26.9.06

Baltikum/Skandinavien 7: Stockholm, Oslo und Bergen

Stockholm

Die Innenstadt von Stockholm verteilt sich wie Venedig auf eine
Menge von Inseln unterschiedlicher Groesse. Mit der knappen
Wohnflaeche wird dabei sehr verschwenderisch umgegangen.
Mal ist eine Insel komplett nur mit Museen bebaut, mal mit einem
groesszuegig angelegten Mischung aus Park, Freilichtmuseum
und Tierpark. Oder einfach nur mit einem Parlamentsgebauede
inklusive umschliessenden Park.

Einer Stadt am Wasser entsprechend wohne ich in einem
zentral gelegenen Hausboothostel. Sehr zu empfehlen,
beim Schaukeln des Boots im Wasser kann man wirklich
hervorragend einschlafen und bekommt einen prima Blick
auf die Skyline der Stockholmer Altstadt gratis dazu.

Auf dem Hausboot treffe ich Haenschen aus Herford (mit buergerlichem
Namen Johannes, aber das hoert er nicht gerne). Der sympathische
Mittfuenfziger kennt Stockholm wie seine Westentasche, denn schliesslich
hat er hier mehrere Jahre mit Frau und Kindern gelebt. Auf einem eigenen
Hausboot, denn einen Markt fuer Wohneigentum gibt es in Stockholm
praktisch nicht. Von seiner Frau geschieden lebt er heute wieder in Herford,
kommt aber haeufig vorbei um seine Kinder zu besuchen. Bevor ich Abends
losgehe treffe ich ihn in den naechsten Tagen haeufiger auf dem Boot auf ein
oder zwei Bier, neben interessanten Storys aus seinem Leben kann er mich
ausserdem mit Infos ueber Stockholm aus erster Hand versorgen.

Ein Highlight in Schweden sind die Museen. Die sind wirklich Weltklasse
und gehoeren zu dem Besten was ich je besucht habe. Und vor allem: Die
staatlichen Museen (das sind knapp 80 Prozent) sind alle fuer umsonst.
Wozu man sich also eine Stockholm-Karte, mit welcher man umsonst in
alle Museen kommt, kaufen soll, erschliesst sich mir nicht.

Das Wasa-Museum sticht eindeutig aus der grossen Masse heraus. Wenn
man nur fuer ein paar Stunden in der Stadt ist, dann sollte man mindestens dieses
besucht haben. Die Wasa wurde vor dreihundert Jahren gebaut und sollte das
modernste Kampfschiff der damaligen Zeit im Dienste der damaligen Grossmacht
Schweden sein. Etwas einzigartiges eben. Wirklich einzigartig war dann auch
die heiss herbeigesehnte Jungfernfahrt: Keine 20 Minuten nach dem Stapelauf
noch in Sichtweite der Stadt bekam die Wasa Schlagseite, lief voll Wasser und
ging unter. Erst in den 60er Jahren hat man sie wiedergefunden, geborgen
und wieder zusammengebaut. Der speziell um die Wasa herumgebaute
Ausstellungsraum ist abgedunkelt ("...damit das Schiff sich wohlfuehlt..." wie die
deutschsprachige Dokumentation verraet), weshalb das funzelig beleuchtete Schiff
noch imposanter wirkt als es tatsaechlich ist.

Nicht viel zu sehen gibt es im Nobelpreismuseum. Ich besuche es
trotzdem und lasse mich schon einmal fuer den Friedensnobelpreis
vormerken. Das scheint mir vollen allen Disziplinen, in welchen dieser
Preis vergeben wird, die einfachste zu sein. Sonst muesste ich noch
ein weltweit erfolgreiches Buch schreiben oder ein Mittel gegen eine
bisher unheilbare Krankheit erfinden. Mit dem Frieden ist das einfacher:
Weltweit werden Bilder mit meinem Konterfei - vielleicht trage ich ein
Retter T-Shirt? - aufgestellt, dazu eindrucksvolle Losungen in verschiedenen
Sprachen wie "Macht doch keinen Scheiss" oder so. Damit sollte der
Weltfrieden erreichbar und eine Nobelpreisverteilung preiswert zu machen
sein. Ich bin mir hundert prozentig sicher, das dieses Konzept funktioniert!

