1.11.04

Vietnam: Bucht von Ha Long

Grenzueberquerung: Von China nach Vietnam
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Die Tage der Reise mit dem Zug sind gezaehlt.Ab sofort
bewegen wir uns nur noch mit Bussen und als Mopedsozius
fort. Der Trip nach Vietnam besteht aus drei groesseren
Busreisen. Um die richtigen Busse zu erwischen,laeuft
man einem kundigen Fuehrer einfach durch die halbe Stadt
hinterher und steigt dann in irgendeinen per Handsignal
gestoppten Bus. Diese bringen uns tatsaechlich dem Ziel
naeher und so erreichen wir Dong Xien, die chinesische
Grenzstadt nach Vietnam, am Abend.

Zum Glueck lerne ich auf der Fahrt eine hilfsbereite
Chinesin kennen. Obwohl die Hotels des Grenzorts
aufgrund eines Musikfestivals ziemlich ausgebucht sind,
kann sie uns durch den Anruf eines Schwippschwagers in
einem kleinen, zentral gelegenen Hotel unterbringen.
Ausserdem verschafft sie uns den guenstigen
Einheimischen-Tarif. Waehrend wir auf Fahradrikschas am
Busbahnhof warten, schuetzt sie uns ausserdem vor allzu
aufdringlichen Kobereren, deren Palette an
Dienstleistungen neben Prostituierten auch irgendein
Huetchespiel aehnliches Kartenglueckspiel umfasst.

Gespenstisch: Als der Bus spaet abends in die Stadt
faehrt, probt eine mir unbekannte chinesische Boygroup
fuer den morgigen Ernstfall. Exakt in dem Moment, als
der Fernseher raubkopierte Backstreet Boys Videos zeigt.
Die Choreographie der Taenzer auf der Buehne ist
absolut synchron zu den Klaengen des Videos. Das kann
kein Zufall sein. Tagsueber wahrend der Fahrt wurden
uebrigens 80er Jahre Hongkong-Kung-Fu-Schinken mit dem
jungen Jackie Chan gezeigt. Von der Handlung, der Film
laeuft auf chinesisch, verstehe ich wenig. Vor den
obligatorischen Kampfszenen finden die Protagonisten
jedoch regelmaessig Zeit, sich ihrer Jacketts und ihrer
Krawatten zu entledigen. Logisch stimmig, den so laesst
sich wesentlich besser kaempfen. Der boese Obermotz und
seine Schergen werden am Ende, wie erwartet, vernichtend
geschlagen.

Der Grenzuebergang nach Vietnam ist ein sehr kleiner.
So klein, dass er selten von Rucksacktouristen wie uns
frequentiert wird. Nach der Fussueberquerung der
Grenzbruecke zweifeln die vietnamesischen Grenzbeamten
zunaechst die Echtheit unseres Reisepasses an. "Germany"
scheint auf den ihnen bekannten Karten nicht als
souveraener Staat zu existieren. Sie winken weitere
Grenzbeamte hinzu und unterhalten sich wild
gestikulierend mit ihnen. Grob habe ich folgendes von
ihrem Gespraech verstanden:

Ludwig (Zoellner 1): "Hast du so einen Pass schon einmal
gesehen, Karl-Heinz?"

Karl-Heinz (Zoellner 2) "Nein. Germany kenn ich nicht,
vielleicht ist es ein Nachbarland von Swaziland?"

Heiner (Zoellner 3) "Mmmhhhh, dann muessten die beiden
Herren doch von schwarzer Hautfarbe sein, oder?"

Ludwig (angesaeuert, mustert uns genauer und kommt
dann ins gruebeln): "Hoer sich einer den Heiner an,
nur weil er Abitur hat, denkt er, er koenne hier den
Intellektuellen raushaengen lassen"

(Ludwig haut Heiner mit der flachen Hand auf den
Hinterkopf)

Heiner (empoert): "Aua! Lass das!"

