26.10.04

Guilin & Yangshao: Good night china, good morning vietnam

Vorweg: Wegen Restriktionen des Internets
in China schreibe ich meine Berichte per Mail.
Die Formatierung im BLOG kann ich so leider
nicht einsehen. Der geneigte Leser habe ein
Einsehen, bevor er sich ueber den unleserlichen
Flattersatz beschwert. Sobald ein voll
funktionstuechtiges Internet verfuegbar ist,
werde ich nachtraeglich die letzten Berichte
(bei Bedarf) per Hand leserlicher formatieren.

GUILIN 2
++++++

Im Vergleich mit den letzten Absteigen ist
unser Hotel in Guilin, was Sauberkeit und
Groesse angeht, ein First Class Hotel
(wenngleich es vom Preis her zurecht in
der Low Budget Kategorie im Reisefuehrer
gelistet wird). Auch das Thema Sicherheit
wird diesmal gross geschrieben. Direkt neben
unserem Zimmer befindet sich der Zugang
zur Feuertreppe, dieser wird Abends mit
einem Fahrradvorhaengeschloss verriegelt,
damit kein boeser Bube sich unbemerkt
Zugriff zu den Hotelraeumlichkeiten verschafft.
Der Seelenverkaeufer in Hongkong, in dem
wir abgestiegen sind, besitzt den Luxus
einer Feuertreppe gar nicht, weshalb er
im Reisefuehrer nicht erwaehnt wird.

Seit Monaten koennen wir ausserdem
einmal wieder anstaendig Fernsehen
schauen. Neben Kanaelen in chinesischer
Sprache wird auch ein englisch sprachiger
Kanal in das Kabelnetz eingespeist.
Dieser ist, was Aufmachung und
Themenauswahl angeht, am ehesten mit
NTV zu vergleichen. Live uebertragen wird
Abends das Premier League Spiel Arsenal
London gegen Manchester United.
Spannendes Spiel, da es auf dem chinesisch
sprachigen Kanal laeuft stoert uns auch der
unverstaendliche Kommentar nicht weiter.
Direkt im Anschluss zu spaeter Stunde gibts
zu Markus's Freude ausserdem das Formel 1
Rennen in Brasilien. Motorengeheul wiegt
mich sanft in den Schlaf.

Beim zappen auf den chinesischen Kanaelen
entdecken wir die chinesische Variante von
"China sucht das Supermodel". Ich bin froh,
das ich nicht in der Jury dieses Wettbewerbs
sitze, denn die Aktricen sehen durch die Bank
gleich aus. Ihrer Choreographie animiert mich
jedoch beim Besuch eines fuerchterlichen
Tanzschuppens am selben Abend. Rockmusik
ist in Guilin ein Fremdwort.

Schoen ist die Zusammenfassung einer
"Bauernspiele 2004" genannten
Sportveranstaltung. Hier proben die
Chinesen schon kraeftig fuer die Ausrichtung
der naechsten olympischen Spiele 2008
in Beijing. In paraolympischen Disziplinen
wie 100m Wassereimerlaufstafette,
Sellerieweitwurf oder Tauziehen zeigen
chinesische Bauern, was sie so auf dem
Feld in Ausuebung ihrer taeglichen Arbeit
gelernt haben. Das gute Abschneiden
chinesischer Sportler bei den olympischen
Spielen wundert mich angesichts
derartiger profesioneller Sichtungswettbewerbe
nicht. Doping kommt in diesem sponsorenfreien
Wettkampf nicht vor.

Neuerungen im Taxibusiness sind neben Frauen
als Taxifahrerinnen auch die Motorradtaxen.
Neben den Volkswagen Derbys und Santanas
lungern sie an wichtigen Verkehrskreuzungen
herum und warten auf Kundschaft. Einen
Taxameter haben diese Gefaehrte nicht
eingebaut, den Preis der Befoerderungsdienstleistung
verhandelt man vor der Fahrt. Fuer den Fahrer und
den potentiellenFahrgast sind immer zwei
Motorradhelme an Bord. Bevorzugt werden gelbe
Bauarbeiterhelme oder olivgruene Stahlhelme aus
Bestaenden der Nationalen Volksarmee verwendet.

