Schweden die
Form eines schmales Handtuchs. Die Betonung liegt dabei auf schmal: Keine drei
Stunden braucht der Zug von Stockholm nach Oslo bis zur norwegischen Grenze.
Spiegelt man Schweden auf der Landkarte an seiner Suedspitze, so wuerde die
Flaeche bis nach Italien reichen. Das Land ist also bedeutend enger als lang.
Eine Stockholmerin weisst mich im Zug auf mein Riesenglueck mit dem Wetter hin,
das sei fuer diese Jahreszeit alles andere als typisch. Prompt versaue ich mir dieses
Glueck, als ich Rechts von mir einen spitzen Schrei und eine dicke Spinne ueber
den Boden krabbeln sehe. Reflexartig trampel ich sie tot umd mir daraufhin von einer
Norwegerin, die vorher noch so entsetzt aufschrie, belehren zu lassen, das das Wetter
schlechter wird, wenn man Spinnen zertrampelt.


Oslo

Die Norwegerin hatte recht. Das Wetter wird tatsaechlich schlechter. Bin ja selbst
Schuld, wenn ich auf schutzlosen skandinavischen Spinnen in Zuegen rumtrampel.
Ob die alte Bauernregel, nach der ein Seemann stirbt, wenn man sich eine Zigarette
an einer Kerze anzuendet, auch stimmt will ich mir lieber nicht ausmalen.

Eigentlich habe ich Norwegen bisher fuer ein reiches Land gehalten. Das kann man
nicht nur am hoechsten Preisniveau aller skandinavischer Laender festmachen (die
Bierpreise auf dem Muenchner Oktoberfest sind gegenueber denen hier etwa auf Aldi
oder Lidl Niveau). Die medizinische Versorgung der Bevoelkerung ist ausserdem
kostenlos, mit Ausnahme der Zaehne, notwendige Behandlungen auf diesem Sektor
muss jeder Norweger zu 100% aus dem eigenen Portemonnaie bezahlen.

Das Strassenbild Oslos will dazu einfach nicht passen. Auch in aermeren Laendern
oder in Hamburg habe ich noch nie so viele Arme, so viele Bettler und Obdachlose
gesehen wie hier. An jeder dritten Strassenlampe sitzt ein Bettler (und das ist wirklich
so und leider keiner Uebertreibung), Strassenkinder stauben die Essensreste in
Restaurants ab (oder versuchen es zumindest wenn sie nicht von den Ordnern
oder Kellnern vorher vertrieben werden), Rosenverkauefer versuchen ihr
Geschaeft rund um die Uhr und bei jeder Gelegenheit zu betreiben. Beim betteln
um Almosen entbrennt mitunter ein grotesker Wettkampf um Aufmerksamkeit.
Ein halbnackter Obdachloser hat sich ein Schild mit der Aufschrifft "Ich bin ein Idiot"
gebastelt und versucht, a cappella mit einer Pappgitarre in der Hand den benachbarten
Strassenmusikern Konkurrenz zu machen. In Sachen Aufmerksamkeit geht seine
Rechnung auf, doch die meisten Passanten sind mehr darueber amuesiert, wie er
sich hilflos zum Affen macht als das sie ein paar Muenzen geben.

Auch Mittags sind die Strassen hier noch unglaublich dreckig, so dass sich Doris
Knop im Grabe umdrehen wuerde. Doris Knop ist die Autorin des Reisefuehrers "Reisen
mit der Transibirischen Eisenbahn", einem deutschsprachigen Standardwerk fuer
diese Route. Dieses Buch hebt sich besonders dadurch hervor, das auf jeder Seite
betont wird, wie dreckig doch die Zuege in Russland sind. Ueber skandinavische Zuege
muesste Frau Knop das nicht schreiben, denn dazu gibt es keinen Anlass. Die Knop
geht sogar soweit, das mitfuehren von Fensterputzmitteln und einer Teleskopstange zum
erreichen der Fenster als Reisetip zu propagieren. Markus hat diesen Tipp damals befolgt,
aber mehr als ein Fenster haben wir bei unserer Reise wohl nicht gereinigt.

Mein Hotel in Bahnhofsnaehe ist eine billige Absteige in bester St.Georg-Bahnhofsseite
Tradition. Die Zimmer sind billig und die Tueren extra mit Schloessern gesichert, und das
am Haupteingang und auf jedem Stockwerk. In direkter Nachbarschaft befinden sich die
Osloer Striplokale und Nacktbars. Offensichtlich ist der Strassenstrich hier fest in
afrikanischer Hand. Ein vorgeschuetztes Nichtverstehen hilft gegen zu aufdringliche
"Hey Darling" Annaeherungsversuche. Auch wenn es wohl eher unglaubwuerdig erscheint,
das ich auf einmal kein englisch mehr verstehen soll. Ansonsten ist der Kiez hier sehr
lebendig und es gibt eine grosse Anzahl guter Rockkneipen. Am Besten gefaellt mir das
"Elm Street Rock Cafe", eine feine Kneipe mit halbwegs zivilen Bierpreisen das auch einen
White Russian zu mixen versteht. Auch wenn das Logo des Ladens in Anlehnung an das
des unvermeidlichen "Hard Rock Cafes XXX" gestaltet ist sollte man sich davon nicht
taeuschen lassen. Uebrigens ist Danko Jones in ein paar Tagen in town. Eigentlich
Schade, das ich ihn verpassen werde.

Die Norweger sind nach wie vor sehr stolz auf ihre Unabhaengigkeit und haengen sehr
an ihrem eigenen kleinen Nationalstaat. Noch In 100 Jahren werden sie weder der EU beitreten,
oder den Euro einfuehren. Und warum sollten sie auch, die Kassen sind mit Oelgeld prall gefuellt.
Waehrend in Finnland noch heute die Strassennamen zweisprachig in Finnisch und Schwedisch
aufgefuehrt sind denkt in Norwegen niemand im Traum daran, Zeichen die an ehemalige schwedische
Dominanz erinnern zu etablieren. Schweden begreift sich als fuehrende skandinavische Nation
("Stockholm - die Hauptstadt Skandinaviens" T-Shirts kann man dort ueberall erwerben), am
sympathischsten bleiben mir jedoch die entspannten Finnen.