Bei einem Tagesausflug lasse ich mich von einem Boot auf die Schaeren, flache
Ostseeinseln an der gesamten Kueste Schwedend bringen und wandere dort
herum. Ein Boot waere hier hilfreich gewesen, aber es gibt nichts zu mieten.
Generell stellt Skandinavien im September langsam auf Winterbetrieb bzw. Winterschlaf
um. Viele im Sommer angebotene Touren sind nicht mehr verfuegbar obwohl die
Temperaturen zur Zeit absolut sommerlich sind. Einige Einrichtungen werden ausserdem
ab September komplett geschlossen, bei anderen verkuerzen sich die Oeffnungszeiten auf
mickrige Zeitintervalle wie 11:00 - 13:30 Uhr. Wer mal nach Skandinavien moechte
sollte diesen Aspekt beruecksichtigen.

Auf die Austragungszeiten oder den Spielplan der schwedischen Liga hat das aber zum
Glueck keine Auswirkung. Im Råsunda Stadion schaue ich mir Abends das Stockholm
Stadtderby von DJK gegen AEK. Spielerisch kein Leckerbissen, aber da drumherum hat
es in sich. Ich will in Hamburg ab sofort auch in einem Stadion englischer Bauart mit
zwei Raengen stehen. Die Akkustik ist einfach atemberaubend. Und die Choreographien
zu Beginn und waehrend des Spiels haben es in sich, dagegen wirkt alles mir aus
Deutschland bekannte oder erlebte einfach nur mickrig. Richtig daemlich sieht hingegen
das DJK Masskottchen aus: Ein als Bugs Bunny verkleideter Student (?) mit einem
umgedrehten Stieltopf auf dem Kopf tapert unbeholfen ueber das Spielfeld und wird unter
grossem Gejohle der Zuschauer von der eigenen Mannschaft beim warmmachen
abgeschossen. Am naechsten Tag versuche ein schwedisches Fussballtrikot als Souvenir
zu erwerben. Im DJK Laden frage ich naiv nach einem in den schwarz gelben AEK Farben.
Das ist ungefaehr so unbedarft, als wenn man in einem HSV Fanshop einen St. Pauli
Fanartikel nachfragt, nachdem man vorher durch den Laden gegangen und die ausgestellte
Ware begutachtet hat ("Und wo habt ihr die Pauli Klamotten? Die finde ich hier gar nicht ....!?!").
Mein Status als ahnungsloser Tourist bewahrt mich jedoch vor dem Schlimmsten.

Ein demographisches Nachwuchsproblem scheint es in Schweden, mindestens
jedenfalls in Stockholm, nicht zu geben. In keiner Stadt bevor habe ich bisher
derart viele Schwangere und vor allem junge Muetter mit Kinderwagen gesehen.
Irgendwas wird hier richtig und bei uns zu Hause falsch gemacht, aber ich komme
einfach nicht drauf, was.

Etwas daneben gegangen ist die Form von Schweden. Wenn Oestereich auf der
Landkarte aussieht wie ein plattgeklopftes Kotelett, dann hat Schweden die
Form eines schmales Handtuchs. Die Betonung liegt dabei auf schmal: Keine drei
Stunden braucht der Zug von Stockholm nach Oslo bis zur norwegischen Grenze.
Spiegelt man Schweden auf der Landkarte an seiner Suedspitze, so wuerde die
Flaeche bis nach Italien reichen. Das Land ist also bedeutend enger als lang.
Eine Stockholmerin weisst mich im Zug auf mein Riesenglueck mit dem Wetter hin,
das sei fuer diese Jahreszeit alles andere als typisch. Prompt versaue ich mir dieses
Glueck, als ich Rechts von mir einen spitzen Schrei und eine dicke Spinne ueber
den Boden krabbeln sehe. Reflexartig trampel ich sie tot umd mir daraufhin von einer
Norwegerin, die vorher noch so entsetzt aufschrie, belehren zu lassen, das das Wetter
schlechter wird, wenn man Spinnen zertrampelt.


