22.5.09

Slowenien Teil 1: Auf nach Ljubljana

Prolog: Auf nach Slowenien

Mit meinem hohen Resturlaubsberg war es nur eine Frage der Zeit, bis man mich bat, Teile davon zu nehmen. Das ist letzte Woche plötzlich passiert und spontan habe ich mich nach einem lohnenden Reiseziel umgeschaut. Bei einem Kurzurlaub kommt nur ein nahes Ziel in Europa in Frage. Auch wenn ich auf meiner Reiseliste despotischer Willkürregime gerne hinter Weißrussland einen Haken machen möchte ist dieses ohne ein Visum im Pass so schnell nicht zu erreichen.

Nach einen kurzen Blick in den Lonely Planet Osteuropa fällt die Wahl daher auf Slowenien, dem Eintrittstor zum Balkan. Ein bescheidenes, kleines und sehr unauffälliges Land das sich sehr erfolgreich zwischen Österreich, Italien und Kroatien versteckt. Etwa so groß wie eine Sachsen oder eine australische Schaffarm kennt man es vielleicht bestenfalls von der Durchreise. Und da ich Slowenien immer nur durch eine mühsam konstruierte Eselsbrücke von der der Slowakei (weiter oben neben Tschechien) unterscheiden kann muss ich da einfach mal hin und aktiv an diesem Manko arbeiten.




21.5.2009: Hamburg – Ljubljana (via Budapest)

Budapest und ungarische Salami

Mit der ungarischen Malev geht es in einer kleinen Fokker erst einmal nach Budapest. Die Wartezeit von sechs Stunden vor dem Weiterflug verkürze ich mit einer kurzen Stippvisite in der kosovarischen Hauptstadt.

Es ist brutal heiß, ähnlich wie in Kiew, vermutlich schwitzt man sogar in der Wüste weniger. Statt Heizpilzen im Winter sind die Aussenflächen der Cafes deshalb großflächig durch Schatten spendende Sonnenschirme und grotesk große Ventilatoren mit einem halben Meter Durchmesser ausgestattet. In letztere hat man kleine Wasserpistolen integriert welche Wasser zerstäuben und so effektiv für eine gute Luftfeuchtigkeit sorgen. In diesen Oasen kann man es aushalten.

Schweißflecken im Achselbereich bekomme ich beim besteigen des Burgbergs der pittoresk über der Stadt thront. Im Gepäck einheimische Salamiwurstware, Käse und Apfelstrudel die ich mir in der sehenswerten alten Markthalle gekauft habe und beim Blick über Budapest verputze. Vielleicht muss man die Wurst hier vor dem Verzehr waschen, pellen oder anderweitig bearbeiten. Oder es liegt am Reisemagen. Jedenfalls blockiere ich später beim Flughafen die Männertoilette für geschlagene 20 Minuten und lasse zwei Sudokus lösend dem Durchfall freien Lauf. Die leckeren Spezialitäten bleiben somit im Lande.

Werder Fans auf dem Heimweg

Am Budapester Flughafen stolpere ich über ein paar übernächtigt und geknickt wirkende hier gestrandete Werder Bremen Fans. Fan-Schal (total bekloppt bei Außentemperaturen von 30°C + x) und Trikot tragen sie vermutlich seit 48 Stunden oder noch länger. Auch die beste sportliche High-Tech Funktionskleidung kann hier eine Bestimmung der Tragedauer allein durch den Geruch nur schwer unterbinden.

Meine aufmunternden teilnehmenden Worte verpuffen wirkungslos. Grundtenor: Spiel Scheiße, Istanbul noch mehr viel mehr Scheiße und chaotisch bis zum dorthinaus. Den HSV Fans, welche vor Wochenfrist in Vorfreude auf die UEFA-Cup Finalteilnahme noch „Istanbul ist schöner als Berlin“ sangen, sei gesagt, das dem nicht so ist. Man muss das dem Werder Fan, der nun beide Städte kennt, einfach glauben.

Rüber nach Slowenien

Mit einer Turboprop Maschine brasilianischer Bauart (EMBRAER) geht es von Budapest Richtung Alpen. Der Flieger ist so klein das ich nicht einmal meinen Handgepäck-Rucksack mit in den Innenraum nehmen darf. Er passt einfach nicht in die Schuhkartongroße Hutablage über den Sitzen. Die Stewardess sieht das aber nicht so eng: ich darf ihn einfach auf einen der freien Plätze legen und muss ihn auch nicht anschnallen. Freie Platzwahl da heute Abend nur etwa 18 Reisende (17 Slowenen und ich) nach Ljubljana wollen. Nur ein drittel der verfügbaren Plätze sind besetzt und je nach Flugrichtung wechsele ich während des Fluges mehrfach auf einen anderen Fensterplatz.

Der Bord-Service ist familiär intim. Man scheint sich persönlich zu kennen und häufiger zusammen die Strecke zu fliegen. Der Stewardess ist es heiß und sie entledigt sich ihrer Kostümjacke und ihrer Weste (die darunter liegende weiße Bluse lässt sie aber an). Dann greift sie in einen Pappkarton und schmeißt jedem Fluggast ein Tetrapack Orangensaft, andere Alternativen gibt es nicht, auf Zuruf zu, dabei etwas russisch klingendes wie „Opa Opa“ (auf deutsch etwa „Hopp Hopp“) rufend. Wer nichts trinken möchte fängt das Ding einfach nicht auf. Als Snack gibt es eine aufwendig in Plastik verpackte Pfeffernuss. Vielleicht ist die noch vom letzten Weihnachten über, bis zum nächsten christlichen Wiegenfeste ist sie jedenfalls nicht mehr haltbar. Von dem Lebkuchen- und Zimtgeschmack stellt sich bei mir eine adventliche Grundstimmung ein die so gar nicht recht zur Jahreszeit und auch nicht zu den hochsommerlichen Temperaturen passen will.