Hier in Oslo gibt es interessante Sachen zu entdecken. Meterhohe Eisentore aus Hakenkreuzen
zum Beispiel. Oder Strassenbahnen die ueber Wasser fahren. Ein Schloss dessen Vorplatz
aus grauem Split das an einen Fussball-Grandplatz erinnert besteht - den Platz der Wuerde
des Gebaeudes entsprechend mit Kopfsteinpflaster oder - besser noch - italienischem Mamor
zu pflastern, auf diese Idee kommt hier keiner.

In Hamburg kann man mit der S-Bahn zum Segeln direkt an die Alster fahren, in Oslo ist
die Sprungschanze Holmenkollen per oeffentlichem Nahverkehr direkt erreichbar. Im Winter
fahren die Osloer hierher um mit ihren Skiern zu springen, ein beliebter Volkssport. Jetzt
im Sommer geht das leider nicht, daher nehmen sie kurzerhand einfach ihre Fahrraeder
mit und befahren die geliebte Sprungschanze auf zwei Raedern. Hauptsache
springen. Der Sprung von der Schanze mit der Stadt und dem Oslofjord am Horizont ist
ein Erlebnis das schnell ueber ein paar gebrochene Graeten hinwegtroestet. Sprungturm
heisst auf Norwegisch uebrigens "Hopptårnet" ("Hopp Schwiz", einen schoenen Gruss an
dieser Stelle in die Schweiz). Fuer Ungeuebte und undbedarfte Touristen wie mich ist ein
Sprung von der Schanze natuerlich nicht angezeigt. Stattdessen steht ein Skisprung- und
Skiabfahrtsrennensimulator bereit. Laut Eigenwerbung macht dieser "Technologie die
frueher Piloten und Astronauten vorbehalten war" dem einfachen Buerger zugaenglich.
Diese grossspurige Ankuendigung haelt, was sie verspricht. Beim Sprung wird einem
allein durch die Perspektive schon etwas authentisch flau in der Magengegend, und man
ist froh wenn man das Aufsetzen des Simulators bei der Landung verspuert. Diese
zivile Nutzung der Weltraumtechnologie ist schon eine feine Sache.

Auf der Suche nach einem asiatischen Restaurant finde ich ein
mongolisches Restaurant. Die Gerichte bieten das Beste
traditioneller mongolischer Kueche, vom Wiener Schnitzel bis zum
Scampisalat. Leider aber nicht das, wonach ich suche, daher gehe ich
ein paar Strassen weiter und lasse mir in einem chinesischen Restaurant
den Magen auf asiatische Art und Weise fuellen.

Was mich doch manchmal etwas nervt sind Touristengruppen die sich mit
einer Geschwindigkeit bewegen als ob man ihnen die Schnuersenkel
zusammengebunden haette. Gegen die Geschwindigkeit ist ja nichts
einzuwenden, das soll jeder so schnell gehen wie er moechte. Aber warum
muss man mitten auf der Strasse eine maximal breite Formation bilden,
alles blockieren und dann stehen bleiben? Das macht man im Strassenverkehr
doch auch nicht. Aus Unkenntnis der Lokalitaet faehrt man etwas langsamer.
Aber wenn es etwas zu sehen gibt, dann wendet man doch nicht den Wagen
quer mitten auf die Strasse und parkt dort sein Fahrzeug, den gseamten anderen
Verkehr ignoriend und blockierend. Die Strassenverkehrsordnung schuetzt
sicher vor solchen Auswuechsen. Warum gibt es nichts vergleichbares
fuer Fussgaengerzonen?

In Oslo mache ich ansosnten das, was ich in der letzten vier Wochen
gemacht und inzwischen perfektioniert habe. Fuesse wundlaufen,
Fotos knipsen, beobachten, Museen besichtigen, zum Fussball
ins Stadion gehen, Kinobesuche, Wanderungen in der Natur (der
Fussweg vom Holmenkollen in die norwegischen Berge ueber Oslo
und dann wieder zurueck in die Stadt ist sehr zu empfehlen).

Fussball im Stadion ist in Norwegen eine komplett bierfreie
Angelegenheit. An der Kasse bekomme ich nur noch eine Karte
fuer den Familienblock. Komplette Familien mit Kind und
Kegel fuellen ein Viertel des gesamten Stadions, eine
ungewohnt abwechslungsreiche und schoene Erfahrung fuer mich.
Oslos Heimatklub hat sogar speziell fuer Kinder bis zum
vollendeten 12 Lebensjahr einen eigene paramilitaerisch
organisierte Jugendabteilung mit eigenem festen Block
im Stadion etabliert. Mit militaerischem Drill unfiform in
den Vereinsfarben gewandet ueben die "Oslo Minis"
(so heissen die wirklich) dort unter der Woche das korrekte
Anfeuern der eigenen Mannschaft. Hier werden nicht einfach
nur, wie bei uns daheim ueblich, die mehr oder minder sinnfreien
und oft nur im Vereinsnamen unterschiedliche Parolen gebruellt
oder Lieder gesungen. Anfeuern ist hier eine Sache des
gesamten Koerpers. Kunstvoll im Takt zurm jeweiligen Schlachtgesang
werden die Arme in wilden Bahnen um den Kopf gewirbelt bis am Ende
die Hand mit ausgestreckter Faust senkrecht zur Anfeuerung passend
zum Halten kommt. Aehnlich wie beim Tanzen muss man dabei
zusaetzlich eine genau abgestimmte Reihenfolge von Schritten
einhalten. Wenn ein vollbesetztes Stadion so etwas synchron
durchfuehrt dann sieht das schon sehr beeindruckend aus.
So kompliziert wirken die Schritte auf den ungeuebten Beobachter
wie mich das ich verstehe, warum man das schon von Kindesbeinen
an beigebracht bekommen muss um es zu dieser Perfektion zu bringen.