Oslo

Die Norwegerin hatte recht. Das Wetter wird tatsaechlich schlechter. Bin ja selbst
Schuld, wenn ich auf schutzlosen skandinavischen Spinnen in Zuegen rumtrampel.
Ob die alte Bauernregel, nach der ein Seemann stirbt, wenn man sich eine Zigarette
an einer Kerze anzuendet, auch stimmt will ich mir lieber nicht ausmalen.

Eigentlich habe ich Norwegen bisher fuer ein reiches Land gehalten. Das kann man
nicht nur am hoechsten Preisniveau aller skandinavischer Laender festmachen (die
Bierpreise auf dem Muenchner Oktoberfest sind gegenueber denen hier etwa auf Aldi
oder Lidl Niveau). Die medizinische Versorgung der Bevoelkerung ist ausserdem
kostenlos, mit Ausnahme der Zaehne, notwendige Behandlungen auf diesem Sektor
muss jeder Norweger zu 100% aus dem eigenen Portemonnaie bezahlen.

Das Strassenbild Oslos will dazu einfach nicht passen. Auch in aermeren Laendern
oder in Hamburg habe ich noch nie so viele Arme, so viele Bettler und Obdachlose
gesehen wie hier. An jeder dritten Strassenlampe sitzt ein Bettler (und das ist wirklich
so und leider keiner Uebertreibung), Strassenkinder stauben die Essensreste in
Restaurants ab (oder versuchen es zumindest wenn sie nicht von den Ordnern
oder Kellnern vorher vertrieben werden), Rosenverkauefer versuchen ihr
Geschaeft rund um die Uhr und bei jeder Gelegenheit zu betreiben. Beim betteln
um Almosen entbrennt mitunter ein grotesker Wettkampf um Aufmerksamkeit.
Ein halbnackter Obdachloser hat sich ein Schild mit der Aufschrifft "Ich bin ein Idiot"
gebastelt und versucht, a cappella mit einer Pappgitarre in der Hand den benachbarten
Strassenmusikern Konkurrenz zu machen. In Sachen Aufmerksamkeit geht seine
Rechnung auf, doch die meisten Passanten sind mehr darueber amuesiert, wie er
sich hilflos zum Affen macht als das sie ein paar Muenzen geben.

Auch Mittags sind die Strassen hier noch unglaublich dreckig, so dass sich Doris
Knop im Grabe umdrehen wuerde. Doris Knop ist die Autorin des Reisefuehrers "Reisen
mit der Transibirischen Eisenbahn", einem deutschsprachigen Standardwerk fuer
diese Route. Dieses Buch hebt sich besonders dadurch hervor, das auf jeder Seite
betont wird, wie dreckig doch die Zuege in Russland sind. Ueber skandinavische Zuege
muesste Frau Knop das nicht schreiben, denn dazu gibt es keinen Anlass. Die Knop
geht sogar soweit, das mitfuehren von Fensterputzmitteln und einer Teleskopstange zum
erreichen der Fenster als Reisetip zu propagieren. Markus hat diesen Tipp damals befolgt,
aber mehr als ein Fenster haben wir bei unserer Reise wohl nicht gereinigt.

