26.10.04

Guilin & Yangshao: Good night china, good morning vietnam

Vorweg: Wegen Restriktionen des Internets
in China schreibe ich meine Berichte per Mail.
Die Formatierung im BLOG kann ich so leider
nicht einsehen. Der geneigte Leser habe ein
Einsehen, bevor er sich ueber den unleserlichen
Flattersatz beschwert. Sobald ein voll
funktionstuechtiges Internet verfuegbar ist,
werde ich nachtraeglich die letzten Berichte
(bei Bedarf) per Hand leserlicher formatieren.

GUILIN 2
++++++

Im Vergleich mit den letzten Absteigen ist
unser Hotel in Guilin, was Sauberkeit und
Groesse angeht, ein First Class Hotel
(wenngleich es vom Preis her zurecht in
der Low Budget Kategorie im Reisefuehrer
gelistet wird). Auch das Thema Sicherheit
wird diesmal gross geschrieben. Direkt neben
unserem Zimmer befindet sich der Zugang
zur Feuertreppe, dieser wird Abends mit
einem Fahrradvorhaengeschloss verriegelt,
damit kein boeser Bube sich unbemerkt
Zugriff zu den Hotelraeumlichkeiten verschafft.
Der Seelenverkaeufer in Hongkong, in dem
wir abgestiegen sind, besitzt den Luxus
einer Feuertreppe gar nicht, weshalb er
im Reisefuehrer nicht erwaehnt wird.

Seit Monaten koennen wir ausserdem
einmal wieder anstaendig Fernsehen
schauen. Neben Kanaelen in chinesischer
Sprache wird auch ein englisch sprachiger
Kanal in das Kabelnetz eingespeist.
Dieser ist, was Aufmachung und
Themenauswahl angeht, am ehesten mit
NTV zu vergleichen. Live uebertragen wird
Abends das Premier League Spiel Arsenal
London gegen Manchester United.
Spannendes Spiel, da es auf dem chinesisch
sprachigen Kanal laeuft stoert uns auch der
unverstaendliche Kommentar nicht weiter.
Direkt im Anschluss zu spaeter Stunde gibts
zu Markus's Freude ausserdem das Formel 1
Rennen in Brasilien. Motorengeheul wiegt
mich sanft in den Schlaf.

Beim zappen auf den chinesischen Kanaelen
entdecken wir die chinesische Variante von
"China sucht das Supermodel". Ich bin froh,
das ich nicht in der Jury dieses Wettbewerbs
sitze, denn die Aktricen sehen durch die Bank
gleich aus. Ihrer Choreographie animiert mich
jedoch beim Besuch eines fuerchterlichen
Tanzschuppens am selben Abend. Rockmusik
ist in Guilin ein Fremdwort.

Schoen ist die Zusammenfassung einer
"Bauernspiele 2004" genannten
Sportveranstaltung. Hier proben die
Chinesen schon kraeftig fuer die Ausrichtung
der naechsten olympischen Spiele 2008
in Beijing. In paraolympischen Disziplinen
wie 100m Wassereimerlaufstafette,
Sellerieweitwurf oder Tauziehen zeigen
chinesische Bauern, was sie so auf dem
Feld in Ausuebung ihrer taeglichen Arbeit
gelernt haben. Das gute Abschneiden
chinesischer Sportler bei den olympischen
Spielen wundert mich angesichts
derartiger profesioneller Sichtungswettbewerbe
nicht. Doping kommt in diesem sponsorenfreien
Wettkampf nicht vor.

Neuerungen im Taxibusiness sind neben Frauen
als Taxifahrerinnen auch die Motorradtaxen.
Neben den Volkswagen Derbys und Santanas
lungern sie an wichtigen Verkehrskreuzungen
herum und warten auf Kundschaft. Einen
Taxameter haben diese Gefaehrte nicht
eingebaut, den Preis der Befoerderungsdienstleistung
verhandelt man vor der Fahrt. Fuer den Fahrer und
den potentiellenFahrgast sind immer zwei
Motorradhelme an Bord. Bevorzugt werden gelbe
Bauarbeiterhelme oder olivgruene Stahlhelme aus
Bestaenden der Nationalen Volksarmee verwendet.

Ein letztes Mal versucht der Touristenfuehrer
Mike, den ich schon im letzten Bericht erwaehnte,
eine seiner touristischen Dienstleistungen bei
uns an den Mann zu bringen. Er laesst eine
Freundin Mickey einen Liebesbrief schreiben,
welcher eines Abends bei der Rueckkehr ins
Hotel zugestellt wird. Das auf englisch an
"Dear Doelfer" adressierte Schreiben erweckt
stark den Verdacht eines vorgefertigten
Serienbriefs und laesst es an Individualitaet
fehlen. Nach eigenem Bekunden handelt es
sich bei Mickey um ein "super sexy chinese
cowgirl", welches hauptsaechlich auf Bands
wie Backstreet Boys, Aqua und Britney Spears
abfaehrt. Musikgeschmack und Wortwahl lassen
einen starken MTV Konsum und ein Alter um die
20 vermuten. Mickey hatte schon den ganzen
Nachmittag gewartet und wuerde sich nun ueber
eine Kontaktaufnahme freuen. Damit dabei nichts
schiefgeht, hinterlaesst sie neben postalischer
Anschrift ihre Telefonnummer, eMail Adresse und
diverse Chatnicknames. Wir verspueren jedoch
kein gesteigertes Verlagen, Kontakt zu ihr
aufzunehmen. Unbeantwortet bleibt so die Frage,
wieso eine Chinesin ihren Namen mit Mickey
uebersetzt. In meinen Augen ist dieses ein
typischer Maennername: Mickey Mouse, Mickey
Rourke, etc. Vermutlich hat Mike diesen
Uebersetzungsfehler verbockt, von ihm sehen
und hoeren wir zum Glueck seit dieser erfolglosen
SPAM Aktion nichts mehr.

Neben den bereits erwaehnten Huegeln sind
Bootstouren und Hoelenbesichtigungen die
touristischen Hauptattraktionen in dieser Stadt.
In bunten Prospekten wird mit Prominenten,
welche diese Anlagen bereits vor uns besucht
haben, geworben. Nachdem die Hoehlenfuehrerin
des Monats September hoechstselbst unsere
Eintrittskarte fuer die "Rote Floetenhoele"
entwertet hatt begeben wir uns mit den
Hoelenfuehrern ins Dunkle auf die Spuren von
Deng Ziapong, Johannis Lau und Richard Nickson
(O-Ton der Broschuere, keine Tippfehler),
welche vor uns diese Anlage besucht haben sollen.
Ein weiterer Tick: Ueberall wird mit ISO 9001 / 14001
Zertifizierungen geworben. Qualitaetssicherung bei
Uebersetzungen ist offensichtlich kein Bestandteil
dieser Standards.

