1.10.04

Peking 3: Mondfest, Fussball und aquaplaning auf der chinesischen Mauer

Die Parade zum Nationalfeiertag haben wir heute morgen leider verpennt. Nach dem Fruehstueck um halb 12 sagte man uns, dass die offiziellen Feierlichkeiten schon beendet seien. Schade, denn wir hatten uns einiges vorgenommen, vielleicht wollte man uns aber auch einfach nicht dabei haben.

Zum Fussball: Das Ligaspiel am Mittwoch wurde zwischen Guan Beijing (Pekinger Team im gruenen Trikot) gegen Inter Shanghai (im blauen Trikot) ausgetragen. Durch zwei dicke
Torwartschnitzer ging Peking in der ersten Halbzeit 2:0 in Fuehrung, die harmlosen Shanghaier
konnten in der zweiten Halbzeit nur sehr selten in den Pekinger Strafraum eindringen und hatten so gut wie keine Chance, weshalb es bei diesem Spielstand blieb. Das Spiel selbst war auf
unerwartet auf hohem Niveau, vielleicht vergleichbar mit einem mittelmaessigen Zweitligaspiel.
Genauso wurde auch geholzt und in den den Gegner gegangen. Weiteres Vorbild scheint der
italienische Fussball zu sein, selten habe ich soviel Theater und Schwalben gesehen. Auf dem Platz lauter Eunuchen die schnell den sterbenden Schwan geben, wenn der Schiedsrichter zuschaut. Geschaetzte 15000 Zuschauer verliefen sich im etwas 80000 Zuschauer fassenden Stadion. Sie sorgten ausnahmslos fuer gute Stimmung. Viel haben sie sich anscheinend vom Europaeischen Fussball abgeschaut, denn die Anfeuerungsgesaenge hoert man so auch (natuerlich nicht in chinesisch) bei uns. Origineller authentischer chinesischer Akzent waren selbstgebastelte Papierflugzeuge, die sehr langsam und sehr weit fliegen. Schaffte es eines bis auf den Rasen wurde dieses jeweils mit grossem Applaus der Zuascheur honoriert. Im Stadion selbst werden ausnahmslos alkoholfreie Getraenke gereicht. In Hamburg kennt man dieses nur, wenn der Innenminister Schill heisst. Wuerstchen und aehnliches ist unbekannt, stattdessen werden kalte Hamburger und Chips zum Kauf angeboten. Wie auch draussen in der Stadt so herrscht auch Abends im Stadion Smog, welcher von den Flutlichmasten angestrahlt ein gelbes Dach ueber dem gruenen Rasen bildet. Wir treffen ausserdem eine Gruppe von fuenf deutschen Studenten, welche sich ein halbes Jahr hier aufhalten. Leicht erkennen sie uns an unseren St.Pauli Klamotten, sie kommen aus Mainz und sind etwas sauer darueber, das Mainz ausgerechnet in dem Moment aufsteigt, in dem sie in China weilen. Zum Finanzziellen: Ein Trikot der Heimmannschafft geht fuer 9,80 Euro ueber den Tresen, der Eintritt ist fuer schlappe 3 Euro mit freier Sitzplatzwahl zu haben. Stehplaetze gibt es ueberhaupt nicht. Morgan und Babara, ein Paerchen aus Irland welches wir nach Yekaterinenburg hier in Peking wiedergetroffen haben, freuen sich hauptsaechlich ueber die gruene Farben der Heimmanschaft (klar, sind ja auch Iren) und so ist die Frage, welches der Teams es zu unterstuetzen gilt, schon von Anfang an geklaert.

Ausserdem zu Feiern gab es am Mittwoch das chinesische Mondfest. Der chinesische Kalender
basiert auf den Mondphasen und der Vollmond, zu dem der Mond am naechsten zur Erde steht, wird besonders gefeiert. Ueblicherweise setzt man sich bei gutem Wetter dazu auf das Dach eines Hauses und betrachtet den aufgehenden Vollmond und isst dabei mitgebrachte Mondkuchen ("Mooncakes", mit suesser Schoolade gefuellter trockener Kuchen, etwa Handtellergross) und Aepfel. Wir sitzen im in der Kellerkneipe des Hotels und essen das gleiche, koennen aber nicht auf den Mond dabei schauen. Dafuer sind ein paar Musiker von der Pekinger Oper gekommen und bringen klassische Chinesische Musik zu Gehoer. Sehr gewoehnungsbedueftig, denn diese Musik kennt nicht das Konzept von Rhytmus oder Takt. Der Gesang hoert sich fuer Europaer wie Geschrei an, man erkennt aber, dass es durchaus gewisser kuenstlerischen Faehigkeiten bedarf, beim lauten Schreien den Ton zu halten. Zwischendurch gibt es eine Tombola bei der wir leider leer ausgehen und das obligatortische
Karaoke. Das ein dazu aufgeforderter Kanadier nicht mitsingen kann liegt wohl daran, das der
Text auf dem Monitor in chinesisch angezeigt wird. Ihm bleibt daher nichts anderes uebrig, als zur Melodie Schreilaute von sich zu geben, was vielleicht nicht dem Text entspricht, aber durchaus echt klingt.

Meine Verdauungsprobleme habe ich inzwischen weitesgehend im Griff. Seit Irkutsk litt ich unter Duennschiss und musste nach jeder Mahlzeit auf Toilette. Dank Immodium Akut stellte sich das andere Extrem ein: Fuer 3 Tage brauchte ich nicht mehr auf toillete. Inzwischen haben sich Land, Speise und mein Magen synchronisiert und alles laueft wie gewohnt.

Welche Farbe hat der Himmel ueber Peking? Diese Frage liess sich bisher nicht beantworten,
bedingt durch den Smog hatte ich bisher auf eitergelb getippt. Inzwischen ist der Herbst
nach Peking gekommen und der Wind vertreibt die dichten Smogfetzen. Auch hier ist der Himmel also blau.

Herbstlich war das Wetter auch gestern beim Besuch der grossen Mauer. Natuerlich
hatten wir keine Regenjacke dabei, konnten aber einen Poncho fuer drei Euro erwerben. Dieser
war nach 10 Minuten durch. Wind und Regen peitschten uns uber die baufaellligen Treppen als wir fuer 4 stunden ueber ein 15 kilometer langes Teilstueck wanderten. Nach einer Stunde verliess ich die Mauerkrone und ging eine Abkuerzung neben den Bergen und der Mauer durch die landestypischen Maisfelder (Reis habe ich hier noch ueberhaupt nicht zu Gesicht
bekommen). Bedingt durch einen Konstruktionsfehler und dem heftigen Niederschlag kam es
vereinzelt zu glitschigen Aquaplaning Situationen auf der Mauerkrone. Die Stiefel waren 30
Minuten nach der Kleidung durch. Frierend und nass bis auf die Knochen im kalten Buss brauchten wir noch etwa 4 Stunden zurueck ins Hotel. Welch eine Wohlfahrt eine heisse Dusche darstellen kann! Gesundheitlich haben wird das Abenteuer gut ueberstanden, Photos werden wohl wegen dem Wetter etwas weniger eindrucksvoll als von den Postkarten bekannt ausfallen.

Weiterhin bleibt uns das Planungsglueck hold. Die georderten Tickets nach ChongQuien haben wir heute erhalten. Dahin gehts im Schlafzug zusammen mit 4 anderen Chinesen im Abteil am Sonntag Abend. Von dort wird uns ein Boot den Yangtse an den Staudaemmen vorbei Richtung Shanghai bringen. Heute und morgen werden wir noch ausgiebig das Pekinger Nachtleben testen.

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