Ein letztes Mal versucht der Touristenfuehrer
Mike, den ich schon im letzten Bericht erwaehnte,
eine seiner touristischen Dienstleistungen bei
uns an den Mann zu bringen. Er laesst eine
Freundin Mickey einen Liebesbrief schreiben,
welcher eines Abends bei der Rueckkehr ins
Hotel zugestellt wird. Das auf englisch an
"Dear Doelfer" adressierte Schreiben erweckt
stark den Verdacht eines vorgefertigten
Serienbriefs und laesst es an Individualitaet
fehlen. Nach eigenem Bekunden handelt es
sich bei Mickey um ein "super sexy chinese
cowgirl", welches hauptsaechlich auf Bands
wie Backstreet Boys, Aqua und Britney Spears
abfaehrt. Musikgeschmack und Wortwahl lassen
einen starken MTV Konsum und ein Alter um die
20 vermuten. Mickey hatte schon den ganzen
Nachmittag gewartet und wuerde sich nun ueber
eine Kontaktaufnahme freuen. Damit dabei nichts
schiefgeht, hinterlaesst sie neben postalischer
Anschrift ihre Telefonnummer, eMail Adresse und
diverse Chatnicknames. Wir verspueren jedoch
kein gesteigertes Verlagen, Kontakt zu ihr
aufzunehmen. Unbeantwortet bleibt so die Frage,
wieso eine Chinesin ihren Namen mit Mickey
uebersetzt. In meinen Augen ist dieses ein
typischer Maennername: Mickey Mouse, Mickey
Rourke, etc. Vermutlich hat Mike diesen
Uebersetzungsfehler verbockt, von ihm sehen
und hoeren wir zum Glueck seit dieser erfolglosen
SPAM Aktion nichts mehr.

Neben den bereits erwaehnten Huegeln sind
Bootstouren und Hoelenbesichtigungen die
touristischen Hauptattraktionen in dieser Stadt.
In bunten Prospekten wird mit Prominenten,
welche diese Anlagen bereits vor uns besucht
haben, geworben. Nachdem die Hoehlenfuehrerin
des Monats September hoechstselbst unsere
Eintrittskarte fuer die "Rote Floetenhoele"
entwertet hatt begeben wir uns mit den
Hoelenfuehrern ins Dunkle auf die Spuren von
Deng Ziapong, Johannis Lau und Richard Nickson
(O-Ton der Broschuere, keine Tippfehler),
welche vor uns diese Anlage besucht haben sollen.
Ein weiterer Tick: Ueberall wird mit ISO 9001 / 14001
Zertifizierungen geworben. Qualitaetssicherung bei
Uebersetzungen ist offensichtlich kein Bestandteil
dieser Standards.

Die Hoehlenfuehrung erinnert mich stark an den Film
"Lost in Translation": Zunaechst wird jede Attraktion
auf chinesisch in epischer Breite minutenlang erlaeutert
- dieses Tropfsteingebilde sieht aus wie ein Affe,
jene wie ein Drache, der Affe nimmt sich folgenden
Speer und jagd den Drachen in den Brunnen dort
drueben usw. Nach der chinesischsprachigen ist ein
englischsprachiger Hoelenfuehrer dran. Den Monolog
seiner Vorgaengerin fasst er kompakt mit "Da ist nen
Affe und ein Drache zu sehen, now follow me"
zusammen. Schoen ist eine rot und gelb angestrahlte
Felsformation, welche mit viel Phantasie der Skyline
von Hongkong entsprechen soll. Mir fehlt diese, mit
viel Anstregung vermag ich bestenfalls die Skyline
von Hongkong nach einem atomaren Erstschlag
erkennen. Bei vielen Felsformationen bleibt der
fade Beigeschmack, dass Drogen im nicht
unerheblichen Umfang bei der Namensgebung und
Geschichtenfindung eine Rolle gespielt haben (nicht
zuletzt wegen der Farbgebung tippe ich auf LSD).