Die Hoehlenfuehrung erinnert mich stark an den Film
"Lost in Translation": Zunaechst wird jede Attraktion
auf chinesisch in epischer Breite minutenlang erlaeutert
- dieses Tropfsteingebilde sieht aus wie ein Affe,
jene wie ein Drache, der Affe nimmt sich folgenden
Speer und jagd den Drachen in den Brunnen dort
drueben usw. Nach der chinesischsprachigen ist ein
englischsprachiger Hoelenfuehrer dran. Den Monolog
seiner Vorgaengerin fasst er kompakt mit "Da ist nen
Affe und ein Drache zu sehen, now follow me"
zusammen. Schoen ist eine rot und gelb angestrahlte
Felsformation, welche mit viel Phantasie der Skyline
von Hongkong entsprechen soll. Mir fehlt diese, mit
viel Anstregung vermag ich bestenfalls die Skyline
von Hongkong nach einem atomaren Erstschlag
erkennen. Bei vielen Felsformationen bleibt der
fade Beigeschmack, dass Drogen im nicht
unerheblichen Umfang bei der Namensgebung und
Geschichtenfindung eine Rolle gespielt haben (nicht
zuletzt wegen der Farbgebung tippe ich auf LSD).

YANGSHUO
++++++++

Eine Flussfahrt bringt uns ins 60 km entfernte
Yangshuo. Diese beeindruckende Reise schlaegt
den Yangtze Trip um Laengen. Bei der Buchung
der Tickets besteht Markus darauf, auf ein Boot
mit chinesischen Touristen zu kommen
("We want a chinese boat!"). Dieses macht die
Sache billiger und ausserdem eine Menge Spass.
Wir hinterlassen etwa 20 Gruppenbilder
("Chinesen neben zwei Europaeern vor der
Felsformation schreiender Tiger") auf unzaehligen
chinesischen Fotoapperaten als wir den Kahn
verlassen. Von den spaeter gemachten
"Englischklasse mit Europaern" und "Nancy, Nina
und Joerg beim Sonnenuntergang auf dem
Solitary Hill" gebe ich auch Mal meine eigene
Kamera aus der Hand - sonst glaubts spaeter
wieder niemand.

Yangshuo ist fuer chinesische Verhaeltnisse,
was die Groesse mit etwa 300.000 Einwohnern
angeht, fuer deutsche Verhaeltnisse ein Kaff
der Groessenordnung von Pivitsheide V.L.
Wegen seiner relativen Abgeschiedenheit
ist es aber vor allem bei Touristen beliebt.
Wer schon einmal in Neuseeland war: Wenn
man Queenstown nach China transferiert,
Angebote wie Bungee Jumping und Rafting
aus dem Katalog herausstreicht und durch
landestypische Attraktionen wie
Kormoranfischen und Bambusflossen ersetzt,
braucht man diesen Ort nur noch Yangshuo zu
nennen und hat eine fast identische 1:1 Kopie.

Tagsueber werden Horden von Touristen durch
die West Street geschleust und ueberall wird
derselbe Ranz an Souveniers angeboten (Originell:
Ein T-Shirt mit dem Konterfei von George W. Bush,
die Amerikaner bevorzugen aber eher Mao).

Abends ist in den Lokalitaeten die Hoelle los.
Vielleicht trifft diese Beschreibung aber eher
fuer das Wochenende zu - am Montag scheint
sich das Nachtleben eine Auszeit zu goennen.
Die West Street laesst sich somit am Besten
mit der Schinkenstrasse in Mallorca vergleichen
(ein gewagter Vergleich, denn auf mallorkinischen
Boden habe ich bisher noch keinen Fuss gesetzt).
Mickey Krause und Juergen Drews haben hier
jedoch ihre Claims noch nicht abgesteckt.
Muede geht es daher in der "Kiss Bar" zu.
Zeitgenoessiche Fassungen von alten Falco-Hits
werden zu Gehoer gebracht. GoGo Girls/Boys
versuchen, dem in sehr uebersichtlicher Anzahl
erschienen Publikum einzuheizen und zum Tanzen
zu animieren. Was fuer ein Bums: Zunaechst
verpissen sich die Taenzer und dann der DJ -
vermutlich, weil auch sie die Musik im Laden
scheisse finden. Wir trinken unser Bier und
spielen Kniffel.

Unsere Zelte haben wir in "Lisa's Restaurant
and Hostel" aufgeschlagen. Die Cheffin Lisa
kann einige von deutschen Touristen
aufgeschnappte Brocken Deutsch. Sympathisch
daran: Ueber das uebliche "Bitte", "Danke"
und "Guten Morgen" hat man ihr auch
beigebracht, auf Deutsch zu fluchen. Die Raeume
sind billig, sauber und frisch renoviert. Nur eine
einzige Kakerlake verirrt sich zu uns. Sie wird auf
dem im Schachbrettmuster schwarz und weiss
gefliessten Badezimmerboden auch nur dehalb
sichtbar, weil sie den falschen Zug gemacht und
eine (ihr optisch Schutz gebende) schwarze Fliese
verlassen hat. Auf der weissen Kachel, sichtbar
wie auf einem Praesentierteller, lasse ich sie
am Leben.

Mit dem Zugfahren ist es nun erst einmal vorbei.
Morgen gehts (hoffentlich erfolgreich) mit dem
Bus nach Vietnam.

ALLGEMEIN
++++++++

Zuletzt ein praktischer Tipp fuer Chinreisende:
Lasst euer E-PLUS Handy getrost zu Hause.
Gegenueber den D-Netzen ist ausser in Beijing
und Hongkong fuer E-PLUS kein Empfang zu
bekommen. Auch Zugriff auf ein GMX Mailaccount
gibt es im Reich der Mitte nicht - web.de funktioniert
hingegen fehlerfrei.
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23.10.04

Markus Altekruegers Bericht aus China: Federvieh- und Krebsleiden

Ni hao,

da ich mich lange nicht mehr gemeldet habe, hier eine
geraffte Zusammenfassung aus China, dem Land,
welches sich nicht mehr lange damit abgeben wird,
uns die Turnschuhe zusammen zu kleben.

