12.11.04

Laos und allgemeinere Exkurse

Luang Prabang
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Vielleicht von dem ein oder anderen Leser unbemerkt hatte ich
in den letzten Tagen, bedingt durch einen Schnupfen, mit einer
kreativen Krise zu kaempfen. Desweiteren gibt mein geliebter
"Viagra" Kugelschreiber langsam den Geist auf, so dass ich mir
weniger Notizen machen konnte.

Zum Glueck hat Markus das Vakuum nach Beendigung seiner
chinesischen Schreibblockade fuellen koennen. Seinem Reisebericht
aus Luang Prabang habe ich nichts mehr hinzuzufuegen.

Exkurs: Reisegepaeck-Mirakel
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Auf dem Flug von Hanoi nach Vientiane gruebel ich ueber das Gewicht
meines Reisegepaecks. Fuer folgendes Phaenomen habe ich bisher noch
keine schluessige Erklaerung finden koennen: Am 1. September bin ich
in Berlin mit einem 23,5 kg schweren Rucksack gestartet. Seitdem habe
ich bereits einiges an in warmen Gebieten nicht mehr benoetigten
ueberfluessigen Gepaecks nach Hause geschickt. Von Peking aus habe
ich so ein 9,5 kg schweres Paket, von Shanghai ein 3,5 kg schweres
Paket aufgegeben. Definitiv habe ich in meinem Rucksack nun viel weniger Buecher (von 6 am Anfang sind 2 uebrig geblieben), keinen Schlafsack, keine dicke Jacke und weniger Klamotten als zu Beginn der Reise.

Neu hinzugekommen sind ein Paar Sandalen. Beim wiegen am Flughafen von Hanoi zeigt die Waage jedoch 25 kg an - erwartet haette ich einen Wert von 17-20 kg, definitiv jedoch ein Gewicht weniger als zum Start der Reise. Wer eine schluessige Erklaerung fuer diese Gewichtszunahme liefern kann, moege sich bitte melden.

Laos: Geld
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Wie schon in Vietnam finden Muenzen im alltaeglichen Zahlungsverkehr
in Laos keine Verwendung. Ueberall als Waehrung akzeptiert wird der
US Dollar. Die laotische Waehrung heisst KIP und ist in Geldscheinen
von 500 KIP bis zu 20000 KIP im Umlauf. Fuer getauschte 50$ erhaelt
man so einen millionen zaehlenden und ein halbes Kilo schweren an
buntes Spielgeld erinnernden Batzen an Geldscheinen. Millionaer bleibt man damit aber nur fuer wenige Stunden, wie ein Schneemann in der Wueste scmilzt, so fliesst einem das Geld im taeglichen Leben schneller durch die Haende als einem lieb ist. Trotz inflationaerer Waehrung ist es aber doch sehr billig hier. Anstatt Ho Chi Minh gruesst von der Vorderseite ein mir gaenzlich unbekannter samoisch aussehnder Politiker mit Brille, auf der Rueckseite der Geldscheine sind Pferde oder Zementfabriken abgebildet.

In Laos gibt es keine Geldautomaten. Plastikgeld in Form von Kreditkarten wird nur in den Banken akzeptiert. Wir werden Zeuge einer Geldlieferung, in der ein LKW zentnerweise neues KIP Geld herankarrt. Auf die in Deutschland ueblichen Sicherheitsmassnahmen bei Geldtransporten in Form von mit Maschinenpistolen patroulierenden Sicherheitsbeamten in Phantasieuniformen
wird verzichtet. Wie bei einer Altpapiersammlung bilden saemtliche verfuegbare Mitarbeiter des Kreditinstituts eine Menschenkette und raeumen so die Ladeflaechedes LKWs leer. Die frischen Geldscheinbuendel werden in einem Hinterzimmer der
Bank sauber an der Wand gestapelt.

Exkurs: Reiseliteratur
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Buecher gibt es in Laos nur gebraucht. Touristen verkaufen ihre
ausgelesenen Buecher in second hand Buchlaeden. Die Auswahl ist
entsprechend einseitig. 90% der vorhanden Buecher ist in Englisch,
was an sich kein Problem darstellt. Problematischer ist die Auswahl an Titeln: hauptsaechlich langweilige Schinken von noch langweiligeren Autoren wie Noah Gordon, Stephen King oder John Grisham (gaehn) buhlen im Regal um die Gunst der Kauefer. Zweiter Schwerpunkt sind ausgelesene Loneley Planet Reisefuehrer. Fuer jedes Land dieser Region kann man zwischen diversen Auflagen waehlen. Den in Peking gefundenen Reisefueher "Kambodscha" in der Auflage von 1943 kann Markus so gegen eine unwesentlich aktuelleren von 2002 eintauschen.