Mein Hotel in Bahnhofsnaehe ist eine billige Absteige in bester St.Georg-Bahnhofsseite
Tradition. Die Zimmer sind billig und die Tueren extra mit Schloessern gesichert, und das
am Haupteingang und auf jedem Stockwerk. In direkter Nachbarschaft befinden sich die
Osloer Striplokale und Nacktbars. Offensichtlich ist der Strassenstrich hier fest in
afrikanischer Hand. Ein vorgeschuetztes Nichtverstehen hilft gegen zu aufdringliche
"Hey Darling" Annaeherungsversuche. Auch wenn es wohl eher unglaubwuerdig erscheint,
das ich auf einmal kein englisch mehr verstehen soll. Ansonsten ist der Kiez hier sehr
lebendig und es gibt eine grosse Anzahl guter Rockkneipen. Am Besten gefaellt mir das
"Elm Street Rock Cafe", eine feine Kneipe mit halbwegs zivilen Bierpreisen das auch einen
White Russian zu mixen versteht. Auch wenn das Logo des Ladens in Anlehnung an das
des unvermeidlichen "Hard Rock Cafes XXX" gestaltet ist sollte man sich davon nicht
taeuschen lassen. Uebrigens ist Danko Jones in ein paar Tagen in town. Eigentlich
Schade, das ich ihn verpassen werde.

Die Norweger sind nach wie vor sehr stolz auf ihre Unabhaengigkeit und haengen sehr
an ihrem eigenen kleinen Nationalstaat. Noch In 100 Jahren werden sie weder der EU beitreten,
oder den Euro einfuehren. Und warum sollten sie auch, die Kassen sind mit Oelgeld prall gefuellt.
Waehrend in Finnland noch heute die Strassennamen zweisprachig in Finnisch und Schwedisch
aufgefuehrt sind denkt in Norwegen niemand im Traum daran, Zeichen die an ehemalige schwedische
Dominanz erinnern zu etablieren. Schweden begreift sich als fuehrende skandinavische Nation
("Stockholm - die Hauptstadt Skandinaviens" T-Shirts kann man dort ueberall erwerben), am
sympathischsten bleiben mir jedoch die entspannten Finnen.

Hier in Oslo gibt es interessante Sachen zu entdecken. Meterhohe Eisentore aus Hakenkreuzen
zum Beispiel. Oder Strassenbahnen die ueber Wasser fahren. Ein Schloss dessen Vorplatz
aus grauem Split das an einen Fussball-Grandplatz erinnert besteht - den Platz der Wuerde
des Gebaeudes entsprechend mit Kopfsteinpflaster oder - besser noch - italienischem Mamor
zu pflastern, auf diese Idee kommt hier keiner.

In Hamburg kann man mit der S-Bahn zum Segeln direkt an die Alster fahren, in Oslo ist
die Sprungschanze Holmenkollen per oeffentlichem Nahverkehr direkt erreichbar. Im Winter
fahren die Osloer hierher um mit ihren Skiern zu springen, ein beliebter Volkssport. Jetzt
im Sommer geht das leider nicht, daher nehmen sie kurzerhand einfach ihre Fahrraeder
mit und befahren die geliebte Sprungschanze auf zwei Raedern. Hauptsache
springen. Der Sprung von der Schanze mit der Stadt und dem Oslofjord am Horizont ist
ein Erlebnis das schnell ueber ein paar gebrochene Graeten hinwegtroestet. Sprungturm
heisst auf Norwegisch uebrigens "Hopptårnet" ("Hopp Schwiz", einen schoenen Gruss an
dieser Stelle in die Schweiz). Fuer Ungeuebte und undbedarfte Touristen wie mich ist ein
Sprung von der Schanze natuerlich nicht angezeigt. Stattdessen steht ein Skisprung- und
Skiabfahrtsrennensimulator bereit. Laut Eigenwerbung macht dieser "Technologie die
frueher Piloten und Astronauten vorbehalten war" dem einfachen Buerger zugaenglich.
Diese grossspurige Ankuendigung haelt, was sie verspricht. Beim Sprung wird einem
allein durch die Perspektive schon etwas authentisch flau in der Magengegend, und man
ist froh wenn man das Aufsetzen des Simulators bei der Landung verspuert. Diese
zivile Nutzung der Weltraumtechnologie ist schon eine feine Sache.