GRENZE MONGOLEI-CHINA (23.09.04)

Die Chinesen begrueszen uns bei Einfahrt in den
Grenzbahnhof herzlich. Dutzende Soldaten stehen
am Bahnsteig Spalier und empfangen uns mit
unserer Nationalhymne. Allerdings haben sie sich
im Regal vergriffen und so laeuft statt der deutschen
die chinesische, gefolgt von “Let it be” von den
Beatles, ein charmanter musikalischer Hinweis der
Zollbehoerden rechtzeitig VOR den Personen- und
Gepaeckkontrollen.

Als erstes fallen die laengs der Bahnstrecke
angebrachten Losungen der Staatsfuehrung auf,
wie man sie noch aus der DDR kennt.
Informatik-Genie Joerg bastelt behende aus
Taschenrechner und ausgelutschtem
Schwarzteebeutel einen 1A-Uebersetzungscomputer,
der die chinesischen Schriftzeichen in sinnhaftes
Deutsch transferiert. Es offenbart sich das uebliche
Gewaesch von gestern (“Unser Bruderbund mit
Nord-Korea – die Quelle unserer Kraft”). Da die
Parteifuehrung weisz, dasz zu Zeiten des
gesellschaftlichen Wandels der Bevoelkerung
diese Sprueche zum Hals raushaengen, muss
nach 16 km Wandspruechen die Ernsthaftigkeit
mit der Losung “Trampel nicht auf den Losungen
der Partei herum wie auf Federvieh” noch einmal
unterstrichen werden.

MAO

Mao wird hier nach wie vor wie ein Heiliger verehrt;
wir muessen uns zwangslaeufig mit seiner Person
befassen - allein schon, weil Maos Visage jeden
Geldschein und in Peking jede Straszenecke ziert
– und stellen fest, was fuer ein weitsichtiger
Pragmatiker er war. Bezueglich eines Atomkrieges
stellte der Lausbub die verblueffend einfache These
auf, dasz zwar die Haelfte der Menschheit enden
wird wie zertrampeltes Federvieh, man aus dem
ueberlebenden Rest aber prima neue Menschen
im kommunistischen Geiste machen kann!

Die Rolle der Frau umreiszt der Schlingel gekonnt
mit dem Hinweis darauf, dasz sich der Mann drei
Gewalten zu unterstellen hat (Partei, Luft, Erde),
die Frau jedoch deren vier, wobei die vierte der
Mann ist. Sind einfache Rezepte nicht auch wieder
in Deutschland gefragt?

PEKING (24.09.-03.10.)

Wer von Euch sich als Mittelpunkt der Welt sieht,
liegt falsch; auch ich musste meine Meinung
revidieren. Tatsaechlich ist Peking der Mittelpunkt
der Welt, und hier insbesondere die Verbotene Stadt
am Tian-an-men-Platz (unter seinem Pseudonym
"Platz des Himmlischen Friedens" seit 1989 aus Funk
und Fernsehen bekannt). Der Sage nach hat dieser
Tempel nicht weniger als 9.999 Zimmer + Kueche,
Bad! Da sich die praktizierenden Moenche permanent
mittels Raeucherstaebchen in ein Paralleluniversum
katapultieren, sind es gar gefuehlte 20.000 Raeume.

Auf den Pekinger Straszen und insbesondere am Platz
des Himmlischen Friedens regiert das Militaer, welches
stets in ausreichender Menge vorhanden ist; wird's
personell eng, werden kurzfristig 500 Quadratmeter
dazu gestellt. Dabei agieren die Soldaten als besorgte
Dienstleister der Touristen, denen die chinesichen
Schriftzeichen uebersetzt werden. So werde ich
innerhalb von Sekunden darauf aufmerksam gemacht,
dasz man in einer Fuszgaengerunterfuehrung nicht
stehen bleiben darf, auch dann nicht, wenn man einen
Stadtplan in der Hand haltend offensichtlich den
richtigen Ausgang sucht. Einwaende werden mit
dem Satz “Ja sprech ich denn chinesisch?!”
hinfortgewischt wie zertrampeltes Federvieh.

Ein Erlebnis der besonderen Art versprechen wir uns
vom Besuch des unterirdischen Wegenetzes, welches
Mao zum Schutz der Bevoelkerung vor einem
atomaren Angriff hat errichten lassen. Mehr als
6.000 km Laenge soll dieses Tunnelsystem haben,
dessen Waende mit abschreckenden Fotografien
geschmueckt sind; so zieren Bilder von Panzern,
Kreuzern, Atomraketen und Otto Schily mit Helm
und Knueppel die Betonwaende.

Hoehepunkt des Rundgangs ist die Besichtigung einer
riesigen unterirdischen Seidenbettuchfabrik. Nachdem
wir ganze fuenf Minuten durch das Tunnelgewirr
gehetzt wurden (6.000 Kilometer!), nehmen wir auf
einmal live an der 20 minuetigen commercial
presentation teil, die immer mitternachts auf Eurosport
laeuft. Zunaechst erhalten wir tiefen Einblick in den
Produktionsprozess, erfahren alles ueber die
waermenden Eigenschaften der Seidendecken und
duerfen letztlich mit vereinten Kraeften versuchen,
den Stoff zu zerreissen. Keine Chance. Wir sind
beeindruckt und lassen uns jeweils 38 Quadratmeter
Seidendecken mit Fuellung aufschwatzen.

Nach taeglich 8-10 Fotoshootings mit Einzel-, Gruppen-,
Familien- Jung- und Altchinesen sind wir abends immer
ziemlich im Arsch. Mein Kinn, dessen Bart mehrmals
taeglich auf Echtheit geprueft wird, bade ich dann in
einer Kamillenteeloesung. In Anbetracht der Tatsache,
dass 650 ml Bier in unserem Hostel 18 ct kosten, faellt
die Regeneration denkbar leicht. Und zum ersten Mal
seit langer langer Zeit spueren wir wieder feste Musik
unter unseren Fueszen: Auf einem Musikfestival
(4 Tage, Eintritt pro Tag ca. 1 EUR) tritt u.a. die
China-Ausfuehrung von Rage against the machine auf.
Nach all dem Bohlen- und Frank-Farian-Geplaerre bis
Ulan Bator schafft unsere Reise nun endlich ihre
musikalische Wende.

Wer einen VW Jetta mit Klarglasscheinwerfern sehen
moechte, sollte die Reise nach Peking nicht scheuen.

JANGTZE-FLUSSFAHRT (04.-07.10.)