Karl-Heinz: "Das Visum sieht jedenfalls echt aus. Ich
mache einfach mal einen Stempel rein und lasse sie rein"

Die Grenzbeamten nehmen ihren Job sehr ernst und fuehren
ihn sehr gewissenhaft aus. Moderner Technik vertrauen
sie nicht so recht. Ausfallsicher wird der komplette
Pass sauber per Hand in eine Kladde eingetragen, nachdem
unsere Daten mit dem Rechner erfasst wurden. Diese
Einreise dauert etwas laenger als sonst, nach einer
halben Stunde lassen sie uns dann aber doch nach Vietnam.

Fuer die Weiterfahrt nach Ha Long setzen wir auf bereits
am Baikal erprobte sozialistische Spitzentechnolgie. Ein
"KOMETA" Tragfluegelboot (in Abwandlung auch "METEOR"
genann, siehe http://www.foils.org/gallery/kometa.htm)
bringt uns rasend schnell und sicher durch die tausend
Inseln in dieser Bucht. Tragfluegelboote dieser Klasse
waren seinerzeit ein Spitzenprodukt sowjetischer
Ingenieurskunst und wurden in saemtliche sozialistischen
Bruderlaender exportiert. Die Chinesen machten dann das,
was sie am besten koennen: Zwei Exemplare ordern und
selber nachbauen. Auf dem Yangtze kann so heute noch die
chinesische Variante dieser schnellen Boote benutzt
werden. Diese Art von Technoglogietransfer hat die
Magnetschwebebahn in Shanghai noch vor sich.

Vietnam: Bucht von Ha Long
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Die Stadt Ha Long selbst ist keine Reise wert. Trotzdem
erholen wir uns erst einmal von den Strapazen zweier
aufeinanderfolgender Reisetage mit Bus und Boot und
bleiben fuer zwei Naechte.

Das Hotel ist ein abgewrackter Billigschuppen. Unter den
Betten liegen benutzte Kondome, das Waschbecken ist
inital mit einer gelben Bruehe gefuellt die aussieht,
als ob jemand ein halbes Pfund Eiter in Brocken in dem
Wasser gelagert hat. Wenigstens stammt die gelbe Farbe
nicht vom Wasser, welches recht frisch durch die Leitung
fliesst. Die Kakerlaken sind nicht so zahlreich wie in
Hongkong, dafuer aber beeindruckend gross. Die Groesse
vietmanesischer Kakerlaken liegt irgendwo zwischen der
eines Maikaefers und der Innenflaeche meiner Hand. Da
wir keine "Hello Kitty" Sticker mehr zur Markierung
(siehe Bericht aus Hongkong) dabei haben, kommen sie mit
dem Leben davon.

Die Hunde in Asien sind uebrigens alle Stumm und
erinnern so stark an den Husky Gorbi von Nicola. Den
habe ich auch noch nie bellen gehoert. Sie streunen
meistens durch die Strassen und bellen weder Einbrecher
noch Passant an. Sehen sie ein menschliches Wesen
begeben sie sich auf die Flucht wie ein scheues Reh.
Seltsames muss mit den Hunden auf der Insel Cat Bar
passiert sein: Wirklich alle weiblichen Hunde sind hier
zur Zeit traechtig. Vielleicht wird so aber auch nur
kuenstlich der Nachwuchs fuer die hiesigen Restaurants
angebaut.

Die Stadt Ha Long selbst ist an zwei Seiten einer
grossen Bucht gelegen und gleicht so Istanbul. Eine
Bruecke wie dort ueber den Bosporus gibt es jedoch noch
nicht. Mit japanischer Hilfe ist diese aber zur Zeit
im Bau begriffen und wird in zwei Jahren fertig gestellt. Die Brueckenpfeiler stehen schon.
Beim streunen durch die Strassen kommen wir abends um
neun Uhr Ortszeit an einer Schule vorbei. Um diese
spaete Uhrzeit, nach Verrichtung ihres Tagwerks,
druecken die jungen fleissigen Vietnamesen noch die
Schulbank. Wir schauen durch das Schaufenster, koennen
aber aus dem Tafelanschrieb nicht auf das Unterichtsfach
schliessen. Unsere Anwesenheit bringt hingegen etwas
Unruhe in die Idylle, denn ploetzlich kichernd drehen
sich die Schuelerinnen der letzten Reihe zu uns um. Wir
prosten ihnen zu und gehen weiter, bevor der Lehrer uns
als Quelle der Unruhe ausmacht und uns bitten kann,
weiterzugehen.