Ueberhaupt sind Gesten etwas sehr wichtiges, hier kann man als
Gast im fremden Land schnell etwas falsch machen. So hebe
ich den Finger in einer Kneipe um der Bedienung zu signalisieren,
das ich gerne eine Bestellung aufgeben will. Ohne Worte bekomme
ich ein frisches Bier gereicht, das ich eigentlich gar nicht haben wollte.
Das sei hier so klaert man mich auf, ein finger heisst ein Bier Zukuenftig
hebe ich also einfach nur noch meine flache Hand, darauf bedacht,
keinen Finger abzuspreizen, wenn ich Kontakt zwecks einer Getraenkebestellung
aufnehmen will. Diese international eindeutige Geste eignet sich uebrigens
auch gut dafuer, um Taxen anzuhalten. In China jedenfalls, in Riga hatte ich
damit wiederholt kein Glueck. Wieso eigentlich?


Bergen

Bergen ist das letzte Kapitel und das Highlight meiner Reise durch
Skandiniavien. Wer knapp mit der Zeit ist sollte sich wenigstens die Zugfahrt von
Oslo nach Bergen nicht entgehen lassen. Ungelogen die schoenste und
abwechslungsreichste Zugfahrt die ich bisher machen durfte. Der hoechste
Punkt ist ein Bahnhof in 1222 m Hoehe, bis dahin schraubt man sich an
Waeldern und Fjorden vorbei. Alles grau, keine Baeume mehr hier oben.
Ab hier faehrt der Zug auf seinem Weg nach Bergen durch ein unueberschaubares
Labyrinth von Tunneln und Schneetunneln. Ohne Schnee wirken Schneetunnel,
also Tunnel, die einfach so wie ein Schlauch in der Landschaft stehen und nicht durch
Berge hindurchfuehren sondern nur in Anwesenheit von Schneemassen ihre Daseinsberechtigung
haben, etwas deplaziert. So als wolle man eine U-Bahn Strecke bauen und sei nur
zu faul, dafuer in der Tiefe zu bohren. Von Zeit zu Zeit wird man aus diesen
Tunneln wieder asugespuckt, sieht fuer ein paar Sekunden das Sonnenlicht, Seen,
Fjorde und beeindruckende Wasserfaelle, nur um dann wieder sofort von einem
weiteren Tunnel verschluckt zu werden in dem man sich ein paar warme Gedanken
ueber das gerade Gesehene machen kann. Eine beeindruckende Landschaft eben,
eingebettet in eine beeindruckende Dramaturgie. Genau so stelle ich mir die Schweiz vor,
jedenfalls wenn man sich die roten Pippi Langstrumpf Holzhaeuser wegdenkt.

Das es in Bergen mitunter auch regnet liegt nicht an zertrampelten Spinnen sondern
an der besonderen Fjordlage der Stadt. Von der Nordsee kommend stauen sich die Wolken
den Fjordwaenden und regnen sich mit schoener Regelmaessigkeit ueber Bergen ab..
Manche Reisefuehrer behaupten sogar, das es hier an 400 Tagen im Jahr regnet,
was ich persoenlich aber fuer etwas uebertrieben halte. Tatsaechlich regnet es hier maximal
einmal pro Tag, und das auch haeufig Nachts. Bergen ist eine eine weitere schoenere
Hansestadt und mit vollem Recht in der Unesco Liste des zu schuetzenden Weltkulturerbes.
Hier gibt es gleich mehrere Reeperbahnen, wie sich das fuer eine Hansestadt gehoert.
Aber im eigentlichen Sinne des Wortes, also anders als in Hamburg. Erst jetzt faellt mir auf, das
Hansestaedte der gemeinsame Nenner meiner Reise waren (eigentlich sollte es ja
nur ins Baltikum gehen). Bei Gelegenheit werde ich also mal die Ueberschriften
meiner Reisebereichte aendern muessen.

Anonsten mache ich hier das gleiche wie an anderen Orten auch (siehe oben).
Aber ohne Fussball und ohne Kino. Morgen gehts noch mal per Schiff in die Fjorde,
um am Donnerstag per Flieger zurueck nach Hamburg.

24.9.06

Baltikum/Skandinavien 6.5: Bilder aus Estland, Finnland und Schweden

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Die Finalisten des 3. Estnischen Transvestitentreffens 1902: Klarer Sieger war Ingo Nuermi (Bildmitte) in seiner Verkleidung als Ingeborg Bachmann



_IGP3909
Englische Fans bei der Partie Newcastle gegen Tallinn (UEFA Cup)


_IGP3913
Tallinn rackert und kaempft, verliert aber trotzdem 1:0


_IGP4077
Tragefluegelboot das einen fix ueber die Bucht von Helsinki bringt.


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Helsinki: Dom


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Helsinki: Windige Stadt, das vordere Behaeltniss ist fuer Becher damit sie nicht umfallen, das hintere fuer Asche (oder wars umgekehrt?)


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Wache in Helsinki


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Helsinki: Wassertraegerin, deutlich attraktiver als Hamburgs Hummel


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Helsinki: Skulptur der drei Schmiede


_IGP3975
Das U-Bahnnetz von Helsinki ist weltberuehmt fuer seine Einfachheit. Um es zu verstehen benoetigt man keinen Universitaetsabschluss. Aufpassen muss man nur in der Station Håkeskurs, dort gabelt sich das "Netz"



_IGP3996
Finnland: Von diesen Telephonzellen bis zu kleinen Handys war es fuer Nokia ein weiter Weg


_IGP3974
Helsinki: Auswaertiges Amt


_IGP4013
Helsinki: Welchen Breitengrad ich gerade ueberschreite weiss ich auch nicht genau. Ich mache es mehrmals taeglich.



_IGP4058
Klassische finnische Geologie, Vegetation und Architektur. Koennte aber auch in Schweden oder Norwergen sein.


