20.10.04

Hongkong 2

Untermieter
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Weitere Verluste sind zu beklagen: Heute morgen habe
ich Diethelm ins Jenseits befoerdert. Bereits gestern Abend
hat Markus drei andere Kakerlaken erledigt, sich aber leider
nicht deren Namen notiert. Fuer sie blieb daher leider nur ein
anonymes Begraebnis im Muelleimer.

Hier in Hongkong stehen "Hello Kitty" Devotionalien hoch im
Kurs. Wer das nicht kennt: Es handelt sich um eine bei
Kindern sehr beliebte Zeichentrick-Mangafigur. Meistens
kitischig auf rosafarbenen Hintergrund gemalt. Beim Einkauf
in jeder 7/11-Filiale werden "Hello Kitty"-Wackelbilder umsonst
in die Tuete gekippt. Gerne wollen wir sie zur Auszeichnung
unserer Untermieter benutzen: Einfach ein Wackelbild auf ihre
Panzer kleben und dann mit Filzstift den Namen der Kakerlake
draufschreiben. Unsere kleinen Freunde sind so leichter zu
identifizieren und im Dunkeln aufzuspueren, da die Wackelbilder
mit einer reflektierenden Folie ueberzogen sind.

Leider laesst sich dieser geniale Plan nicht in die Tat umsetzen,
da die Kakerlaken zu schnell weglaufen. Vielleicht ist es ihnen
auch einfach peinlich - wenn jemand mich damit bekleben wollte,
wuerde ich auch wegrennen. Gestern Abend kann ich Zeuge der
fantastischen Kletterfaehigkeiten der kleinen Biester werden:
Die durch die Neonreklame auf der Strasse angeleuchte
gekachelte Wand und Decke wird zur Rennstrecke, an welcher
eine Kakerlake herumflitzt, als ob es der Boden ist. Vor dem
Hintergrund der glatten Oberflaeche der Kacheln und der
Tatsache, dass Kakerlaken ueber keine Saugnaepfe verfuegen,
ist das eine beachtenswerte sportliche Leistung.

Oktoberfest
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Dem Monat angemessen besuchen wir das von deutschen
Unternehmen wie Lufthansa und Siemens zwecks Kulturaustausch
gefoerderte "Marco Polo German Bierfest". Auf dem obersten
Parkdeck neben dem Marco Polo Luxushotel ist zu diesem Zwecke
ein Festzelt aufgestellt. Zwar war ich noch nicht auf dem
Muenchner Oktoberfest, die Kulisse mit dem naechtlich hell
erleuchteten Hochhauesern von Hongkong im Hintergrund ist
jedoch unschlagbar.

Fuer die Eintrittsgebuehr bekommt man einen
Plastikbierseidel (Fassungsvermoegen 0,5 Liter, nach der Sause
darf man ihn als Geschenk mitnehmen), gefuellt mit Loewenbraeu
Bier. Die Preise fuer weiteres Bier liegen mit 9 Euro pro Liter
auf original Oktoberfestniveau. Zu Essen werden landestypische
Speisen wie Brezen und Sauerkraut mit Schweinshacksen serviert.
Zu Dekorationszwecken sind die Wappen der 11 Bundeslaender
an den Waenden aufgehaengt - von Schleswig Holstein ueber
Hamburg, Niedersachsen bis runter nach Bayern und Baden
Wuertemberg. Wappen der fuenf neuen Laender fehlen komplett, aber
vielleicht habe ich waehrend meiner Abwesenheit auch nur aktuelle
politische Entwicklungen in Deutschland verschlafen und es handelt
sich gar nicht um einen Fehler.