YANGSHUO
++++++++

Eine Flussfahrt bringt uns ins 60 km entfernte
Yangshuo. Diese beeindruckende Reise schlaegt
den Yangtze Trip um Laengen. Bei der Buchung
der Tickets besteht Markus darauf, auf ein Boot
mit chinesischen Touristen zu kommen
("We want a chinese boat!"). Dieses macht die
Sache billiger und ausserdem eine Menge Spass.
Wir hinterlassen etwa 20 Gruppenbilder
("Chinesen neben zwei Europaeern vor der
Felsformation schreiender Tiger") auf unzaehligen
chinesischen Fotoapperaten als wir den Kahn
verlassen. Von den spaeter gemachten
"Englischklasse mit Europaern" und "Nancy, Nina
und Joerg beim Sonnenuntergang auf dem
Solitary Hill" gebe ich auch Mal meine eigene
Kamera aus der Hand - sonst glaubts spaeter
wieder niemand.

Yangshuo ist fuer chinesische Verhaeltnisse,
was die Groesse mit etwa 300.000 Einwohnern
angeht, fuer deutsche Verhaeltnisse ein Kaff
der Groessenordnung von Pivitsheide V.L.
Wegen seiner relativen Abgeschiedenheit
ist es aber vor allem bei Touristen beliebt.
Wer schon einmal in Neuseeland war: Wenn
man Queenstown nach China transferiert,
Angebote wie Bungee Jumping und Rafting
aus dem Katalog herausstreicht und durch
landestypische Attraktionen wie
Kormoranfischen und Bambusflossen ersetzt,
braucht man diesen Ort nur noch Yangshuo zu
nennen und hat eine fast identische 1:1 Kopie.

Tagsueber werden Horden von Touristen durch
die West Street geschleust und ueberall wird
derselbe Ranz an Souveniers angeboten (Originell:
Ein T-Shirt mit dem Konterfei von George W. Bush,
die Amerikaner bevorzugen aber eher Mao).

Abends ist in den Lokalitaeten die Hoelle los.
Vielleicht trifft diese Beschreibung aber eher
fuer das Wochenende zu - am Montag scheint
sich das Nachtleben eine Auszeit zu goennen.
Die West Street laesst sich somit am Besten
mit der Schinkenstrasse in Mallorca vergleichen
(ein gewagter Vergleich, denn auf mallorkinischen
Boden habe ich bisher noch keinen Fuss gesetzt).
Mickey Krause und Juergen Drews haben hier
jedoch ihre Claims noch nicht abgesteckt.
Muede geht es daher in der "Kiss Bar" zu.
Zeitgenoessiche Fassungen von alten Falco-Hits
werden zu Gehoer gebracht. GoGo Girls/Boys
versuchen, dem in sehr uebersichtlicher Anzahl
erschienen Publikum einzuheizen und zum Tanzen
zu animieren. Was fuer ein Bums: Zunaechst
verpissen sich die Taenzer und dann der DJ -
vermutlich, weil auch sie die Musik im Laden
scheisse finden. Wir trinken unser Bier und
spielen Kniffel.

Unsere Zelte haben wir in "Lisa's Restaurant
and Hostel" aufgeschlagen. Die Cheffin Lisa
kann einige von deutschen Touristen
aufgeschnappte Brocken Deutsch. Sympathisch
daran: Ueber das uebliche "Bitte", "Danke"
und "Guten Morgen" hat man ihr auch
beigebracht, auf Deutsch zu fluchen. Die Raeume
sind billig, sauber und frisch renoviert. Nur eine
einzige Kakerlake verirrt sich zu uns. Sie wird auf
dem im Schachbrettmuster schwarz und weiss
gefliessten Badezimmerboden auch nur dehalb
sichtbar, weil sie den falschen Zug gemacht und
eine (ihr optisch Schutz gebende) schwarze Fliese
verlassen hat. Auf der weissen Kachel, sichtbar
wie auf einem Praesentierteller, lasse ich sie
am Leben.

Mit dem Zugfahren ist es nun erst einmal vorbei.
Morgen gehts (hoffentlich erfolgreich) mit dem
Bus nach Vietnam.

ALLGEMEIN
++++++++

Zuletzt ein praktischer Tipp fuer Chinreisende:
Lasst euer E-PLUS Handy getrost zu Hause.
Gegenueber den D-Netzen ist ausser in Beijing
und Hongkong fuer E-PLUS kein Empfang zu
bekommen. Auch Zugriff auf ein GMX Mailaccount
gibt es im Reich der Mitte nicht - web.de funktioniert
hingegen fehlerfrei.
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