Das Freizeitprogramm in Ha Long wird von der "Disco 2000"
(lauter Technoschuppen mit ungeheuer teurem 5 $ Eintritt,
weshalb wir uns den Besuch sparen), einer alten
Automatenspielhalle, einem grossspurig "Grand Royal
Amusement Park" genannten Freizeitpark (einzige
Fahrattraktion ist eine Schiffsschaukel, Oeffnungszeit
des Parks von drei bis sieben Uhr) und einem kleinen
Strand aufgespannt. Wie bereits oben erwaehnt: Hier
in Ha Long geht die Post nicht ab.

Absolut sehenswert (und auch der Grund unseres kommens)
ist die Ha Long Bucht (siehe z.B.
http://www.go4dreams.ch/asien/pages/halong/pages/Asien0474.html).
Als ob der liebe Gott bei der Schoepfung irgendwann
keine Lust mehr hatte, sind ueber diese Bucht bis zu
dreitausend kleine Inseln verstreut - hingekippt wie
nach dem Spielen liegen gelassene Legosteine. Wie schon
in China in Guilin wurde hier auf Kalkstein als
Baumaterial gesetzt. Waehrend die Berge dort von
Fluessen und Reisfeldern eingerahmt sind, sind die
Felsen hier Spielball der Pazifikwellen. Nicht weniger
beeindruckend sind die herausgewaschenen Hoelen, welche
hier von Seeseite mit Booten und manchmal, wenn sie
etwas hoeher liegen, auch zu Fuss besichtigt werden
koennen. Bootstouren durch diese Region mit
Zwischenstopps zum Besichtigen, Fotografieren, Schwimmen
und einfach nur Staunen sind die Hauptbeschaeftigung
unserer ersten Tage hier in Vietnam.

Hauptverkehrsmittel in Vietnam ist das Moped. Mit vollem
Rucksack auf dem Ruecken und einem kleineren vor dem
Bauch befoerdern uns diese als Sozius an die wichtigsten
Punkte. Auch beim Strassenbau wird Ruecksicht auf dieses
beliebte Fortbewegunsgsmittel genommen: Neben jeder Treppe
gibt es eine Rampe, in die Bordsteine werden alle 50m
Zementrampen integriert. Wo diese vergessen wurden
kommen mobile Rampen aus Stahl zum Einsatz. Mit dem
Moped wird auf der Strasse, auf den Buergersteigen und
direkt bis in die Wohnung gefahren. Einzig der Strand
ist eine mopedfreie Zone.

Aehnlich wie die Mongolen mit ihren Pferden ist den
Vietmanesen der Umgang mit dem Zweirad schon von
Kindesbeinen an genetisch einprogrammiert. Sie sind so
gute Fahrer, dass sie auf Motorradhelme getrost
verzichten koennen. Kopfbedeckungen (sehr populaer sind
gerade britisch-imperialistische Tropenhelme) werden bei
der Fahrt ausschliesslich zum Schutz gegen die Sonne,
nicht aber als Schutz gegen Unfaelle, getragen. Wollen
wir heisses Wasser in Ha Long fuer die Zubereitung eines
Tees oder einer Nudelsuppe haben, so schwingt sich die
Wirtin einfach auf ihr Moped und holt uns dieses in zwei
grossen Thermoskannen von der naechsten Heiswasserquelle.