Musikalisch fuehrt die aus Bayern eingeflogene Band "Die Notenhoblers"
durch den Abend. Das zunaechst einzig wirklich deutsche an dieser
Veranstaltung ist der Akzent des Frontmanns Alois wenn er englisch
spricht. "Die Tina blaest in Kina" singt Alois waehrend ein anderes
Mitglied der Band in Strapse, Mieder und Bademantel mit Peruecke
und Schminke als Frau verkleidet auf einem Alphorn spielt. In Hamburg
habe ich schon attraktivere Transen gesehen, allerdings werden diese
wohl nicht so gekonnt diesem Instrument Toene entlocken koennen.
Als Alois vier Chinesinnen auf die Buehne zum Alphornblasen
bittet bleibt das Niveau konstant auf dieser nach Bierfurz stinkenden
Altherrenhumor-Ebene. In den Bereich des Oralsex abgeleitende
Kommentare liegen aber vermutlich auch zu nah, als dass er sie sich
verkneifen koennte. Die mit einem Klatschophon basisdemokratisch
bestimmte Gewinnerin ist uebrigens eine Chinesin mit dem Namen
Lisa (so nennt sie sich jedenfalls selber), welche eine Dauerkarte
fuer diese 7 Tage andauernde Veranstaltung hat und den gereichten
Humpen Bier in beeindruckender Geschwindigkeit leeren kann. Fuer
die Herren der Schoepfung wird ein Melkwettbewerb veranstaltet.

Fuer die chinesischen Gaeste ist der Abend eine Riesengaudi.
Der Ententanz wird daher gleich zweimal gespielt und der
besseren Verstaendigung wegen wird das "Lied der Schluempfe" auf
englisch gesungen. Mein passender Musikwunsch, "Ole, wir fahren in
den Puff nach Barcelona, ole ole" wird von Alois abgelehnt. Schade,
er haette gut in das dargebotene Medley deutscher Trinklieder
von "Herzilein, du sollst nicht traurig sein" ueber "Karamba,
Karacho, ein Bier" bis hin zur "Laengste Theke der Welt" gepasst.
Die Chinesen achten eh nicht auf den Text, solange sie sich in
einer Polonaese durchs Zelt schlaengeln und dabei phonetisch
halb korrekt mitsingen koennen.

Annerkennend muss ich bemerken, das wenigsten der "Anton aus Tirol"
an diesem Abend nicht ausgepackt wurde. Mit international bekannterem
deutschem Liedgut von "Summer of 69", "Simply the best" und irgendwas
von den Vengaboys demonstrieren "Die Notenhoblers" ihre ganze musikalische Spannweite. Alles in allem eigentlich genauso, wie ich mir ein echtes
Oktoberfest in Muenchen vorstelle.

Seltene Naturschauspiele: Sonntagspicknick in der Stadt
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Regelmaessig am jeden Sonntag fallen Horden von Indonesierinnen
wie die Lemminge ueber den Hongkonger Stadteil Central her. Nur
Frauen, keine Maenner. Am Montag ist der Spuk vorbei und die Gaeste
verschwinden wie von Geisterhand genauso heimlich, wie sie gekommen
sind.

Gleichzeitig beeindruckend und raetselhaft ist neben der wirklich grossen
Anzahl von ploetzlichen Gaesten ihr Verhalten: In Gruppen von 4-8 Personen
sitzen sie auf dem Asphalt, auf Zeitungen oder mitgebrachten Decken.
Wie beim einem Picknick in einem Park lesen sie Zeitungen, essen
mitgebrachte oder gekaufte Speisen, kaemmen sich die Haare, zeigen sich
Photos von Familienangehoerigen oder popeln einfach in der Nase. Seltsam
ist, das sie die zahlreich vorhandenen Parks und Gruenflaechen (also Orte,
wo man dieses Verhalten erwarten wuerde) konsequent meiden wie der
Teufel das Weihwasser.

Sie belegen alle freien Flaechen des Stadteils - nie Grass oder Natur,
sondern setzen sich nur auf Beton oder Asphalt. Im Schatten sitzen
sie zu hunderten unter Autobruecken waehrend ueber ihnen der
Verkehr donnert oder neben einer Baustelle auf einer abgesperrten
Strasse waehrend neben ihnen der Asphalt aufgerissen wird.
Auch auf Nachfrage bleibt mir der Grund fuer dieses seltsame
Kollektivphaenomen schleierhaft. Vielleicht gibt es in Indonesien
zwar viel Natur, aber keine Strassen, Beton oder Asphalt? Aber
warum lassen sie maennliche Familienangehoerige dann zu Hause
- die wuerden sich doch bestimmt auch darueber freuen. Es ergibt
einfach keinen Sinn. Der Reisefuehrer macht auf das Phaenomen
aufmerksam, kann aber auch keine Erklaerung anbieten.