Da wir uns bei den zu zahlenden Schmiergeldern voellig
verkalkuliert und zu viel Kohle in der Tasche haben,
buchen wir eine Flusskreuzfahrt auf dem Jangtze.
Wir merken schnell, dasz wir in Chongqing den
lausigsten Kahn des Kontinents erwischt haben,
werden wir doch von allen anderen Fahrzeugen
ueberholt und wie zertrampeltes Federvieh links
liegen gelassen. Und waehrend die Gaeste der
anderen Kreuzfahrtschiffe abends die Moeglichkeit
haben, in bester Fritz-Wepper-Manier an den
Gestaden des Jangtze die Puffpreise kaputt zu
machen, muessen wir nachts durchfahren und
Zeit aufholen. Dafuer werden wir und die 4
anderen erwartungsfrohen Gaeste in der
schwitzigen Schiffsdisko Abend fuer Abend von
den Mitarbeitern des Schiffes mit einem einmaligen
Entertainment-Programm entschaedigt: Da es den
Offizieren und Mannschaften offenbar an Kabinen
mangelt, schlafen die einen auf den Sofas der Disko,
waehrend die anderen gelangweilt ihre
Karaoke-Kuenste darbieten und darauf warten,
dasz wir Gaeste ein weiteres Fauteuille zum
Schlafen frei machen. Wir scheren uns darum wie
um zertrampeltes Federvieh und bleiben sitzen.

Tagsueber faellt uns als einzigen Nicht-Chinesen
auf dem Deck automatisch die Aufgabe zu, uns um
die zahlreichen kleinen Chinesenkinder zu kuemmern.
Klare Sache, dasz wir uns deren Namen nicht merken
koennen und ihnen daher einfachere, wohlklingende
Teutonennamen ueberstuelpen. Den dicken Jungen
nennen wir Otto, andere heiszen Heinz, Karl und Erna,
was einige auch schnell kapieren. Die Eltern sind froh,
mal Ruhe zu haben und wir werden im Gegenzug mit
Fruechten, Keksen und Chips eingedeckt.

Die Tour auf dem Flusz ist ziemlich beeindruckend.
Beidseitig ragen mehrere hundert Meter hohe Felsen
empor, mal ist der Flusz kilometerbreit, dann zwaegt
sich die rotbraune Bruehe durch 50 Meter breite
Schluchten. Wenn die letzte Ausbaustufe des
3-Schluchten-Dammes fertig gestellt ist, wird sich der
Wasserspiegel um weitere 40 Meter heben. An den
Ufern sind alle Nase lang Schilder aufgestellt,
die den endgueltigen Wasserstand markieren und
es ist gespenstisch, bei Landgang durch verfallende
und bereits verlassene Stadtteile zu gehen.

Hinter dem 3-Schluchten-Damm (5 Schleusenkammern,
80 Meter Hoehenunterschied) war dann Feierabend;
die gesamte Tour ueber 3 Tage/3 Naechte hat
uebrigens 27 EUR gekostet.

WUHAN... (07.-08.10.)

... ist eine dieser vielen chinesischen Millionenstaedte,
die bei uns niemand kennt. Gerade das Viertel, in
dem sich unser Hotel befindet, ist ein bisschen
rattenverseucht, aber mit dem richtigen Schuhwerk
macht das nix. Die Buergersteige, ausgezehrt vom
endlosen Droehnen der Presslufthaemmer, machen
einen sehr verschuechterten Eindruck und werden
wohl bald ihr Glueck in einer der Kuestenstaedte
suchen, wie z.B. ...

... SHANGHAI!!!!! (09.-15.10.)

Zurecht mit !!!!!! Was hier abgeht ist der totale
Wahnsinn. Die Skyline veraendert sich taeglich,
an allen Ecken entstehen gigantische Hochhaeuser,
7 U-Bahnlinien sind mal eben im Bau und zwei
vorgelagerte Inseln werden gerade zum
groeszten Containerhafen der Welt umgestaltet
und mit einer 40 Kilometer langen Bruecke mit
dem Festland verbunden. In drei Jahren sind die
beiden hoechsten Buerogebaeude der Welt fertig,
und ob es dann noch das alte, zentrale Viertel mit
den weniger Betuchten geben wird, in dem ich mich
abends mit den Bauarbeitern zum Essen treffe,
ist fraglich.

Aber in dieser Stadt kann es jeder schaffen. Bestes
Beispiel ist der abgehalfterte Pornostar, der unter
seinem Kuenstlernamen “King Long” eine Busfabrik
eroeffnet hat und Marktfuehrer geworden ist.

Militaer, wie wir es aus Peking kennen, ist nicht
anzutreffen. Der Unterschied wird wohl am
deutlichsten, vergleicht man die Ikonen der
beiden Staedte und ihre Aussagen, die in
groszen Lettern an zentralen Orten prangen:

- Mao tritt fuer Peking an:
“Arbeite, arbeite, arbeite, und die Partei wird es dir danken.”

- Bo Derek (sic!) tritt fuer Shanghai an:
“Whoever said money can't buy happiness simply didn't know
where to go shopping.”

Was soll man da noch sagen?

Fuer 5 EUR kann man eine Fahrt auf der einzigen und
unsinnigsten Magnetschwebebahntrasse der Welt
machen: Auf der gerade mal 30 Kilometer langen
Strecke zum Flughafen faehrt der Transrapid ganze
40 Sekunden mit Hoechstgeschwindigkeit 431 Sachen
und hat nach 8 Minuten bereits das Ziel erreicht.
Macht Spasz, aber auf dieser Referenzstrecke haette
es auch eine S-Bahn getan, in die man danach sowieso
umsteigen muss, um ins Zentrum zu gelangen. Und
damit auf dem Papier die Auslastung stimmt, wird jede
chinesische Schulklasse 3 mal taeglich durchgeschleust.

Handgrosze Krebse sind in China eine Delikatesse und
ganze Familien fahren an die Kueste, um fuer daheim
einzukaufen. So passiert es, dasz wir auf der
24-stuendigen Bahnfahrt von Shanghai nach Hong Kong
anfangs das Abteil mit 4 Mitreisenden und ca. 80 in
einem Beutel eingenetzten Krebsen teilen. Die Tiere
sollen der Frische wegen lebend ankommen, weshalb
die Frau permanent den Gesundheitszustand im
2-Stufen-System ueberwacht. Schlecht ist's, wenn die
Tierchen beim Klopfen auf den Rueckenpanzer
keine Reaktion zeigen. Hoffnungslos, wenn sich auch
beim Ausdruecken den Augen keine Regung zeigt.
Ruehrend!

HONG KONG (16.-21.10.)

Wer wissen will, was Hong Kong ist ohne es sich vor Ort
anzusehen, sollte die folgende wissenschaftliche Simulation
starten.

Versuchsaufbau

1. sich selbst in einen LSD-Rausch versetzen

2. sich mit 5.000 anderen in die Vegas World Reeperbahn
zwaengen

3. dort psychedelische Mucke bis zum Anschlag aufdrehen

4. sich selbst den Auftrag erteilen, in der Vegas World
Margarine zu kaufen

- das ist Hong Kong.