In Vang Vieng stehen immerhin fuenf Buecher auf Deutsch im Regal. Allesamt von Rosamunde Pilcher, zwischen "Wenn nur noch die Liebe zaehlt", "Wechselspiel der Liebe" oder "Flamme der Liebe" faellt die Auswahl nicht schwer: Keins von alledem.

Ueber den Tisch ziehen lasse ich mich in Hanoi. Nach langem Gefeilschebezahle ich fuer eine ungelesene Fassung von "Vietnam. A History." 10$. Laut Aufdruck soll es 15$ Dollar kosten, die Verkaueferin schwoert Stein und Bein, 9$ im Einkauf bezahlt zu haben. Nach entfernen der Plastikverpackung (eingeschweisste Buecher - das sollte einen stutzig machen)offenbart sich der wahre Wert: Maximal 1$. Die 1000 Seiten des Taschenbuchs sind fein saeuberlich von einer Vorlage minderer Qualitaet per Hand kopiert
worden. Die Bindung verabschiedet sich nach dem umblaettern. Wenigstens der Text ist entzifferbar. Auf den kopierten Photos laesst sich Ho Chie Minh nicht von Richard Nixon oder General Le Clerc unterscheiden - zum Glueck beschreibt aber der Begleittext, welcher der Herren gerade auf dem Photo abgebildet ist.

Interessante Details ueber Vietnam erfahrt man aus diesem Buch.
So ist z.B. der Satz "Happyness for everybody", welcher in
Vietnam auf jedem Muelleimer steht, ein Zitat aus Ho Chie Minhs
Unabhaengigkeitserklaerung. Ich fordere hiermit auch fuer Deutschland
Muelleimer mit Grundgesetz-Zitaten.

Exkurs: Persoenliche "Where do you come from"-Statistik
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Von Einheimischen nach meiner Herkunft (oder "woher ich
weg komme", wie der Westfale sagt) gefragt lasse ich diese
haeufig einfach raten. Folgende Tabelle fast zusammen, welches
Heimatland Russen, Mongolen, Chinesen, Vietmanesen und
Laoten vermuten, wenn sie mich sehen:

Russland: 4
Australien: 3
England: 1
Deutschland: 1
Samoa und alle andere: 0

Offensichtlich verhalte ich mich nicht Deutsch genug. Oder
bin deutsch-untypisch gekleidet.

Hilfreich waeren vielleicht Trikots der deutschen Nationalmannschaft.
Ballack oder Kahn sind hier in Asien bekannt und populaer.
Oder alte "Italia '90"-Adidas-Trainingsanzuege, denn hier haengen
noch viele vergilbte Poster der damals erfolgreichen Mannschaft
herum. Jedoch ist meine Identifikation mit dem DFB nicht gross
genug, als dass ich solche Klamotten freiwillig tragen wuerde.

Vielleicht hilft typisch deutsches Verhalten. Zum Beispiel die
Vorbereitung eines Angriffskrieges. Auch keine gute Idee,
denn das ist ja inzwischen per Grundgesetz verboten. Und
bei der Wiedereinreise nach Deutschland gibts dann Probleme
mit den Grenzbeamten. Hat jemand eine bessere Idee?


Reisen in Laos
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In Laos zu reisen bedeutet, frueh aufzustehen. Busse verschiedenster
Groesse und Komfortklassen verbinden die wichtigsten Staedte. In der
Regel verlassen sie einen Ort morgends um 5:30 oder 6:30 Uhr - was
Sinn ergibt, denn das Reiseziel ist oft mehrere Stunden entfernt und
man so das Reiseziel noch bei Tageslicht erreicht.

Ich entscheide mich fuer ein VIP-Ticket nach Vang Vieng. VIP bedeutet, das es ein Euro teurer ist als das normale Ticket. Dafuer bekommt man einen Sitzplatz mit einer von Lufthansa-Fluegen bekannten Kniefreiheit. Zwischen meine Knie und den vorderen Sitz passt also genau eine Blatt Papier. Weitere Annehmlichkeit: Ich kann eine Stunde laenger schlafen als Markus, der sich fuer den preisguenstigeren normalen Bus entscheidet. Schliesslich
treffe ich ihn doch noch am Busbahnof an. Im regulaeren Bus waren nur vier Passagiere zugestiegen, so dass er kurzer Hand aus dem Programm genommen wurden.

