21.8.08

Transnistrische Vampirzoellner, Wein und tschuess ...

Transnistrien wird im “Lonely Planet" als letztes
stalinistisches Regime in Europa beschrieben und
als ein post-sowjetisches Freilichtmuseum bezeichnet.
Mit dieser Einschaetzung irrt der erfahrene Reisefuehrer
gewaltig: Nur weil der Lenin Statue in der Hauptstadt
Tiraspol der nicht annerkannten und abtruennigen Republik
Transnistrien nicht der Kopf abgerissen wurde kann man
noch lange nicht von einem Freilichmuseum sprechen.
Vielleicht war keiner von den Autoren selber dort?

In Transnistrien hat sich ein korruptes Regime von
Verbrechern breit gemacht und verdient sein Geld mit
Waffenverkaeufen und anderen Gaunereien. Ein Schurkenstaat
par excelence. Von der KSZE geschaetzte 30 % der in
Osteuropa zur Zeit des kalten Krieges stationierten
konventionellen Munitionsvorraete sind in diesem
handtuchgrossen Streifen oestlich des Nistru Flusses
gestrandet und werden von dem Staat vertickt.

Eine andere Einahmequelle zur persoenlichen
Bereicherung der Zoellner sind auslaendische
Touristen. Diesen wird ungeniert das Geld
aus den Taschen gezogen. Das Muster dabei ist
immer gleich: Man weist auf eine entdeckte
eilig zusammenfantasierte Ungereimtheit hin
und fordert von dem Reisenden einen Betrag um
ueber diese hinwegzusehen. Die aufgebaute
Drohkulisse besteht in der Androhung des
Einbehaltens persoenlicher Wertsachen oder
dem Festhalten an der Grenze bis zur Klaerung
eines Sachverhalts. Es ist schwierig, sich
diesem Prozedere zu entziehen - auch einfach
auf dumm schalten bringt nichts.

Aus Reisegruppen werden bei Ein- und Ausreise einzelne Repraesentanten herausgepickt und diese werden dann von einem Zoellnern in einem Einzelzimmer (nicht vor den Augen der Kollegen) bestmoeglich ausgesaugt. Bei der Einreise erwischt es mich, der Zoellner kontrolliert meine Taschen und ist schlecht gespielt erbost, das ich Waffen mit mir fuehre. Er meint damit mein Schweizer Taschenmesser mit Nagelfeile und Papierschere. Streng startet er seinen Einschuechterungsversuch mit dem Hinweis, das er das nicht durchgehen lassen kann, dieses melden muss und daher ein Protokoll anfertigen wird. Ich zucke mit den Schultern. Mehrmals spricht er mich mit steigender Lautstaerke an, ich verstehe nur das Wort "Protokoll" mit dem er in seiner freien Hand wedelt. Freundlich nicke ich und bestaetige "Da, Protokoll".

Ob er keine Lust hat, sich damit zu befassen oder einfach nur intellektuell nicht dazu in der Lage ist, ein solches abzufassen (er sieht nicht wie der kluegste Mensch der Welt aus - und bekanntlich finden sich dumme Menschen in den Reihen von Behoerden und Armeen pudelwohl) weiss ich nicht. Er legt statt dessen das Protokoll aus der Hand und geht in die Offensive, in dem er von mir ein kleines Geschenk einfordert ("Now you must give me small present!"). Damit erwischt er mich auf kaltem Fuss, denn Geschenke aus der Heimat fuehre ich nicht mit mir. Sicherlich wuerde er sich ueber ein kleines Buddelschiff oder eine Kuckucksuhr freuen - ich habe aber einfach nichts dabei.

Ich greife also in den Beutel und reiche ihm einen frischen und wohlriechenden Brotlaib mit beiden Haenden. Er bleibt wahlerisch und lehnt das Geschenk ab, auch dazu gepackte Westzigaretten akzeptiert er nicht. Jetzt wirds eng, denn mehr habe ich nicht dabei (und meine Kamera habe ich zum Glueck im Hotel gelassen). Der Zoellner konkretisiert seinen Geschenkwunsch in dem er auf mein Portemonnaie zeigt. Schon mit 5 Euro gibt er sich zufrieden und ich brauche ihm das Geschenk auch nicht einzupacken. Eine echte Win-Win Situation – er hat sich in harter Waheung bereichert und ich habe vergleichsweise guenstig meinen Frieden.

Denn spaeter stellt sich bei der Ausreise heraus, das fuenf Euro echtes Schnaeppchen sind. Markus wird auf dem Rueckweg ausgewaehlt und unter Androhung der Einbehaltung seiner angeblich falsch deklarierten Kamera (eine solche sollte als Hochfrequenzgeraet eingetragen warden auch wenn das technisch Unsinn ist)
presst der Vampizoellner all seine mitgefuehrten 35,- Euros aus ihm heraus.