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Ueberfahrt von Finnland nach Schweden: Abendrot an der finnischen Kueste


_IGP4116
Ueberfahrt von Finnland nach Schweden: Morgenrot an der schwedischen Kueste


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Stockholm: Gasse in der Altstadt Gamla Stan


_IGP4138
Stockholm: Wikingerboot


_IGP4143
Stockholm: Sicht auf das Parlament

23.9.06

Baltikum/Skandinavien 6: Verlaengerung ueber Skandinavien

Da meine Dienste bei der Arbeit zur Zeit nicht dringend benötigt
werden kann ich meinen Urlaub um zwei Wochen verlaengern.
Das ist eine feine Sache, noch in Tallinn habe ich mir daher
eine veraltete Ausgabe des Lonely Planet fuer Skandinavien
besorgt. Sehr billig, aber leider auch nciht sehr aktuell. Was
Schweden angeht geht der Fuehrer zum Beispiel noch davon aus,
das man auch dort bald mit dem Euro zahlen kann, wenn denn
demnaechst einmal ein Volksentscheid zu diesem Thema durchgefuehrt
wird. Waehre sehr schoen gewesen, wenn diese Prognose zugetroffen
haette.


Nachlese Baltikum
Estland ist das erste Land ausserhalb Deutschlands, das
anstaendig Brot machen kann. Schmeckt wie in Deutschland,
nicht nur so ein weisser Labberkram der einem sonst ueberall
vorgesetzt wird. Die Auswahl ist vielleicht nicht so ueppig, aber
immerhin. Beim Warten auf das Essen wird einem so leckeres
Grau oder Schwarbrot zusammen mit Butter serviert. Die
Hauptmahlzeit kann entsprechend kuerzer ausfallen.

Im direkten Vergleich fuehrt Estland vor Lettland, was meine
persoenlichen Pareferenzen angeht. MEstland ist einfach ruhiger, stilvoller, skandinavischer, Lettland im Gegenzug slawischer und preiswerter.

Abschliessend eine Liste der Orte die einen Besuch lohnen fuer diejenigen,
welche demnaechst einmal im Baltikum vorbeischauen moechte:

Tallinn - Schoenste Stadt im gesamten Baltikum, uneingeschraenkt empfehlenswert,
lediglich die Touristenhorden, derer man als Reisender unweigerlich ein Teil von ist,
koennen etwas abschrecken
Liepaja - Klassische Hafenstadt mit Strand, vor allem die Hinterlassenschaften
der roten Armee laden zum entdecken ein
Riga - Nicht ganz so sehenswert wie Tallinn, trotzdem eine Reise wert, eignet sich gut als Einstiegspunkt
fuer eine Reise in die Region
Lahemaa Nationalpark - Natur, Natur, Natur
Sigulda / Gauja Nationalpark - Wer Fluesse und Burgen mag ist mit
diesem Nationalpark vor den Toren Rigas gut bedient
Saareema - Schoene Ostseeinsel mit vielen Sehenswuerdigkeiten
und Wellnessmoeglichkeiten


Von Tallinn nach Finnland

Am letzten Tag in Tallinn gibt es noch einmal Fussball.
Auf das Spiel werde ich aufmerksam, weil sich tagsueber
viele Englaender im Trikot von Newcastle United unter
die ueblichen Touristenmassen gemischt haben. Von
diesen sind sie leicht zu unterscheiden, und ich bringe
den Grund ihres Kommens in Erfahrung: Levandia Tallinn
spielt heute im Uefa Cup gegen Newcastle. Instinktiv
verhalten sich die englischen Fans richtig: Schon seit
zwoelf Uhr morgends stroemen sie in die Irish Pubs
und beginnen, sich zu betrinken. Das Spiel findet erst
sechs Stunden spaeter statt. Vielleicht haben sie geahnt,
das im Stadion kein Bier ausgeschenkt werden darf?

Im Stadion treffe ich Johan aus Helsinki. Fussball ist auch
in Finnland, und dort vor allem der englische, beliebt. Einige
seiner Landsmaenner sind daher fuer das Spiel mit dem
Schiff ruebergekommen und mischen sich unter die Newcastle
Fans. Johan ist erst vor kurzem in Hamburg gewesen. Tickets
fuer die WM hat auch er leider keine bekommen, das Heiligengeistfeld
und auch St.Pauli kennt er jedoch sehr gut.

Das Spiel ist langweilig. Levandia kaempft, kann aber 90 Miunten lang
die Fuehrung fuer Newastle aus der 10. Minute nicht ausgleichen. Ein
1:0 Arbeitssieg fuer Newcastle ist am Ende an der Anzeigentafel
angeschlagen.

Freitag folge ich den Spuren Johans und setze nach Helsinki ueber. Das Schiff
der Faehrgesellschaft "Linda Lines" hoert auf den schoenen Frauennamen "Laura".
Das ist ein gutes Zeichen, denn auf Schiffen mit maennlichen Namen sollte man
nicht fahren. "Wilhelm Gustloff" und "Titanic" - jeder weiss, was dort passierte.

Die Dame bei der Passkontrolle amuesiert sich ueber den Namen meines
Geburtsorts. Ob ich wirklich aus Bielefeld - verkniffenes grinsen - kaeme.
Ich bestaetige, denn es stimmt ja und ist die einzig richtige Antwort auf
perfide Fangfragen wie diese. Die Passkontrollen von und nach Finnland wurden
fuer die Dauer der Ratspraesidentschaft kurzfristig wieder eingefuehrt, es gibt
aber keine Probleme fuer mich beim Grenzuebertritt.

Der Kapitaen der Laura ist ein alter Seebaer im marineblauen Strickpulli,
seinen Bart traegt er in bester Lech Walesa Manier und dazu eine
70er Jahre Pornosonnenbrille. Laura selbst ist ein Tragfluegelboot
und braucht nur eine Stunde fuer den Flug ueber die Bucht nach
Helsinki. Passend dazu waehlt der Zufallsgenerator meines iPod
das Lied "Rocket Queen" aus.