Da wir stets die Gefahr suchen, haben wir uns eine
Unterkunft im Guesthouse im 12. Stock der Miramar
Manison in Kowloon genommen. Selbst der
hartgesottene Reisefuehrer, der auch sonst nicht vor
einer Empfehlung der dreckigsten Loecher
zurueckschreckt, raet davon ab (Verfall, Brandschutz
unbekannt, keine Fluchtwege etc.). Wir wischen
unsere Bedenken hinfort wie zertrampeltes Federvieh,
denn immerhin leuchtet an der Fassade der Schriftzug
"de Luxe Hotel", der Trabant trug diesen Beinamen
ja auch.

So falsch kann unsere Entscheidung aber nicht sein,
zieht das Guesthouse neben Geldadel (uns) auch
internationales Blaublut an: Der Sohn des Kaisers
von Swaziland, von Kopf bis Fusz in praechtiges
Krokoleder gekleidet, wohnt im Nebenraum und
hat seine liebe Mueh' mit der Regenbogenpresse.
Als wir im Erdgeschoss aus dem Aufzug steigen,
faellt ein Blitzlichtgewitter ueber uns herein und
ich bin wohl in einer der naechsten Afrika-Ausgaben
der Gala zu bestaunen.

Einsam wird es im Hotel auch sonst nicht, denn
allerlei Kleingetier tummelt sich auf dem Kachelboden.
Am lustigsten sind die Kakerlaken anzuschauen,
wenn sie mit den Hello-Kitty-Profilaufklebern, die
wir bei jedem Einkauf bei 7 eleven gratis
erhalten und ihnen auf die Rueckenpanzer
schnallen, durch's Zimmer flitzen. Danach trampeln
wir auf ihnen rum wie auf - naja, ihr wisst schon.

Wir sind zur richtigen Zeit in Hong Kong:
Das "Marco Polo German Bierfest 2004" laeuft!
Loewenbraeu, Lufthansa und TUEV Sued Hong Kong
haben sich nicht lumpen lassen und fuer viel Geld
"Die Notenhoblers" aus dem deutschsprachigen Raum
eingeflogen. Bei Preisen von 10 EUR je Masz bieten
sie einen repraesentativen Querschnitt durch unser
deutsches Liedgut: Fadder Abraham (Holland) mit
den Schluempfen auf englisch, urdeutsches
Alpenhorngedudel ("Tina blaest das Horn in China")
und unverzichtbares bayrisches Hofbraeuhausgeschunkel.
Den Alphornblaswettbewerb der Damen reichern die
Notenhoblers hochprofessionell mit schluepfrigen
Spruechen an ("Here I have a pretty lady to blow
my horn and she doesn't know how") und peitschen
140 unschuldige Chinesen wie zertrampeltes
Federvieh in einer Polonnaise durch Bierzelt.

Deutsche Kultur wird auch beim Deutschen Filmfestival
in Hong Kong zelebriert. Endlich haben wir uns den
Streifen "Gegen die Wand" angesehen mit schoenen
Bildern aus der Thadenstrasze, der Fabrik und
St. Pauli Nord. Bei uns entfachen sich
Begeisterungsstuerme, als wir in einer Szene einen
Kasten Astra vor dem Schild "Blumenkohl 1,99"
entdecken. So was wird der Chinese nicht in
1.000 Jahren hinbekommen.

Der Besuch in Hong Kong hat sich gelohnt. Bei einem
der vielen orientalischen Schneider habe ich mir zu
einem Spottpreis ein Fellcashmeresakko in
bordeauxrot, ein Eiweiszhemd sowie passende
Krawatte maszschneidern lassen. Ich habe zwar
keine Ahnung, wo und wann ich das perverse
Zeug tragen soll; da mir in China aber staendig
gelobhudelt wird, welch moderne Kleidung ich
trage (St.-Pauli-T-Shirt, Shorts und Springerstiefel)
vertraue ich auf meinen guten Geschmack.

GUILIN (seit heute)

Nach den Gigantomanien a la Peking, Shanghai und
Hong Kong der letzten Wochen fluechten wir zum
Abschlusz unserer China-Rundreise in das
verschlafene Nest Guilin (1.3 Mio Einwohner). Auch
hier strahlt die Sonne hinter dem smogverhangenen
Himmel mit der Kraft einer abkuehlenden Bratpfanne.
Mal sehen, was sonst geht.

FUER DIE CPM-STATISTIK

markante Marktanteile ausgewaehlter Orte

Moskau: 30% Lada, 30% MB, 10% BMW

Ekaterinburg: 60% Lada

Irkutsk: 75% Toyota

Ulan Bator: 85% Hyundai

Peking: 30% VW Santana

20% VW Santana 2000

10% VW Santana 3000

10% Audi 100

5% Audi A6

Wuhan: 95% Citroen CX !!!
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Guilin

Von Hongkong nach Guilin
++++++++++++++++++

Zurueck in China. Mein Reisepass sieht aus,
als ob er Masern hat - tausende Ein- und
Ausreisestempel (meistens in Rot, manchmal
in Gruen, Schwarz oder Blau) kleistern die
freien Sichtvermerksseiten zu. Platzsparend
wird der Ausreisestempel fuer Hongkong
einfach ueber den Einreisestempel nach
Hongkong und den Ausreisestempel
von Macao - beide vom Vortag - untergebracht.
Fuer die erneute Einreise nach China faengt
der Zoellner eine neue, unverbrauchte Seite
an. Ich selber habe laengst den Ueberblick
verloren.

Bevor wir den Nachtzug nach Guilin von
Guadong besteigen koennen muss erst
noch etwas Zeit totgeschlagen werden.
Ich mache daher das, was ich am besten
kann: Den naechsten Park aufsuchen,
eine ruhige Ecke unter einem Schatten
spendenden Baum aufsuchen, den lieben
Gott einen braven Mann sein lassen und
entspannen. Das klappt in Guadong ganz
hervoragend, denn der Park schlaegt alles
bisher gesehene um Laengen. Angelegt wie
ein Dschungel mit subtropischer Vegetation,
frei fliegenden Schmetterlingen und zirpende
unsichtbaren Insekten neben ebenso
unsichtbaren, aber laut zwitschernden, Voegeln.
Fehlt nur noch, dass sich Schlangen von den
Baeumen abseilen, dann waehre die
Dschungelillusion perfekt.