Aus meinem Walkmen quarkt Suedes "You are my Oxygen" als sich der Bus die Serpentinen der Bergpaesse heraufquaelt. So hoch, dass man zusaetzlichen Sauerstoff fuer die Insassen benoetigt, sind die Berge hier jedoch nicht, maximal irgendwas zwischen 2000-2500 m. Unter uns im Tal bleiben die Wolken noch ein bisschen haengen, waehrend wir das erste Mal die Sonne des neuen Tages begruessen duerfen. Ein herrlicher Ausblick.

Nach mehreren Stunden und mehreren ueberwundenen Bergketten haelt der
Bus, um auch dem Motor mal eine Pause zu goennen. Eine spezielle manuelle Wasserkuehlung, dabei werden mehrere Eimer Wasser einfach in den Kuehlschacht gekippt, bringt ihn wieder auf normale Temperaturen, und die Reise kann weitergehen.

Mehrere aermliche Doerfer auf der Fahrtstrecke sind ein krasser Kontrast zu den bunten, von Touristen bevoelkerten Orten in denen wir uns aufhalten. Die Kinder spielen mit einfachem improviesiertem Spielzeug. Aus einer amerikanischen 250 Pfund Bombe haben sie sich eine primitive Wippe geschnitzt. Die weisse "USAF" Aufschrift und ein weisser Stern sind noch auf dem grauen Stahl zu erkennen. Als vergessener Kriegsschauplatz des Vietnamkriegs liegen noch heute eine Menge ungeraeumter Blindgaenger herum. Mit UN Mitteln wurde vor 5 Jahren mit der Raeumung begonnen, vorraussichtlich wird es noch 15 Jahre dauern, bis alle Ueberbleibsel entfernt wurden. Auch wenn man eine Spezialausbildung im Minenrauemen hat, so sollte man von den Dingern, wenn man sie findet, die Finger lassen. Ein explodierender Blindgaenger kann einem leicht einen schoenen Urlaubstag versauen.

Vang Vieng
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Vang Vieng liegt in einem Talkessel auf halber Strecke zwischen der
Hauptstadt Vientiane und Luang Prabang. Die Hitze hier ist moerderisch, gefuehlte 40 Grad Celcius plus X. Vang Vieng bedeutet leben im liegen. Tagsueber sucht man Schutz vor der Sonne in den am Fluss aufgestellten Strohhuetten oder den unzeahligen Kneipen und Restaurants. Und bleibt, weils so schoen gemuetlich ist, einfach auch Abends dort liegen.

Schon tagsueber laufen hier die neuesten raubkopierten Filme aus
Hollywood, waehrend man sich auf dem Boden auf Teppichen und
Kissen gestuetzt bei einem kuehlen Getraenkt im Schatten raekelt. Diese dominierende Koerperhaltung wird auch Abends nicht aufgegeben, wenn zusaetzlich noch feste Nahrung auf dem Programm steht. Selten in meinem Leben habe ich auch nur annehernd so entspannt ein Bier getrunken wie hier. Aus dem Lautsprecher laeuft irgend eine Bob Marley Reggae Musik. Das Lied "Don't Hurry" koennte problemlos die laotische Nationalhymne sein.

In allen Friseurbuden sind vergilbte Fussballplakate mit den
Nationalmannschaften Deutschlands, Brasiliens und Englands, machmal
auch von Clubs wie Manchester United, aufgehaengt. Von Beckham gibt
es Bilder mit allen seinen Frisuren. Man zeigt auf eine und bekommt
dann einen aehnlich aussehende Frisur verpasst. Ich hingegen entscheide mich fuer den Klassiker: Eine Klaus Allgoewer Frisur von 1982 (einfach auf das Espana '82 Poster deutend). Das wird sicherlich ganz bald wieder gross in Mode kommen.

Auf Muskelkraft verzichten wir, als wir einen individuellen Trip
in den Dschungel starten. Abgenudelte Motorraeder bringen uns
ueber abenteurliche Pisten und Bambusbruecken zu einer kleinen
Lagune. Einen ganzen Tag hocken wir hier im Schatten und verlassen
diesen nur, um ins kuehle Wasser wahlweise per Kopfsprung oder
Lianenpendel zu springen. Herrlich. Weniger gut ist die Qualitaet
der Mopdes, welche unter den schlechten Strassen extrem leiden.
Auf dem Rueckweg platzt bei Markus die Kette - zum Glueck nur
100m vor unserem Ziel entfernt. Niemals haette Mr. Zoom in
Vietnam seine Kunden mit einem solchen Ranz belaestigt.

Demnaechst:
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Thailand lockt. Puenktlich zum 16. November werden wir dort
morgends mit einem Nachtzug kommend einreisen. Morgen gehts
zurueck in die laotische Hauptstadt, in der wir uns noch zwei
Tage aufhalten werden. Vielleicht endlich mal wieder live ein
Fussballspiel?

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