Waehrend der kurzen Ueberfahrt zeigen Fernseher aktuelle Musik
DVDs. Da der DVD Spieler aber nicht mit den Erschuetterungen
des Schiffs wenn es von Welle zu Welle huepft klarkommt werden die
Filme in stroboskopart mit vielen Pausen und Haengern angezeigt.


Helsinki

Finnland ist wie Estland ein Land, in welchem das Erdgeschoss das Stockwerk
mit der Nummer eins ist. Im Billighotel "Fenno" beziehe ich ein Zimmer im vierten
Stock (also im dritten nach deutscher Zaehlart) und kann trotzdem nur auf die
Betonwand des Nebengebaeudes schauen.

Ab und zu, und vor allem an Wochenenden, gönne ich mir den Luxus eines
Einzelzimmers. In den Schlafsälen der Hostels macht man nicht immer
positive Erfahrungen. Es ist billig und man lernt Leute kennen. Damit ist die
Liste der positiven Eigenschaften bereits komplett. Anonsten stinkt es Morgends,
wenn man von der Morgentoilette zurueck kommt, wie in einem Obdachlosenasyl.
Eine Mischung aus Schweiss, dreckigen Klamotten und Alkoholausduenstungen,
denn viele sind zum Feiern hier und fallen mitten in der Nacht unter grossem
Getoese sturzbesoffen ins Bett. Manchmal wird auch vorher das einzige winzige
Fenster des Raums verschlossen. Wird man durch lautes Furzgerauesch wach
so kann man an dessem Geruch leicht auf den Typ des Getraenk schliessen
(meistens Bier, Wein riecht nicht so dumpf). Ein anderes Mal hat man mehr Glueck
mit seinen zufaelligen Zimmergenossen, oder hat sogar die ganze Bude fuer sich
alleine. Ich habe einen recht robusten Schlaf, und fuer den Fall der Faelle habe
ich immer Ohropax dabei. Von Zeit zu Zeit sollte man sich aber auch mit den
Anehmlichkeiten einer Privatssphäre in Form eines Einzelzimmers segnen.

Das man in Skandinavien angekommen ist erkennt man leicht an an den
ersten H&M Filialen im Stadtbild. In der Anzahl leisten sie sich einen
Wettstreit mit schottischen Spezialitaetenrestaurants der Marke
McDonalds. Helsinki ist der Inbegriff von Understatement, bescheiden
protzt es nicht mit Sehenswuerdigkeiten oder grossartigen Gebaeuden.
Alles wirkt sehr sehr leicht, zurueckhaltend und locker. Entsprechend sind
die Finnen gestimmt, immer freundlich, leicht zurueckhaltend zu Beginn, aber
man kommt schnell mit ihnen ins Gespraech. Die Lebenseinstellung der Finnen
ist am ehesten mit denen der Laoten zu vergleichen.

In jeder Stadt findet sich schnell ein Lieblingsplatz, ein Ort an den
man sich wohl fuehlt und stundenlang die Zeit totschlagen kann. In
Helsinki ist dieser Platz schnell mit der Treppe vor dem Dom gefunden.
Die Treppe ist steil wie der Aufgang zu einer Aztekenpyramide und
fuehrt den einzig nennenswerten Huegel der Stadt, gekroent durch
den Dom, hinauf. Von hier habe ich bei bestem Wetter einen
Spitzenausblick ueber den Hafen und die Stadt.

Die Strassenschilder sind zweisprachig in Finnisch und Schwedisch
gehalten. Die Strassen enden also wie in einem Mankellkrimi meistens
auf -gatan. Ein erster Vorgeschmack auf Stockholm. Kaurismäki besitzt
in Helsinki ein Restaurant und eine Kneipe. Besonders die Stimmung
in der Kneipe ist vergleichbar schraeg wie die seiner Filme, also sehr
zu empfehlen.

Auch die Grundversorgung mit deutschen Presseerzeugnissen
ist gesichert. Taeglich ankommende Faehren habe den neuesten
Spiegel oder die Bildzeitung im Gepaeck. "WHO-Bericht enthuellt:
Deutschland sozialistischer als China" weiss die Bildzeitung zu
berichten. Wenn Mao das wuesste wuerde er sich bestimmt im
Grabe (resp. im Mausoleum) umdrehen. Ein gutes Zeichen, denn
dumme Schlagzeilen diese Art sind ein untrueglicher Indikator
dafuer, dass nichts schlimmes in der Welt passiert ist. Wenn der
Bildzeitung mal die Ideen ausgehen sollte: Wie waers mit der
vergleichbar daemlichen Schlagzeile "Meteorologen finden heraus:
Wenn es regnet wird die Erde nass", zu dem Thema koennte man
im Innenteil Topleute wie Joerg Kachelmann interviewen, eine
Telefonumfrage starten oder sogar eine Aufkleberaktion lostreten.
Die finnische Regenbogepresse berichtet zeitgleich von einer
Satanssexparty bei der Gruppe Loordi. Fuer weitere Details zu
diesem pikanten Thema reichen meine Finnischkenntnisse
leider nicht aus.

Im Zoo spricht mich ein Finne an und berichtet in gebrochenem
Deutsch, wie er 1990 Pauli gegen Hertha in Berlin und spaeter
in den 90ern ein Spiel von Pauli gegen Nuernberg im ehrwuerdigen
Millerntor gesehen hat. Beide Spiele sind ihm noch in guter Erinnerung.
Ausserdem kondoliert er zum Vergeigen der Partie gegen Bayern
Muenchen eine Woche zuvor (er hatte das Spiel im Fernsehen
vefolgt). Finnen haben anscheinend einen guten Riecher fuer
Spitzensport.

Abschliessend ist Helsinki so etwas wie ein finnischer Mikrokosmos.
Alles, was es sonst im Land zu sehen gibt, kann man sich hier in
der Stadt schon einmal probeweise anschauen. Am besten laesst sich
die Stadt mit einem Fahrrad erkunden. Der Verleiher gruesst mich
mit "Moin Moin", er hat selbst 12 Jahre in Hamburg gelebt.


