23.9.09

Die Tarokko-Schlucht

Die Tarokko Schlucht

Taiwans Antwort auf den Grand Canyon ist die Tarokko Schlucht an der Nordostküste. Eine Sehenswürdigkeit, die ein Tourist eigentlich nicht auslassen darf. Auf meiner dritten Reise hierher fehlt mir dieses Mal eine Ausrede, sie nicht zu besuchen. Also buchen wir uns in Hualin in einer schönen Pension ein und fahren Freitag Abends mit dem Zug von Taipei dorthin.

Das erste Mal, das ich überhaupt einen Zug verpasse, obwohl wir pünktlich am Gleis stehen. Auf dem Bahnsteig in Taipei albern wir zu lange rum. Bis der Zug schließlich pünktlich und ohne uns abfährt. Irgendwie haben wir verpennt einzusteigen. Beim nächsten Zug, der eine halbe Stunde später in die gleiche Richtung geht, machen wir dann alles richtig. Zur Strafe müssen wir zwei Stunden im voll besetzten Zug stehen. Eine Reservierung, wie sie für den Wochenendverkehr angezeigt ist, hatten wir leider nur für den ersten Zug.

Abendessen um Mitternacht auf dem Nachtmarkt in Hualin

Die Tarokko-Schlucht ist nicht so weitläufig wie der Grand Canyon, dafür tiefer und verwinkelter. Auf einer Länge von vier Kilometern vom Pazifik steigen die Berge hier auf eine Höhe von 3.000 Metern an. Tief eingeschnitten in diese hat sich ein kleiner Fluß, welcher derzeit nicht wesentlich mehr Wasser führt als die Rethlage zu Hause in Pivitsheide. Statt öde Wüste im Grand Canyon säumt wilder grüner Dschungel die Hänge der Schlucht. Zusammen mit dem Blau des Himmels eine betörender Kontrast.

Tempel in pittoresker Lager trohnend über der Tarokko Schlucht

Tarokko heißt in der Sprache der hier ansässigen Ureinwohner „Schöne Schlucht“. Und das ist eher eine Untertreibung. In den 60er Jahren hat man in der Entwicklung der Insel eine kleine Straße durch dieses Tal gebaut. Hört sich einfacher an als es ist: Dazu mussten einige Tunnel und Brücken gebaut werden und an vielen Stellen ist diese Straße so schmal, das man nur einspurig auf ihr verkehren kann. Nach fünf-jähriger Bauzeit war es dann zum ersten Mal möglich, die Insel Taiwan auf einer Strasse von der Ost-Küste bis zur West-Küste zu durchqueren.

Straße durch die Schlucht: Sieht aus wie Beton, ist aber purer Marmor

Beim Bau der Strasse wurden enorme Marmor-Vorkommen entdeckt. Der Versuchung, diese abzubauen und industriell zu nutzen, wurde seltsamer weise und taiwan-untypisch wiederstanden. Stattdessen wurde diese Region in den 80er Jahren als Nationalpark deklariert und seitdem touristisch genutzt.

Eine weise Entscheidung. Statt durch Lastern sind die Strassen heute durch unzählige Reisebusse und PKWs verstopft. Dazwischen drängeln sich die üblichen Motorroller. Sehr beliebt sind in jüngster Zeit Fahrradtouren. Reisegruppen von der Größe des Starterfeldes der Tour de France fahren auf ihren Rennrädern durch die engen Schluchten.

Wer es etwas ruhiger mag, der sollte unter der Woche hierher kommen und das Wochenende meiden. Abseits von der Straße gibt es einige Wanderwege zu Tempeln und Quellen. Im kalten, frischen und kristallklaren Wasser kann man sich beim schweißtreibenden Wandern denselben entfernen.

Wackelige Wanderwege abseits der Straße


Erfrischendes Bad in der Tarokko Schlucht


Zur Entlastung des touristischen Verkehrs wurden vor wenigen Jahren eine Hilfsaterie in Form einer parallelen Straße gebaut. Weniger spektakulär als die klassische Originalroute verbindet sie mit mehreren Tunneln die wichtigsten neuralgischen Punkte des Tals.

Alte und Neue Straße durch die Schlucht


Wir lassen uns von unserem Herbergsvater in seinem Wagen kutschieren, einem intimen Kenner des Geländes der vor allem die nicht von den großen Reisegruppen angesteuerten Kleinode des Nationalparks kennt. Je nach Wunsch können wir so lange auf abseitigen Wegen den Park erkunden oder Baden gehen, er überbrückt die Wartezeit gelassen indem er sich dem Rausch der Betel-Nuss hingibt.


Teil unserer Reisegruppe aus Hongkong

Chi Hsuen et moi in der Tarokko-Schlucht

Mit von der Partie sind zwei Geschwister aus Hongkong, welche in der gleichen Pension wie wir übernachten. Sie sind beide locker drauf und scheuen auch keine schweißtreibenden Wanderungen abseits der Hauptroute. Leider können sie kein Englisch (dachte immer, dass das jeder in Hongkong spricht), halbwegs radebrechend kriegen wir das aber auch auf chinesisch und mit Händen und Füßen hin. Der Herbergsvater erzählt im Auto einige Witze, deren Inhalte und Pointen ich leider überhaupt nicht verstehe. Trotzdem lache ich aus Höflichkeit mit.

Fast genauso spannend wie die atemraubenden natürlichen Schönheiten des Tals ist es, die Reisegruppe zu beobachten. Alle fünf Meter springen sie aus ihren PKWs oder Bussen, fluten die enge Straße und machen in aller Ruhe Familien-Porträts, häufig mit auf Stativen befestigten Kameras und Selbstauslösern.


Erinnerungsfoto quer auf der Straße mit Kind und Kegel

Der Verkehr wird dabei komplett ignoriert. Auf den Luxus, einen Parkplatz zu suchen, wird verzichtet und der PKW einfach auf der Straße abgestellt. Eine Familie treibt dieses Spiel dann aber doch auf die Spitze: Der Verkehr staut sich in beide Richtungen auf mehrere Kilometer und den sonst so gelassenen Taiwanesen platzt der Kragen und sie verlieren die Geduld. Nach einer halben Stunde hat der wütende Mob die Verursacher des Chaos ausgemacht. Anwesende Polizisten können über Handgreiflichkeiten und wüste Beschimpfungen hinausgehendes verhindern und den Stau auflösen.


Eher schlechter Parkplatz ...

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