Beim Fahrt durch die Stadt gerate ich wieder
einmal in die Faenge eines vorgeblichen
Taxifahrers. "TAXI, TAXI" bruellt er mich an,
als ich den Bahnhof verlasse. 20 Euro moechte
er fuer den Transfer durch die Stadt haben,
betont dabei, dass er schnell wie Michael
Schumacher fahren kann. Das kann ja vielleicht
auch hinkommen, da ein regulaeres Taxi
auf derselben Strecke aber fuer sparsame 2 Euro
zu haben ist, willige ich in sein unverlockendes
Angebot nicht ein. Nachdem ich mich 50 Meter
von ihm entfernt habe, ist der Preis schon auf
10 Euro gesunken, auf feilschen habe ich heute
aber keine Lust.

Handys sind hier, wie auch in Deuschland, bei
jung und alt gleichermassen beliebt. Bisher habe
ich aber nocht nicht herausbekommen koennen,
wie man die bis zu 1500 Schriftzeichen
umfassende chinesische Sprache auf die
9 Tasten eines Telefons unterbingen kann.
Eine Loesung fuer dieses Problem muss es geben,
denn auch hier SMSen die jungen Chinesen
bis der Arzt kommt.

Guilin
++++

Guilin war schon immer eine Touristenhochburg.
Glaenzend haben sich Stadt und Infrastruktur hierauf
eingestellt. Preise fuer Filme, Filmentwicklung und
Eintritte zu den Hauptattraktionen liegen vom
Niveau her sogar ueber denen in Peking. Ohne
grosse Muehe findet man aber auch hier guenstige
Unterkuenfte.

Mit 1,3 Millionen Einwohnern ist die Stadt fuer
chinesische Verhaeltnisse ein kleines Kaff - und
tatsaechlich kann man alle wichtige Orte der
Stadt oder Umgebung gemuetlich mit dem Fahrrad
erreichen. Ausserdem ist Guilin die erste Stadt in
China, in der Frauen den Beruf des Taxifahrers
ausueben.

Laestig wie Scheisshausfliegen sind Einheimische,
welche sich sofort auf Touristen als potentielle
neue Kunden stuerzen und einem alles moegliche
zeigen oder verticken moechten. Durch die Bank
sprechen sie gut Englisch, einige glaenzen
ausserdem mit intimen Kenntnissen des deutschen
Fussballs - wissen so zum Beispiel um den hier in
China aktiven Trainer Schlappner und seine
Trainerstationen in Deutschland. Beeindruckenderweise
hoert ihr fussballerischer Horizont nicht bei Rudi Voeller
und Oliver Kahn auf. Holger Stanislawski, dessen
Konterfei ich auf meinem T-Shirt trage, kennen sie
trotzdem nicht. Was aber nicht weiter schlimm ist,
da ihn auch in Deutschland abseits des FC St. Pauli
wohl kaum jemand kennt.

Nach ein bischen Smalltalk, oder etwas weniger
umstaendlich direkt als erste Frage, muenden
Gespraeche frueher oder spaeter in der Frage
"What are your plans? How long do you stay?"
Eine Traube von 5-6 Leuten lauscht der Antwort
um dann Angebote zu machen: Eine
Fahradvermietung ("Private Business!
Very cheap! Follow me! Trust me!"), Tickets fuer
Bus- oder Flussfahrten, ein Stadtplan oder
persoenliche Stadtfuehrung. Am besten ignoriert
man die sich vor einem aufbauenden
Stadtbilderklaerer und umkurvt sie in Slalommanier,
oder gibt an, in wenigen Stunden die Stadt zu
verlassen und schon ein Ticket zu besitzen.

Ein besonders penetranter Vertreter dieser
Gattung ist uns, seitdem wir die Stadt betreten
haben, auf den Versen. Obwohl wir kein Wort
mit ihm gewechselt haben, folgt er unserem
Taxi mit seinem PKW, sprintet neben uns zur
Rezeption und gibt an, uns hierher gelotst zu
haben. Seine intimen Kennnisse ueber unser
Hotelzimmer und die Zeitdauer unseres
Aufenthalts versucht er seitem, Gewinnbringend
einzusetzen. Aus dem Halbdunkel der Lobby
passt er mich auf dem Weg in den Fahrstuhl ab.
Nein, ich brauche kein Fahhrad, keine Tickets,
bin einfach nur muede und suche Entspannung
in einem Nachmittagsnickerchen alleine auf dem
Zimmer. Die Tuer des Fahrstuhls schliesst sich,
ich atme durch und sehe ihn wieder, als sich die
Tuer im fuenften Stock oeffnet.

Geschaeftstuechtig ist er die Treppen hochgesprintet
und hat sich ein auf meine speziellen Beduerfnisse
abgestimmtes Freizeitangebot ueberlegt. Frauen
zur Entspannung koenne er mir in beliebiger Anzahl
auf mein Zimmer holen, ein gratis "special service"
wie er mir augenzwinkernd mitteilt. Ich verzichte
und bin ihn endlich los, als sich Tuer zum Hotelzimmer
hinter mir schliesst. Dafuer weckt er uns heute morgen
mit einem Kontrollanruf, in dem er sich ueber unsere
heutigen Plaene erkundigt. Ich beschliesse, ihm das
naechste Mal, wenn ich ihn treffe, ueber die Nutzlosigkeit
seiner Ambitionen aufzuklaeren.

Hauptattraktion in der Region sind spitze,
zuckerkegelfoermige Bergkegel. Wie Brotkrumen bei einem
Abendbrot, bei dem man auf den Teller verzichtet, sind diese
ueber die Landschaft verteilt (siehe auch http://www.travelchinaguide.com/cityguides/guilin.htm und
folgende Seiten). Am ehesten lassen sie sich mit den
Externsteinen vergleichen. Dort hat die Natur auf Sandstein,
hier in Guilin auf Kalkstein als Baumaterial gesetzt. Auch sind
die Huegel hier mit 150-200m Hoehe groesser als die
Externsteine und in wesentlich groesserer Anzahl vorhanden.
Gemeinsam sind ihnen Inschriften und Grafitti (dort ein
Kreuzabnahme Relief, hier Weisheiten von waehrend der
Ming-Dynastie populaeren Poeten) und das beide nicht
in der UN Liste des schuetzenswerten Weltkulturerbes
auftauchen. Die Form der Felsen regt seit jeher die
Phantasie die Leute an. Sie hoeren auf so schoene
Namen wie "Elefant der im Fluss zur Traenke geht",
"Gefalteter Brokathuegel", "Rote Floetenhoehle" oder
- etwas vulgaer vielleicht, aber nicht minder
phantasievoll - einfach "Wichsender Moench".

