23.10.04

Guilin

Von Hongkong nach Guilin
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Zurueck in China. Mein Reisepass sieht aus,
als ob er Masern hat - tausende Ein- und
Ausreisestempel (meistens in Rot, manchmal
in Gruen, Schwarz oder Blau) kleistern die
freien Sichtvermerksseiten zu. Platzsparend
wird der Ausreisestempel fuer Hongkong
einfach ueber den Einreisestempel nach
Hongkong und den Ausreisestempel
von Macao - beide vom Vortag - untergebracht.
Fuer die erneute Einreise nach China faengt
der Zoellner eine neue, unverbrauchte Seite
an. Ich selber habe laengst den Ueberblick
verloren.

Bevor wir den Nachtzug nach Guilin von
Guadong besteigen koennen muss erst
noch etwas Zeit totgeschlagen werden.
Ich mache daher das, was ich am besten
kann: Den naechsten Park aufsuchen,
eine ruhige Ecke unter einem Schatten
spendenden Baum aufsuchen, den lieben
Gott einen braven Mann sein lassen und
entspannen. Das klappt in Guadong ganz
hervoragend, denn der Park schlaegt alles
bisher gesehene um Laengen. Angelegt wie
ein Dschungel mit subtropischer Vegetation,
frei fliegenden Schmetterlingen und zirpende
unsichtbaren Insekten neben ebenso
unsichtbaren, aber laut zwitschernden, Voegeln.
Fehlt nur noch, dass sich Schlangen von den
Baeumen abseilen, dann waehre die
Dschungelillusion perfekt.

Beim Fahrt durch die Stadt gerate ich wieder
einmal in die Faenge eines vorgeblichen
Taxifahrers. "TAXI, TAXI" bruellt er mich an,
als ich den Bahnhof verlasse. 20 Euro moechte
er fuer den Transfer durch die Stadt haben,
betont dabei, dass er schnell wie Michael
Schumacher fahren kann. Das kann ja vielleicht
auch hinkommen, da ein regulaeres Taxi
auf derselben Strecke aber fuer sparsame 2 Euro
zu haben ist, willige ich in sein unverlockendes
Angebot nicht ein. Nachdem ich mich 50 Meter
von ihm entfernt habe, ist der Preis schon auf
10 Euro gesunken, auf feilschen habe ich heute
aber keine Lust.

Handys sind hier, wie auch in Deuschland, bei
jung und alt gleichermassen beliebt. Bisher habe
ich aber nocht nicht herausbekommen koennen,
wie man die bis zu 1500 Schriftzeichen
umfassende chinesische Sprache auf die
9 Tasten eines Telefons unterbingen kann.
Eine Loesung fuer dieses Problem muss es geben,
denn auch hier SMSen die jungen Chinesen
bis der Arzt kommt.

Guilin
++++

Guilin war schon immer eine Touristenhochburg.
Glaenzend haben sich Stadt und Infrastruktur hierauf
eingestellt. Preise fuer Filme, Filmentwicklung und
Eintritte zu den Hauptattraktionen liegen vom
Niveau her sogar ueber denen in Peking. Ohne
grosse Muehe findet man aber auch hier guenstige
Unterkuenfte.

Mit 1,3 Millionen Einwohnern ist die Stadt fuer
chinesische Verhaeltnisse ein kleines Kaff - und
tatsaechlich kann man alle wichtige Orte der
Stadt oder Umgebung gemuetlich mit dem Fahrrad
erreichen. Ausserdem ist Guilin die erste Stadt in
China, in der Frauen den Beruf des Taxifahrers
ausueben.

Laestig wie Scheisshausfliegen sind Einheimische,
welche sich sofort auf Touristen als potentielle
neue Kunden stuerzen und einem alles moegliche
zeigen oder verticken moechten. Durch die Bank
sprechen sie gut Englisch, einige glaenzen
ausserdem mit intimen Kenntnissen des deutschen
Fussballs - wissen so zum Beispiel um den hier in
China aktiven Trainer Schlappner und seine
Trainerstationen in Deutschland. Beeindruckenderweise
hoert ihr fussballerischer Horizont nicht bei Rudi Voeller
und Oliver Kahn auf. Holger Stanislawski, dessen
Konterfei ich auf meinem T-Shirt trage, kennen sie
trotzdem nicht. Was aber nicht weiter schlimm ist,
da ihn auch in Deutschland abseits des FC St. Pauli
wohl kaum jemand kennt.