Auf dem Weg nach Schweden

Moin Moin ist auch heute noch die gaengige Begruessung in Turku,
der alten Hansestadt und als aelteste Stadt des Landes lange Zeit
Hauptstadt Finnlands. Das Helsinki ihr diesen Rang geklaut hat und
das Turku selbst inzwischen nur noch die drittgroesste Stadt
Finnlands ist nagt stark am Selbstverstaendnis der Stadt.

Von Turku aus setze ich Abends mit der Faehre nach Stockholm
ueber. Turku ist ein toter und langweiliger Platz den man nicht gesehen haben
muss. Tagsueber schlage ich die Zeit in Ermangelung sehenswerter
Attraktionen die Zeit in Cafes und Kneipen tot. Das man hier direkt mit
dem Euro bezahlen kann ist eine feine Sache, sofort springt einem
dabei allerdings ins Auge, wie teuer es ist, hier zu leben - ein
Menue bei Subway kostet mit durchschnittlichen 10 Euro fast doppelt
so viel wie in Deutschland. Johan, den ich in Tallinn traf, hatte mich schon
vorgewarnt. Auch hier hat die neue Waehrung alles ueber Nacht
preislich verdoppelt, vervierfacht also relativ zu deutschem DM Niveau.

Im Gegensatz dazu sind Faehrtickets geradezu verschwenderisch
billig. 15 Euro bezahlt man fuer das billigste Ticket in einer Dreierkabine.
Unter der Woche an einem Montag hat es den Anschein, das nur
schwedische Rentner bereit sind, nach Stockholm ueberzusetzen.
Wie eine Bueffelherde zwaengen sich die Massen bereits eine Stunde
vor der Abfahrt auf das Schiff als sich das Tor zur Gangway öffnet.
Abgesehen vom Schiffspersonal bin ich mit Abstand der juengste
Mitreisende an Bord.

Ein dreiraediger voll motorisierter AOK Chopper parkt Abends direkt
neben der Tanzflaeche auf der die Rentner sich mit immer gleichen
Schritten und im gleichen Takt die nicht gleichbleibende Musik ignorierend
bewegen. Die Einkaufskoerbe der vollmotorisierten Gehhilfe sind
prall mit steuerfrei gekauftem Alkohol, Bier und hoeherprozentiges,
gefuellt. Ein so trostloses Bild, ich gehe daher einfach in meine
Koje und verzichte auf das Abendprogramm.

Auf dem Weg nach Schweden passieren wir mitten in der Nacht die
Insel Åland. Die gehoert zu Finnland, aber auch Schweden erhebt
Ansprueche auf das Eiland. Skandinavisch klug hat meinen keinen
Krieg vom Zaun gebrochen: Åland hat eine eigene Flagge, gibt
eigene Briefmarken heraus und ist offiziell ein autonomes Gebiet.
Eine kluge und weitsichtige Entscheidung, denn so koennen die
Skandinavier das tun was sie am liebsten machen: Steuerfrei
in Unmengen Alkhol bunkern. Der Fahrplan auf der Strecke
Helsinki - Stockholm ist speziell auf dieses Beduerfnis angepasst.

14.9.06

Baltikum 5: Tartu and Tallinn

Tartu

Tartu ist die zweitgroesste und aelteste Stadt des Landes. Ausserdem die Stadt
mit der ersten Universitaet des Landes, eine Tradition, welche auch heute noch
fortgesetzt wird. Ca. 20% der Leute dort sind Studenten, was das Nachtleben der
Stadt klar vorgibt. Alle 15 Minuten verbindet ein Bus Tartu mit der 200 km
entfernten Hauptstadt Tallinn. Die erste Stadt in Estlands in der ich bin, welche
keine eigene Kueste zur Ostsee hat.

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Strassenszene in Tartu

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Schiefes Haus in Tartu. Die Esten sind jedoch zu bescheiden, dieses Pfund touristisch auszubeuten wie es die Italiener mit ihrem schiefen Turm in Pisa machen

Ich miete mich billligst im Studentenheim ein. Zentral gelegen, und neben einer
eigenen Nasszelle (die ihren Namen auch wirklich verdient) gibt es sogar einen
Fernseher. Das stellt sich spaeter noch als Segen heraus, denn eingespeist wird
auch das Programm des ZDF. Damit kann ich wenigstens im Fernsehen das Spiel
Pauli gegen Bayern sehen, wenn ich schon nicht vor Ort anwesend bin. An dem Tag
habe ich nach dem Spiel jedenfalls keine grosse Lust mehr auf Party, aber ein
paar Bier sind immer drin.

Die Gebauede der Universitaet befinden sich auf einem Huegel ueber der Altstadt.
Den muss ich also auch hochkrabbeln, wenn ich zurueck zu meiner Unterkunft
moechte, bzw. herunterollen wenn ich in die Altstadt will. mit seinen geschaetzten
100 Meter Hoehe und den steilen Strassen erinnert er mich doch stark an den
Bandelberg zu Detmold. Fuer estnische Verhaeltnisse sind Huegel dieser
Groessenordnung als Alpin zu bezeichnen. Bei gutem Wetter kann man bestimmt
ueber das flache Land bis zur See und ueber das komplette Land schauen, verifizieren
kann ich diese These jedoch nicht, denn das Wetter ist ingesamt sehr schlecht
als ich hier bin.

Typisch Studentisch: Wie in Deutschland so sind auch hier die Studenten fuer die
Auswahl der Nationalfarben zustaendig. Nachdem man eine grosse
Nationalitaetsbesinnung und -bewegung losgetreten hatte (klar: Keimzelle war mal wieder die Uni, altes Revoluzzerpack) viel einem bald ein, das man eine Fahne oder
so etwas braeuchte. Man einigte sich auf die Farben Kornblumenblau, Schwarz und Weiss. Ein Erfolgsmodell das heute noch Bestand hat, jedenfalls mit 50 jaehriger Besetzungspause.