Ein paar von diesen Attraktionen werde ich mir nun
anschauen. Auf Berichteschreibe habe ich keine Lust
mehr, seitdem der Saft meines Rechners abgewuergt
wurde und so zwei Stunden Arbeit ins Nirvana
befoerdert wurden. Auch poltern und lautes Fluchen
nutzt da bei der Frustbewaeltigung nicht.
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20.10.04

Hongkong 2

Untermieter
+++++++++++

Weitere Verluste sind zu beklagen: Heute morgen habe
ich Diethelm ins Jenseits befoerdert. Bereits gestern Abend
hat Markus drei andere Kakerlaken erledigt, sich aber leider
nicht deren Namen notiert. Fuer sie blieb daher leider nur ein
anonymes Begraebnis im Muelleimer.

Hier in Hongkong stehen "Hello Kitty" Devotionalien hoch im
Kurs. Wer das nicht kennt: Es handelt sich um eine bei
Kindern sehr beliebte Zeichentrick-Mangafigur. Meistens
kitischig auf rosafarbenen Hintergrund gemalt. Beim Einkauf
in jeder 7/11-Filiale werden "Hello Kitty"-Wackelbilder umsonst
in die Tuete gekippt. Gerne wollen wir sie zur Auszeichnung
unserer Untermieter benutzen: Einfach ein Wackelbild auf ihre
Panzer kleben und dann mit Filzstift den Namen der Kakerlake
draufschreiben. Unsere kleinen Freunde sind so leichter zu
identifizieren und im Dunkeln aufzuspueren, da die Wackelbilder
mit einer reflektierenden Folie ueberzogen sind.

Leider laesst sich dieser geniale Plan nicht in die Tat umsetzen,
da die Kakerlaken zu schnell weglaufen. Vielleicht ist es ihnen
auch einfach peinlich - wenn jemand mich damit bekleben wollte,
wuerde ich auch wegrennen. Gestern Abend kann ich Zeuge der
fantastischen Kletterfaehigkeiten der kleinen Biester werden:
Die durch die Neonreklame auf der Strasse angeleuchte
gekachelte Wand und Decke wird zur Rennstrecke, an welcher
eine Kakerlake herumflitzt, als ob es der Boden ist. Vor dem
Hintergrund der glatten Oberflaeche der Kacheln und der
Tatsache, dass Kakerlaken ueber keine Saugnaepfe verfuegen,
ist das eine beachtenswerte sportliche Leistung.

Oktoberfest
+++++++++

Dem Monat angemessen besuchen wir das von deutschen
Unternehmen wie Lufthansa und Siemens zwecks Kulturaustausch
gefoerderte "Marco Polo German Bierfest". Auf dem obersten
Parkdeck neben dem Marco Polo Luxushotel ist zu diesem Zwecke
ein Festzelt aufgestellt. Zwar war ich noch nicht auf dem
Muenchner Oktoberfest, die Kulisse mit dem naechtlich hell
erleuchteten Hochhauesern von Hongkong im Hintergrund ist
jedoch unschlagbar.

Fuer die Eintrittsgebuehr bekommt man einen
Plastikbierseidel (Fassungsvermoegen 0,5 Liter, nach der Sause
darf man ihn als Geschenk mitnehmen), gefuellt mit Loewenbraeu
Bier. Die Preise fuer weiteres Bier liegen mit 9 Euro pro Liter
auf original Oktoberfestniveau. Zu Essen werden landestypische
Speisen wie Brezen und Sauerkraut mit Schweinshacksen serviert.
Zu Dekorationszwecken sind die Wappen der 11 Bundeslaender
an den Waenden aufgehaengt - von Schleswig Holstein ueber
Hamburg, Niedersachsen bis runter nach Bayern und Baden
Wuertemberg. Wappen der fuenf neuen Laender fehlen komplett, aber
vielleicht habe ich waehrend meiner Abwesenheit auch nur aktuelle
politische Entwicklungen in Deutschland verschlafen und es handelt
sich gar nicht um einen Fehler.

Musikalisch fuehrt die aus Bayern eingeflogene Band "Die Notenhoblers"
durch den Abend. Das zunaechst einzig wirklich deutsche an dieser
Veranstaltung ist der Akzent des Frontmanns Alois wenn er englisch
spricht. "Die Tina blaest in Kina" singt Alois waehrend ein anderes
Mitglied der Band in Strapse, Mieder und Bademantel mit Peruecke
und Schminke als Frau verkleidet auf einem Alphorn spielt. In Hamburg
habe ich schon attraktivere Transen gesehen, allerdings werden diese
wohl nicht so gekonnt diesem Instrument Toene entlocken koennen.
Als Alois vier Chinesinnen auf die Buehne zum Alphornblasen
bittet bleibt das Niveau konstant auf dieser nach Bierfurz stinkenden
Altherrenhumor-Ebene. In den Bereich des Oralsex abgeleitende
Kommentare liegen aber vermutlich auch zu nah, als dass er sie sich
verkneifen koennte. Die mit einem Klatschophon basisdemokratisch
bestimmte Gewinnerin ist uebrigens eine Chinesin mit dem Namen
Lisa (so nennt sie sich jedenfalls selber), welche eine Dauerkarte
fuer diese 7 Tage andauernde Veranstaltung hat und den gereichten
Humpen Bier in beeindruckender Geschwindigkeit leeren kann. Fuer
die Herren der Schoepfung wird ein Melkwettbewerb veranstaltet.

Fuer die chinesischen Gaeste ist der Abend eine Riesengaudi.
Der Ententanz wird daher gleich zweimal gespielt und der
besseren Verstaendigung wegen wird das "Lied der Schluempfe" auf
englisch gesungen. Mein passender Musikwunsch, "Ole, wir fahren in
den Puff nach Barcelona, ole ole" wird von Alois abgelehnt. Schade,
er haette gut in das dargebotene Medley deutscher Trinklieder
von "Herzilein, du sollst nicht traurig sein" ueber "Karamba,
Karacho, ein Bier" bis hin zur "Laengste Theke der Welt" gepasst.
Die Chinesen achten eh nicht auf den Text, solange sie sich in
einer Polonaese durchs Zelt schlaengeln und dabei phonetisch
halb korrekt mitsingen koennen.

Annerkennend muss ich bemerken, das wenigsten der "Anton aus Tirol"
an diesem Abend nicht ausgepackt wurde. Mit international bekannterem
deutschem Liedgut von "Summer of 69", "Simply the best" und irgendwas
von den Vengaboys demonstrieren "Die Notenhoblers" ihre ganze musikalische Spannweite. Alles in allem eigentlich genauso, wie ich mir ein echtes
Oktoberfest in Muenchen vorstelle.