Auf der Suche nach einem asiatischen Restaurant finde ich ein
mongolisches Restaurant. Die Gerichte bieten das Beste
traditioneller mongolischer Kueche, vom Wiener Schnitzel bis zum
Scampisalat. Leider aber nicht das, wonach ich suche, daher gehe ich
ein paar Strassen weiter und lasse mir in einem chinesischen Restaurant
den Magen auf asiatische Art und Weise fuellen.

Was mich doch manchmal etwas nervt sind Touristengruppen die sich mit
einer Geschwindigkeit bewegen als ob man ihnen die Schnuersenkel
zusammengebunden haette. Gegen die Geschwindigkeit ist ja nichts
einzuwenden, das soll jeder so schnell gehen wie er moechte. Aber warum
muss man mitten auf der Strasse eine maximal breite Formation bilden,
alles blockieren und dann stehen bleiben? Das macht man im Strassenverkehr
doch auch nicht. Aus Unkenntnis der Lokalitaet faehrt man etwas langsamer.
Aber wenn es etwas zu sehen gibt, dann wendet man doch nicht den Wagen
quer mitten auf die Strasse und parkt dort sein Fahrzeug, den gseamten anderen
Verkehr ignoriend und blockierend. Die Strassenverkehrsordnung schuetzt
sicher vor solchen Auswuechsen. Warum gibt es nichts vergleichbares
fuer Fussgaengerzonen?

In Oslo mache ich ansosnten das, was ich in der letzten vier Wochen
gemacht und inzwischen perfektioniert habe. Fuesse wundlaufen,
Fotos knipsen, beobachten, Museen besichtigen, zum Fussball
ins Stadion gehen, Kinobesuche, Wanderungen in der Natur (der
Fussweg vom Holmenkollen in die norwegischen Berge ueber Oslo
und dann wieder zurueck in die Stadt ist sehr zu empfehlen).

Fussball im Stadion ist in Norwegen eine komplett bierfreie
Angelegenheit. An der Kasse bekomme ich nur noch eine Karte
fuer den Familienblock. Komplette Familien mit Kind und
Kegel fuellen ein Viertel des gesamten Stadions, eine
ungewohnt abwechslungsreiche und schoene Erfahrung fuer mich.
Oslos Heimatklub hat sogar speziell fuer Kinder bis zum
vollendeten 12 Lebensjahr einen eigene paramilitaerisch
organisierte Jugendabteilung mit eigenem festen Block
im Stadion etabliert. Mit militaerischem Drill unfiform in
den Vereinsfarben gewandet ueben die "Oslo Minis"
(so heissen die wirklich) dort unter der Woche das korrekte
Anfeuern der eigenen Mannschaft. Hier werden nicht einfach
nur, wie bei uns daheim ueblich, die mehr oder minder sinnfreien
und oft nur im Vereinsnamen unterschiedliche Parolen gebruellt
oder Lieder gesungen. Anfeuern ist hier eine Sache des
gesamten Koerpers. Kunstvoll im Takt zurm jeweiligen Schlachtgesang
werden die Arme in wilden Bahnen um den Kopf gewirbelt bis am Ende
die Hand mit ausgestreckter Faust senkrecht zur Anfeuerung passend
zum Halten kommt. Aehnlich wie beim Tanzen muss man dabei
zusaetzlich eine genau abgestimmte Reihenfolge von Schritten
einhalten. Wenn ein vollbesetztes Stadion so etwas synchron
durchfuehrt dann sieht das schon sehr beeindruckend aus.
So kompliziert wirken die Schritte auf den ungeuebten Beobachter
wie mich das ich verstehe, warum man das schon von Kindesbeinen
an beigebracht bekommen muss um es zu dieser Perfektion zu bringen.