Der kleine Flieger schlingert beim Start mächtig auf dem Rollfeld. Die Propeller geben sich sichtlich Mühe, genug Kraft zum Abheben zu erzeugen. Kurz vor Ende der Laufbahn gelingt es ihnen schließlich und man kann ihnen nun beim Kampf gegen die Schwerkraft zuschauen, mühsam schraubt sich der kleine Flieger im Steigflug Zentimeter um Zentimeter höher in die Luft. Der Anflug auf die durch den Sonnenuntergang rötlichgelb glühenden Alpen würde einen Extrazuschlag auf den Flugpreis rechtfertigen. Bevor wir aber in die Berge am Horizont knallen entschließt sich der Pilot, doch ordnungsgemäß den Landeanflug einzuleiten, er dreht bei und ähnlich holperig wie der Start gelingt die Landung ohne Probleme. Keiner der Passagiere klatscht, aber diese peinliche Unsitte aus der Zeit, als Fliegen für Otto Normalverbraucher eine seltene Außnahme darstellte, sind gottlob vorbei. Nach der Landung warte ich entspannt vor alpiner Kulisse bei einem kühlen Bier auf den Bus in die Stadt und es stellt sich erstmals eine Vorfreude-geschwängerte Urlaubsatmosphäre ein.

Roxy Zeppelin

Das Hostel meiner Wahl heißt „Zeppelin“, hat aber außer dem Namen rein gar nichts mit dem guten alten Fluggerät gemein. Hier lege ich einen perfekten Urlaubsstart hin: In der Stadt gibt es heute ein Konzert einer lokalen Rockgruppe for free und dort wird laut der Hostel-Betreiberin Anna auch White Russian ausgeschenkt - und da es nicht nur ihr Lieblingsgetränk ist kann sie auf meinem Stadtplan weitere Bars und Kneipen, wo es diesen gibt, mit kleinen Kreuzen markieren. Nebenbei ist das Hostel sehr sauber und die wenigen abgestiegen Gäste sehr freundlich.

Die Konzertlocation hört auf den schönen „Roxy“. In Deutschland ist dieser Name vor allem bei Dorfdiscos beliebt, diese spontane Assoziation führt aber hier in Ljubljana aber ins Leere. Die Band ist gut, spielt eigenes Material und covert den ein oder anderen Smash-Hit. Der Sänger trägt einen schönen inspirierenden maßgeschneiderten roten Anzug, der Drummer hat eine Fliegerledermütze auf dem Kopf und schaut so durchgeknallt aus der Wäsche als ob er nach dem Konzert direkt wieder eingeliefert wird. Beide beherrschen ihr Handwerk. In den Spielpausen gibt es AC/DC vom Band. Geraucht werden darf hier übrigens nur draußen.

Die Tür macht ein etwa 50jähriger vierschrötiger kompakter Mann der augenscheinlich früher mal in der Roten Armee sein Handwerk gelernt hat bevor er in den Security Bereich gewechselt ist. Er spricht kein Wort und schaut streng, nickt aber höflich beim Abschied. Probleme gibt es an diesem Abend keine. Und auch sonst kann ich mir das schwer vorstellen, die Slowenen legen eine Laos nicht unähnliche Gelassenheit an den Tag die zu einer friedfertigen Atmosphäre führt.

Die Spanier

Irgendwann gegen elf schaut dann noch eine Polizeistreife vorbei. Zu laut ist es eigentlich nicht. Die beiden Beamten verlassen ihr Fahrzeug, setzen sich die Mütze auf und rücken ihre Kleidung zurecht. Zielsicher greifen sie sich den Türsteher heraus der sie in einen nahen Hauseingang begleitet. Einer der Beamten macht sich Notizen, der Türsteher drückt dem anderen Polizist ein paar Geldscheine in die Hand und das war's.

Damien, den Betreiber des Hostels, den ich hier treffe kann dazu auch nichts erhellendes beitragen und wundert sich ebenso wie ich. Aus Barcelona stammend lebt er erst seit zwei Jahren hier in Slowenien und ist mit den lokalen Riten und Gebräuchen auch noch nicht so gut bekannt. Er ist der Stimme seines Herzens gefolgt und betreibt mit seiner Freundin Anna, die hier aus der Stadt kommt, das Hostel Zeppelin.

Zu Besuch ist sein Freund Juan aus Wien, auch er ist Spanier (was bei dem Namen ja Nahe liegt). Zwei nette Kerle und ein gelungener Abend bei nicht zuviel Bier. Nächsten Mittwoch werde ich beide eingefleischten Barcelona-Fans zum Champions-League Finale in eine örtliche Kneipe begleiten.

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Das wars fürs Erste. Ich habe jetzt Hunger und werde mir was zu Essen besorgen. Morgen mehr - und auch erste Bilder (die derzeit noch entwickelt werden müssen).


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