In Tartu selbst haenge ich meistens, wegen des schlechten Wetters, innerhalb von
Gebaueden rum. Das uebliche was man so sehen kann, Museen, alte KGB
Folterwerkstaetten, Kino. Und Abends in Kneipen. Schoen traditionell ist die
Kneipe mit dem Namen Studentische Tugend. Kochen gehoert ganz offensichtlich nicht
zu studentischen Tugenden, die Kueche ist mies. Das Bier und die Gesellschaft machen diesen Nachteil aber mehr als wett.

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Last Man Standing: Bei einem Dorffest schnallt sich jemand ein Holzbein um und die Jungen versuchen, ihn zu Fall zu bringen. Auch heute wird dieser Brauch noch gepflegt und es ist immer ein grosses Hallo wenn es gelingt, jemanden zu Fall zu bringen


Erstligafussball in Estland

Passend zum Fussball wird das Wetter wieder besser. Mit dem FC Levadia ist der
auch nach 20 Spielen noch ungeschlagene Spitzenreiter zu Gast. Waehrend der
Club aus der Hauptstadt die zehn Vereine umfassende Meistriiliga (hoechste
nationale Spielklasse) mit komfortablen 16 Punkten auf der Zielgerade der
Saison anfuehrt und schon einmal fuer die Champions League Qualifikation
planen darf steht Maag Tartu fest betoniert im grauen Mittelfeld der Tabelle
und muss sich dort weder Gedanken um den Klassenerhalt noch um die Meisterschaft machen.

Ausgehend von der Tabellensituation sind die Rollen also klar verteilt. Ich bin
eine Stunde zu frueh im Stadion, denn auf der Kicker Homepage waren die
Anstosszeiten in MESZ aufgefuehrt. In Ermangelung eines Stadions findet das
Spiel in einer Sportanlage statt in welcher sich vor und waehrend der Spiels
die Einheimischen beim sonntaeglichen Bolzen, Tennis, Basketball oder beim
Skaten ueber die asphaltierte 400m Laufbahn um das Spielfeld verlustieren.
So frueh bin ich neben zwei obligatorischen Rentnern und zwei jugendlichen
weiblichen Fans, welche einen Fanschal des Gastklubs sauber gefaltet
auf ihrem Schoss liegen haben, der einzige Zuschauer in der Sportanlage. Das eigentlich auch ein Eintrittsgeld in Hoehe von umgerechnet 2 Euro faellig ist
bemerke ich erst als eine halbe Stunde vor dem Spiel vereinzelt Zuschauer
eintrudeln. Fuer das nachgeloeste Ticket gibt es neben einem zweiseitigen Flyer,
der die Aufstellung und die Werbepartner der Mannschaften vorstellt, auch ein
Los mit welchem man am Ende der Saison einen Jeep gewinnen kann.

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Ueberschaubar wenige Zuschauer verirren sich ins Stadion

Eigentlich stehen die Chancen fuer einen Gewinn ganz gut, denn zu Beginn der Partie
haben sich nur geschaetzte 50 Zuschauer auf die maximal das vierfache fassende mit
groben Brettern belegte Stahlrohrtribuene an der Laengsseite des Spielfelds verirrt.
Vielleicht waeren mehr Zuschauer gekommen, wenn die Spielankuendigung nicht nur im
Stadion, sondern auch in der Stadt plakatiert worden waere? Sicherheitskontrollen am
Eingang gibt es keine, ausserdem gibt es Getraenke oder was zu Beissen nur, wenn man
es sich selbst mitgebracht hat.

In den ersten fuenf Minuten wird Tallinn seiner Favoritenrolle durchaus gerecht, doch
der Anfangselan verpufft schnell. Insgesamt ist das Niveau der Partie, verglichen mit
Deutschland, irgendwo zwischen Verbands- oder Oberliga angesiedelt. Unansehnlich
schieben sich beide Mannschaften den Ball im Mittelfeld zu, ohne jemals in Richtung
des gegnerischen Tors zu marschieren. Durch einen Kontertor in der achten Minute
geht Tallinn dann auch in Fuehrung, diese haelt bis fuenf Minuten vor Schluss als aus
heiterem Himmel der Ausgleichstreffer faellt. In der zweiten Halbzeit macht Tartu einfach dort weiter, womit es vor der Pause angefangen hat: mit dem Toreschiessen.

Bis zehn Minuten vor Schluss haben sie den Vorsprung auf ein sicheres 4:1 erhoeht. Mit den Gedanken schon in der Kabine koennen sie selbst ihr Glueck kaum fassen als Tallinn zur Schlussoffensive uebergeht. Einzig dem Aluminiumpfosten und Latte des Tors ist es zu verdanken, dass zum Schluss der Endstand von 4:2 fuer Tartu auf der manuellen Anzeigentafel angeschlagen ist. Die Zuschauer applaudieren artig und kurz und verlassen die Anlage. Wieso er heute seine erste Saisonniederlage nach 25 Spieltagen eingefahren hat kann der Trainer von Tallinn den zwei anwesenden Journalisten auch nicht schluessig erklaeren.


Tallinn

Neue Woche, neues Glueck. Morgends fahre ich mit dem Bus nach Tallinn. Die
Fahrt dauert zwar nur zwei Stunden, ist aber die Hoelle. Mein Sitz ist kaputt und
so muss ich krampfhaft aufrecht sitzen und kann mich nicht anlehnen. Alle
Plaetze im Bus sind belegt, und dieses Mal bestehen die anderen Fahrgaeste darauf,
die zugewiesenen Plaetze auch einzunehmen. Also sitze ich eingeklemmt und
verkrampft wie ein Affe auf dem Schleifstein und bin froh, als ich in allinn endlich
aus dem Bus plumpse. Luft! Platz! Und vor allem: Bei bestem Wetter mache ich
mich auf den Weg durch die Stadt und beziehe ein Zimmer in einem Hostel, zentral in
der Innenstadt gelegen.