Nach ein bischen Smalltalk, oder etwas weniger
umstaendlich direkt als erste Frage, muenden
Gespraeche frueher oder spaeter in der Frage
"What are your plans? How long do you stay?"
Eine Traube von 5-6 Leuten lauscht der Antwort
um dann Angebote zu machen: Eine
Fahradvermietung ("Private Business!
Very cheap! Follow me! Trust me!"), Tickets fuer
Bus- oder Flussfahrten, ein Stadtplan oder
persoenliche Stadtfuehrung. Am besten ignoriert
man die sich vor einem aufbauenden
Stadtbilderklaerer und umkurvt sie in Slalommanier,
oder gibt an, in wenigen Stunden die Stadt zu
verlassen und schon ein Ticket zu besitzen.

Ein besonders penetranter Vertreter dieser
Gattung ist uns, seitdem wir die Stadt betreten
haben, auf den Versen. Obwohl wir kein Wort
mit ihm gewechselt haben, folgt er unserem
Taxi mit seinem PKW, sprintet neben uns zur
Rezeption und gibt an, uns hierher gelotst zu
haben. Seine intimen Kennnisse ueber unser
Hotelzimmer und die Zeitdauer unseres
Aufenthalts versucht er seitem, Gewinnbringend
einzusetzen. Aus dem Halbdunkel der Lobby
passt er mich auf dem Weg in den Fahrstuhl ab.
Nein, ich brauche kein Fahhrad, keine Tickets,
bin einfach nur muede und suche Entspannung
in einem Nachmittagsnickerchen alleine auf dem
Zimmer. Die Tuer des Fahrstuhls schliesst sich,
ich atme durch und sehe ihn wieder, als sich die
Tuer im fuenften Stock oeffnet.

Geschaeftstuechtig ist er die Treppen hochgesprintet
und hat sich ein auf meine speziellen Beduerfnisse
abgestimmtes Freizeitangebot ueberlegt. Frauen
zur Entspannung koenne er mir in beliebiger Anzahl
auf mein Zimmer holen, ein gratis "special service"
wie er mir augenzwinkernd mitteilt. Ich verzichte
und bin ihn endlich los, als sich Tuer zum Hotelzimmer
hinter mir schliesst. Dafuer weckt er uns heute morgen
mit einem Kontrollanruf, in dem er sich ueber unsere
heutigen Plaene erkundigt. Ich beschliesse, ihm das
naechste Mal, wenn ich ihn treffe, ueber die Nutzlosigkeit
seiner Ambitionen aufzuklaeren.

Hauptattraktion in der Region sind spitze,
zuckerkegelfoermige Bergkegel. Wie Brotkrumen bei einem
Abendbrot, bei dem man auf den Teller verzichtet, sind diese
ueber die Landschaft verteilt (siehe auch http://www.travelchinaguide.com/cityguides/guilin.htm und
folgende Seiten). Am ehesten lassen sie sich mit den
Externsteinen vergleichen. Dort hat die Natur auf Sandstein,
hier in Guilin auf Kalkstein als Baumaterial gesetzt. Auch sind
die Huegel hier mit 150-200m Hoehe groesser als die
Externsteine und in wesentlich groesserer Anzahl vorhanden.
Gemeinsam sind ihnen Inschriften und Grafitti (dort ein
Kreuzabnahme Relief, hier Weisheiten von waehrend der
Ming-Dynastie populaeren Poeten) und das beide nicht
in der UN Liste des schuetzenswerten Weltkulturerbes
auftauchen. Die Form der Felsen regt seit jeher die
Phantasie die Leute an. Sie hoeren auf so schoene
Namen wie "Elefant der im Fluss zur Traenke geht",
"Gefalteter Brokathuegel", "Rote Floetenhoehle" oder
- etwas vulgaer vielleicht, aber nicht minder
phantasievoll - einfach "Wichsender Moench".

Ein paar von diesen Attraktionen werde ich mir nun
anschauen. Auf Berichteschreibe habe ich keine Lust
mehr, seitdem der Saft meines Rechners abgewuergt
wurde und so zwei Stunden Arbeit ins Nirvana
befoerdert wurden. Auch poltern und lautes Fluchen
nutzt da bei der Frustbewaeltigung nicht.
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