Ueberhaupt sind Gesten etwas sehr wichtiges, hier kann man als
Gast im fremden Land schnell etwas falsch machen. So hebe
ich den Finger in einer Kneipe um der Bedienung zu signalisieren,
das ich gerne eine Bestellung aufgeben will. Ohne Worte bekomme
ich ein frisches Bier gereicht, das ich eigentlich gar nicht haben wollte.
Das sei hier so klaert man mich auf, ein finger heisst ein Bier Zukuenftig
hebe ich also einfach nur noch meine flache Hand, darauf bedacht,
keinen Finger abzuspreizen, wenn ich Kontakt zwecks einer Getraenkebestellung
aufnehmen will. Diese international eindeutige Geste eignet sich uebrigens
auch gut dafuer, um Taxen anzuhalten. In China jedenfalls, in Riga hatte ich
damit wiederholt kein Glueck. Wieso eigentlich?


Bergen

Bergen ist das letzte Kapitel und das Highlight meiner Reise durch
Skandiniavien. Wer knapp mit der Zeit ist sollte sich wenigstens die Zugfahrt von
Oslo nach Bergen nicht entgehen lassen. Ungelogen die schoenste und
abwechslungsreichste Zugfahrt die ich bisher machen durfte. Der hoechste
Punkt ist ein Bahnhof in 1222 m Hoehe, bis dahin schraubt man sich an
Waeldern und Fjorden vorbei. Alles grau, keine Baeume mehr hier oben.
Ab hier faehrt der Zug auf seinem Weg nach Bergen durch ein unueberschaubares
Labyrinth von Tunneln und Schneetunneln. Ohne Schnee wirken Schneetunnel,
also Tunnel, die einfach so wie ein Schlauch in der Landschaft stehen und nicht durch
Berge hindurchfuehren sondern nur in Anwesenheit von Schneemassen ihre Daseinsberechtigung
haben, etwas deplaziert. So als wolle man eine U-Bahn Strecke bauen und sei nur
zu faul, dafuer in der Tiefe zu bohren. Von Zeit zu Zeit wird man aus diesen
Tunneln wieder asugespuckt, sieht fuer ein paar Sekunden das Sonnenlicht, Seen,
Fjorde und beeindruckende Wasserfaelle, nur um dann wieder sofort von einem
weiteren Tunnel verschluckt zu werden in dem man sich ein paar warme Gedanken
ueber das gerade Gesehene machen kann. Eine beeindruckende Landschaft eben,
eingebettet in eine beeindruckende Dramaturgie. Genau so stelle ich mir die Schweiz vor,
jedenfalls wenn man sich die roten Pippi Langstrumpf Holzhaeuser wegdenkt.

Das es in Bergen mitunter auch regnet liegt nicht an zertrampelten Spinnen sondern
an der besonderen Fjordlage der Stadt. Von der Nordsee kommend stauen sich die Wolken
den Fjordwaenden und regnen sich mit schoener Regelmaessigkeit ueber Bergen ab..
Manche Reisefuehrer behaupten sogar, das es hier an 400 Tagen im Jahr regnet,
was ich persoenlich aber fuer etwas uebertrieben halte. Tatsaechlich regnet es hier maximal
einmal pro Tag, und das auch haeufig Nachts. Bergen ist eine eine weitere schoenere
Hansestadt und mit vollem Recht in der Unesco Liste des zu schuetzenden Weltkulturerbes.
Hier gibt es gleich mehrere Reeperbahnen, wie sich das fuer eine Hansestadt gehoert.
Aber im eigentlichen Sinne des Wortes, also anders als in Hamburg. Erst jetzt faellt mir auf, das
Hansestaedte der gemeinsame Nenner meiner Reise waren (eigentlich sollte es ja
nur ins Baltikum gehen). Bei Gelegenheit werde ich also mal die Ueberschriften
meiner Reisebereichte aendern muessen.

Anonsten mache ich hier das gleiche wie an anderen Orten auch (siehe oben).
Aber ohne Fussball und ohne Kino. Morgen gehts noch mal per Schiff in die Fjorde,
um am Donnerstag per Flieger zurueck nach Hamburg.

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

welcome home, alter rumtreiber! :-*

Anonym hat gesagt…

schöner bericht - wenn man das so liest, bekommt man lust, die koffer zu packen :-)
viele grüße