Einen solchen schicken Tropenhelm haette ich fuer unsere
weitere Reise auch gerne, leider werden sie aber nur in
einer Einheitsgroesse hergestellt und die passt nicht
auf meinen Schaedel. Das wir inzwischen in den Subtropen
angekommen sind merkt man besonders an der hohen
Luftfeuchtigkeit. Schnell sind die T-Shirts
durchgeschwitzt und nicht anders geht es meiner
Baseballmuetze - ebenfalls aus Stoff. Vielleicht werde
ich landestypisch auf eine Strohreismuetze (die konisch
zulaufenden wie runde Pyramiden ausehende Strohhuete
sind eine originaere vietnamesische Erfindung) zum
Schutz gegen die Sonne zurueckgreifen. Die Dinger sind
so gross, dass sie muehelos auf einen mittelgrossen
Kuerbiss, und damit auch mir, passen.

CAT BAR
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Die groesste und einzig bewohnte Insel in der Ha Long
Bucht ist Cat Bar. Neben einem Nationalpark werden hier
alle touristisch relevanten maritimen Freizeitaktivitaeten
vom Schnorcheln, Kajak fahren bis hin zu Bootstouren
angeboten.

Zunaechst erforschen wir Insel und den Dschungel auf
eigene Faust mit einem gemieteten Moped. Da es in Asien
keine Verkehrsregeln gibt, wird auch kein (sowieso nicht
vorhandener) Fuehrerschein verlangt. Die Bedienung der
Geraete ist ausserdem so einfach, dass eine einfache
Einweisung in die relevanten Hebel und Schalter zur
Benutzung der Kisten ausreichend ist. Verfahren kann man
sich auf dieser uebersichtlichen Insel nicht, da es nur
zwei Strassen gibt: Beide durchlaufen die Insel in
Nord-Sued Richtung, einmal die Kuestenlinie folgend und
einmal mitten hindurch. Markus holt aus seiner Kiste 90
km/h raus, bei meinem alten Bock ist bei 80 km/h Schluss.
Ein riesiges Vergnuegen!

Landschaftlich schoen ist auch der Marsch quer durch den
Dschungel. Schlangen haben wir keine, dafuer aber
giftige Spinnen und Affen gesehen. Der Urwald ist schoen
schattig, die Klettertouren und die hohe
Luftfeuchtigkeit sorgen jedoch schon bald dafuer, dass
mein T-Shirt komplett durchgeschwitzt ist. Nervig ist
eine Familie Franzosen, mit welcher wir die Tour machen.
Das Maedchen des Hauses ist mit original Adidas
Balettschuhen unterwegs und setzt sich einfach hin und
weint, als ihre Schuhe im Arsch sind und ihr ihre Fuesse
schmerzen. Ihr Vater fuehrt sich auf, als ob er den
Verlust von Indochina als franzoesische Kolonie immer
noch nicht so ganz verwunden hat. Den Eintritt in den
Park will er nicht zahlen, da er davon ausgeht, das
seine ganze Familie auf sein Ticket mit in den Park
duerfen. Gefeilscht wird verbissen um dem Betrag von
50 Cent. Er fragt nach dem Namen des
Nationalparkmanagers und weigert sich, mit dem Mann vom
Kassenhaeuschen ueber sein Anliegen zu diskutieren. Als
er am Ende der Wanderung keine Lust mehr hat, fordert er
unseren Fuehrer auf, fuer seine Familie und sich Mopeds
in genuegender Anzahl zu besorgen. Waehrend Markus und
ich die Wanderung zusammen mit dem Fuehrer zu Fuss
beenden, rauscht er mit seiner Familie schonmal voraus
zum Ziel. Zeit fuer das eingeplante Schwimmen ist
natuerlich spaeter auf dem Boot nicht mehr, da
wir spaet dran sind und er unbedingt noch eine weitere
Faehre erwischen muss.

DEMNAECHST
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Nach der vielen Natur der letzten Tage ist mal wieder
eine Stadt angesagt. Morgen gehts mit Boot und Bus daher
nach Hanoi. Neben Besichtigung der Stadt planen wir von
dort unsere weitere Reise nach Bangkok. Dort muessen wir
am 16 November sein, zwischendurch werden wir noch
dem schoenen Laos die Referenz erweisen.

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