Die Einreiseprozedur nimmt insgesamt zwei Stunden Zeit in Anspruch. Zusaetzlich muessen wir in doppelter Ausfuehrung stehend unsere Barmittel ermitteln und diese in
Formulare eintragen. Mit aller Ruhe der Welt warden Registrierungen fuer ein Tagesvisum bearbeitet. Diese Dienstleistung ist immerhin fuer umsonst und kostet nur Zeit. Zeit welche unsere Mitreisenden in dem Bus nicht haben und deshalb gar nicht auf uns wartend direkt den Weg nach Tiraspol einschlagen haben. Von den 16 Fahrgaesten waren Markus und ich die einzigen, die sich dem oben beschriebenen Procedere unterziehen mussten.

Mit Stalinismus oder Kommunismus ist es in dem Land nicht weit her. Niemand steht auf oder singt die russische Nationalhymne mit als diese auf dem Grossbild-Fernseher bei der Uebertragung der Siegerehrung beim Ringen im Rahmen der Medaillienverleihung gespielt wird. Es gibt Coca Cola und alles andere westliche in den Laeden zu kaufen.

Der Cousin des Regierungschefs hat sich im Land mit einem eigenen kleinen aber feinen
national operierenden Multikonzern mit dem schoenen Namen “Sheriff” breit gemacht.
Neben dem Schriftzug prangt ein Sheriff-Stern, dieses Logo ist im Land auf Tankstellen, Supermaerkten und Spielcasionos zu sehen. Als grosser Fussballfreund sponsort er auch den oertlichen Fussballverein und hat diesem einen modernen repraesentativen Sportpark mit Stadion und Fuenf-Sterne Hotel spendiert. In dieser Anlage hat vorgestern auch die deutsche U21 Nationalelf gespielt, wenig erfolgreich wie ich gehoert habe. Im sportlichen Bereich laesst sich sein Investment am ehesten mit dem des Herrn Hopps bei dem neuen deutschen Traditionsclub TSG Hoffenheim vergleichen (wobei Herr Hopp sein Geld auf saubere Art und Weise verdient hat).

Nur Russland erkennt diese selbsternannte Witzrepublik an und hat dessen Einwohnern
Mit russischen Paessen ausgestattet. Lupenreine Demokraten vom Schlage eines Putin moegen die Moldauregion auch noch aus einem anderen Grund: Nationalstolz und Vorzeigeindustrie ist der Weinanbau fuer den es offensichtlich gar keiner Steilhaenge wie bei uns zu Hause an Rhein und Mosel bedarf (Warum wird dann eigentlich kein Wein in der Lueneburger Heide angebaut?).

Zu seinem 50. Geburtstag lud Herr Putin seine besten Freunde in die Weinanbauanlagen
bei Cricova, etwas 15 KM westlich von Moldaus Hauptstadt Cisinau gelegen. Falls sein Duzfreund Gerhard Schroeder bei der kleinen Feierstunde anwesend war so ist er wie wir heute durch ein unterirdisches 120 KM langes Tunnelsystem gerauscht. Etwa 80 KM
dieser kuehlen Anlage (alleine das ein Segen bei diesen Temperaturen!) werden als Lager- und Reifestaette fuer die besten Tropfen des Landes genutzt. Die Tunnel sind etwa vier Meter hoch, schachbrettartig angebracht und zweispurig. Mit allem was sonst eine ueberirdische Strasse zu bieten hat: Aus dem Wein-Genre entlehnte Strassennamen, Ampeln und Verkehrszeichen.

Verfuegt man ueber das noetige Kleingeld so kann man seine eigene Weinsammlung hier lagern und verwalten lassen . Einige Prominente und Reiche aus aller Welt nehmen diese Serviceleistung gerne in Anspruch. Ob der Wein gut ist kann ich fachmaennisch nicht beurteilen, aber schlecht schmecken tut er nicht.

Da heute der letzte Tag des Kurztripps ansteht gilt ab morgen der Inhalt eines grossen Plakats auf dem Weg von der Hauptstadt zum Flughafen: ”Cisinau says "Tschoe" with "oe", kiek mal wieder in .....” Falls wir rausgelassen werden sehen wir uns also bald wieder in Deutschland.


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Tragisches Schicksal: Viele und vor allem junge Frauen sind in Moldau mit einer Durchschnittsgroesse von 1.95 M Gefangene im Koerper einer Giraffe


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Kleidsame moldauische Nationaltracht, im taeglichen Leben dominieren aber eher Kleidungsunsitten wie bauchfreie Traegershirts, Jogginganzuege und Stoeckelschuhe


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Weinlager in Cricova: Sehr schmutzige Flaschen mit verpiltem Korken - alleine deshalb sehen die Flaschen schon enorm wertvoll aus


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Eines der vielen repraesentativen Raeume die man im Weinlager fuer private Vernstaltungen mieten kann


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Blick in das Weinlager in dem auch Otto Normalvebraucher seine Weinschaetze lagern lassen kann wenn er ueber das noetige Kleingeld verfuegt, die aelteste Flasche ist von 1901



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Nette Tradition: Bei der Geburt eines Kindes legt man eine Flasche Wein in sein Fach und koepft diese dann nach 18 Jahren aus Anlass einer Volljaehrigkeitsfeierlichkeit. Dieses Fach gehoert dem Chef des russischen Energiekonzerns Lukoil. Es muss ein sehr reicher und sehr potenter Mann sein.

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