Freizeitgestaltung und weitere Reiseplanung
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Einen Besuch wert ist der hiesige Freizeitpark "Ocean Park".
Die Fahrattraktionen sind direkt auf den Klippen ueber dem
chinesischen Meer gebaut. Ein Looping ueber einem Kliff und
tief unten tosendem Meer laesst sich im Safaripark
Stukenbrock einfach nicht realisieren. Schoen ist auch der 50m
Freifallturm. Bei der ersten Benutzung denke ich wirklich, ich
wuerde in Meer fallen. Was dann aber doch nicht passiert, und
so kann ich mir noch einmal in einem Gehege ein paar Pandas
anschauen. Diese liegen faul und braesig in der Sonne und
wirken etwas gelangweilt, was ich ihnen bei den sommerlichen
Temperaturen auch nicht veruebeln kann. Aehnlich wie in
Neuseeland: Dort sind die Kiwis in freier Wildbahn so selten,
dass man dort auch in einen Park gehen muss, wenn man sie
sehen moechte. Oder in ein Museum, wenn man die tote
ausgestopfte Variante bevorzugt.

Der heutige Trip in die Stadt Macao hat sich vor allem wegen
der Bootsfahrt gelohnt. Die 45 m lange Katamaranfaehre sieht
aus wie ein riesiger Mantarochen, legt mit 46 Knoten einen
Affenzahn aufs Parkett und bringt einen in einer Stunde ins
60 KM entfernte Macao. Dabei ist es in der Faehre so ruhig
und leise, dass es einem nicht so vorkommt, als ob man in
einem Schiff sitzt. Kein Schaukeln, keine Wellen. Die Kotztueten
in den Sitzen dienen ausschliesslich Zwecken der Dekoration.

Benoetigt wird ein Reisepass, denn wie gestern mit
frischem Vietnamvisum aus der Botschaft abgeholt
hatten. Skurill: Am Morgen reist man aus Hongkong aus,
bekommt ein Macao-Visa bei der Ankunft - nur um dieses
Stunden spaeter am Abend wieder gegen ein
Hongkong-Visum einzutauschen. Welches wir ab morgen
nicht mehr brauchen, wenn wir Hongkong in Richtung China
in die Stadt Guilin verlassen werden. Noch eine Woche Natur
und Abgeschiedenheit bevor es uns nach Vietnam verschlaegt.

Mit seinen 600.000 Einwohnern kommt Macao schon fasst einem
Kulturschock gleich. Das letzte Mal war ich vor anderthalb Monaten an
einem Ort mit weniger als einer Million Einwohnern. Die portugisischen
Wurzeln sind gut zwischen den Hochhauesern versteckt und bilden
einen architektonisch reizvollen und sehenswerten Kontrast. Mediterran
auch das Fortbewegungsmittel: Keine Fahrraeder sonderns Mopeds.
Ich komme mir vor wie in Rom oder Italien. Lecker auch die Kueche -
ausnahmsweise mal nicht etwas mit Reis. Und lecker Knoblauchbrot, wie
ich es selber nicht besser machen koennte.

Schill verlaesst Hamburg
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Mit grosser Freude habe ich die Nachricht vrnommen, dass Schill
sein Wahlversprechen einloest und ein One-Way Ticket nach
Kuba geloest hat. Nur zu frueh freuen sollte man sich nicht!
In Kuba wird er Diego Maradonna Disziplin beibringen und diesen
wieder fit machen - um ihn dann zum HSV zu transferieren. Beide
werden also in absehbarer Zeit wieder in Hamburg sein. Und auf
seine alten Tage wird Diego Maradonna dann den entscheidenden
Treffer am letzten Spieltag zum 1-1 Spielstand im Heimspiel gegen
Wismut Aue erzielen und dem HSV damit den Klassenerhalt
und ein weiteres Zweitliga Jahr sichern. Bis dahin ist dann Pauli
wieder aufgestiegen und wir duerfen uns in drei Spielzeiten wieder
auf zwei Derbys freuen. Diesesmal wird Schill jedenfalls kein
Alkoholverbot verhaengen koennen.

Schoene Gruesse aus Hongkong!

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