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Tallinn Altstadt

Die Stadt ist atemberaubend und geizt nicht mit ihrem mittelalterlichen
hanseatischen Flair. Enge Gassen, alte Gemaeuer, tausend Kirchen,
Burgberge und Stadtmauern. Am Horizont sind die alten realsozialistischen
Wohnbunker und ein 70er Jahre Funkturm, garantiert zu 100 Prozent aus Beton,
zu erkennen. Der Blick fuehrt ueber den Golf von Helsinki, bis nach Finnlanf kann man
auch von hoher exponierter Stellung aus nicht schauen. Die im 30 Minuten takt
ablegenenden Faehren aller Bauformen und Groesse zeugen aber davon, das es
soweit nicht sein kann. Zur Zeit spielt man ersthaft mit dem Gedanken, aehnlich
dem Kanaltunnel zwischen England und Frankreich einen ca. 80 km langen
Autotunnel nach Helsinki zu bauen. Das ist aber noch weit entfernte Zukunftsmusik.

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Lettinnen sind durch die Bank sehr attraktiv und laufen ausschliesslich in landestypischer Tracht herum. Genau wie in Deutschland, da tragen wir ja auch alle Lederhosen und Dirndl, wenn man den Bildern von der Eroeffnungsfeier der Fussball WM glauben darf.


Vom Tourismusmarkting versteht Estland etwas. Ich habe bisher noch nie so viele
Touristen auf einen Haufen gesehen, und das mitten in der Woche und in der Nebensaison. Am Wochenende toppen die Menschenmassen bestimmt locker Grossveranstaltungen wie Papstbesuche in Deutschland aus dem Stand. Erst nachdem ich mir den Grundriss der Stadt von oben angeschaut habe vleruafe ich mich nicht mehr in diesem Labyrinth. Bei den vielen Attraktionen kann man hier muehelos viele Tage verbringen, langweilig wird es hier nicht so schnell.

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Wer ein geschmackvolles Badehandtuch sucht wird vielleicht auf dem Markt beim Tallinner Bahnhof fuendig


Um Tallinn herum

Ich habe mir eine spritzig orangenen Fiat Punto gemietet. Erst habe ich in
Markus Altekrueger Manier die Autoverleiher per Fuss direkt abgeklappert,
aber ohne Erfolg. Es gab keine billigen Autos, keine die ich morgends frueh
abholen und Abends spaet zureuckbringen konnte. Die hilfreiche
Touristeninformation konnte dann mit einem einfachen Telefongespraech
das Gewuenschte liefern. Fuer 50 Euro wird mir die Karre morgends um
sieben vor das Hostel gestellt, und dort kann ich das Auto einfach am Abend
stehen lassen. Wer demnaechst in Tallinn ein Auto mieten moechte soll
mich einfach ansprechen,

Es wird der bisher schoenste Tag meines Urlaubs. Der Nationalpark ist
50 km oestlich von Talinn. Weg von den Torusitenmassen und der Stadt.
Der Weg alleine ist schon fuer sich lohnenswert. Vorbei an bergehohen
Abraumhalden des Phosphatabbaus, riesigen verlassenen Zementwerken,
vermutlich ist die ganze Sowjetunuion von hier versorgt worden, dem einzigen
estnischen Atomkrafterk vom Typ Tschernobyl. Kilometerlange Fernwaermepipelines
die im Nichts muenden und leck sind. Immer wieder steige ich aus und erkunde die
Ruinen. Dabei muss man aufpassen, laut Reisefuehrer hat sich vor zwei Jahren
jemand an radiotaktiv verstrahleten Ueberesten den Tod geholt. Besonders gefaehrdete
Einrichtungen dieser art werden daher heute speziell bewacht und sind sinnvollerweis
nicht mehr oeffentlich zugaengig. Der Norden Estlands wurde zu Besatzungszeiten
industriell ueberproportional beansprucht.

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Moor im Nationalpark

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Estlands Antwort auf die Niagarafaelle

Dann ploetzlich der Nationalpark. Welch krasser Gegensatz: keine touristenhorden,
Einsamkeit und Stille, Zurueckgelassenes, weite Waelder, Gletschergesteinsbrocken,
Ostsee, risse im Eisernen Vorhang den es nicht mehr gibt, Straende, Fischer bei der
Arbeit, Wasserfaelle, Huegelgraeber, Moore. Die Eindruecke sind zu zahlreich um sie
alle aufzuzaehlen. Und das alles bei bestem Kaiserwetter. Fuer Tallinntouristen ist
eine tageweise Flucht aus der Stadt ein absolutes Highlight! So zentral wie Tallinn
gelegen ist kann man von hier auch bequem das ganze Land erkunden wenn man sich
ein Auto mietet. Je nachdem, was man so am Gaspedal kann.

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Loechriger Eiserner Vorhang> Nicht mehr benutzter Grenzposten an der Ostsee

12.9.06

Baltikum 4.5: Bilder von zwischendurch aus Tallin

Bin seit gestern in Tallin. Ausserdem habe ich heute die nachricht erhalten, dass ich laenger im Urlaub bleiben kann. Werde also am Freitag nach Helsinki weitereichen. Zwischendurch als Wasserstandsmeldung ein paar Bilder die ich in den letzten Tagen aufgenommen habe.

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Deutscher Soldatenfriedhof und russisches Kriegsdenkmal in Tallin

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Statue am Olympiastuetzpunkt Tallin

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Trabantenstadteil von Tallin

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Sowjetisches Glasmosaik im Fernsehturm Tallin. Kosmonauten, Kuenstler, Komsomolzen - alles dabei

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Altstadt von Tallin

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Where Tallin meets Frankfurt: Altstadt/Neustadt

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Beliebter Treffpunkt fuer frisch verliebte

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Endstand im estnischen erstliga spitzenspiel

Trainerfuchs der Talliner Spitzenmannschaft
Talliner Trainerfuchs kann sich die Niederlage auch nicht erklaeren