Seltene Naturschauspiele: Sonntagspicknick in der Stadt
++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++

Regelmaessig am jeden Sonntag fallen Horden von Indonesierinnen
wie die Lemminge ueber den Hongkonger Stadteil Central her. Nur
Frauen, keine Maenner. Am Montag ist der Spuk vorbei und die Gaeste
verschwinden wie von Geisterhand genauso heimlich, wie sie gekommen
sind.

Gleichzeitig beeindruckend und raetselhaft ist neben der wirklich grossen
Anzahl von ploetzlichen Gaesten ihr Verhalten: In Gruppen von 4-8 Personen
sitzen sie auf dem Asphalt, auf Zeitungen oder mitgebrachten Decken.
Wie beim einem Picknick in einem Park lesen sie Zeitungen, essen
mitgebrachte oder gekaufte Speisen, kaemmen sich die Haare, zeigen sich
Photos von Familienangehoerigen oder popeln einfach in der Nase. Seltsam
ist, das sie die zahlreich vorhandenen Parks und Gruenflaechen (also Orte,
wo man dieses Verhalten erwarten wuerde) konsequent meiden wie der
Teufel das Weihwasser.

Sie belegen alle freien Flaechen des Stadteils - nie Grass oder Natur,
sondern setzen sich nur auf Beton oder Asphalt. Im Schatten sitzen
sie zu hunderten unter Autobruecken waehrend ueber ihnen der
Verkehr donnert oder neben einer Baustelle auf einer abgesperrten
Strasse waehrend neben ihnen der Asphalt aufgerissen wird.
Auch auf Nachfrage bleibt mir der Grund fuer dieses seltsame
Kollektivphaenomen schleierhaft. Vielleicht gibt es in Indonesien
zwar viel Natur, aber keine Strassen, Beton oder Asphalt? Aber
warum lassen sie maennliche Familienangehoerige dann zu Hause
- die wuerden sich doch bestimmt auch darueber freuen. Es ergibt
einfach keinen Sinn. Der Reisefuehrer macht auf das Phaenomen
aufmerksam, kann aber auch keine Erklaerung anbieten.

Freizeitgestaltung und weitere Reiseplanung
++++++++++++++++++++++++++++++++

Einen Besuch wert ist der hiesige Freizeitpark "Ocean Park".
Die Fahrattraktionen sind direkt auf den Klippen ueber dem
chinesischen Meer gebaut. Ein Looping ueber einem Kliff und
tief unten tosendem Meer laesst sich im Safaripark
Stukenbrock einfach nicht realisieren. Schoen ist auch der 50m
Freifallturm. Bei der ersten Benutzung denke ich wirklich, ich
wuerde in Meer fallen. Was dann aber doch nicht passiert, und
so kann ich mir noch einmal in einem Gehege ein paar Pandas
anschauen. Diese liegen faul und braesig in der Sonne und
wirken etwas gelangweilt, was ich ihnen bei den sommerlichen
Temperaturen auch nicht veruebeln kann. Aehnlich wie in
Neuseeland: Dort sind die Kiwis in freier Wildbahn so selten,
dass man dort auch in einen Park gehen muss, wenn man sie
sehen moechte. Oder in ein Museum, wenn man die tote
ausgestopfte Variante bevorzugt.

Der heutige Trip in die Stadt Macao hat sich vor allem wegen
der Bootsfahrt gelohnt. Die 45 m lange Katamaranfaehre sieht
aus wie ein riesiger Mantarochen, legt mit 46 Knoten einen
Affenzahn aufs Parkett und bringt einen in einer Stunde ins
60 KM entfernte Macao. Dabei ist es in der Faehre so ruhig
und leise, dass es einem nicht so vorkommt, als ob man in
einem Schiff sitzt. Kein Schaukeln, keine Wellen. Die Kotztueten
in den Sitzen dienen ausschliesslich Zwecken der Dekoration.

Benoetigt wird ein Reisepass, denn wie gestern mit
frischem Vietnamvisum aus der Botschaft abgeholt
hatten. Skurill: Am Morgen reist man aus Hongkong aus,
bekommt ein Macao-Visa bei der Ankunft - nur um dieses
Stunden spaeter am Abend wieder gegen ein
Hongkong-Visum einzutauschen. Welches wir ab morgen
nicht mehr brauchen, wenn wir Hongkong in Richtung China
in die Stadt Guilin verlassen werden. Noch eine Woche Natur
und Abgeschiedenheit bevor es uns nach Vietnam verschlaegt.

Mit seinen 600.000 Einwohnern kommt Macao schon fasst einem
Kulturschock gleich. Das letzte Mal war ich vor anderthalb Monaten an
einem Ort mit weniger als einer Million Einwohnern. Die portugisischen
Wurzeln sind gut zwischen den Hochhauesern versteckt und bilden
einen architektonisch reizvollen und sehenswerten Kontrast. Mediterran
auch das Fortbewegungsmittel: Keine Fahrraeder sonderns Mopeds.
Ich komme mir vor wie in Rom oder Italien. Lecker auch die Kueche -
ausnahmsweise mal nicht etwas mit Reis. Und lecker Knoblauchbrot, wie
ich es selber nicht besser machen koennte.

Schill verlaesst Hamburg
+++++++++++++++++

Mit grosser Freude habe ich die Nachricht vrnommen, dass Schill
sein Wahlversprechen einloest und ein One-Way Ticket nach
Kuba geloest hat. Nur zu frueh freuen sollte man sich nicht!
In Kuba wird er Diego Maradonna Disziplin beibringen und diesen
wieder fit machen - um ihn dann zum HSV zu transferieren. Beide
werden also in absehbarer Zeit wieder in Hamburg sein. Und auf
seine alten Tage wird Diego Maradonna dann den entscheidenden
Treffer am letzten Spieltag zum 1-1 Spielstand im Heimspiel gegen
Wismut Aue erzielen und dem HSV damit den Klassenerhalt
und ein weiteres Zweitliga Jahr sichern. Bis dahin ist dann Pauli
wieder aufgestiegen und wir duerfen uns in drei Spielzeiten wieder
auf zwei Derbys freuen. Diesesmal wird Schill jedenfalls kein
Alkoholverbot verhaengen koennen.

Schoene Gruesse aus Hongkong!

18.10.04

Hongkong 1

Vorweg: Streng genommen schreibt man Hongkong nicht
zusammen, sondern auseinander und in zwei Worten.
Ich schreibs trozdem in einem Wort, weil ich es so
einfach schoener finde.

Von Shanghai nach Hongkong
++++++++++++++++++++++++++

Der Zug mit der Nummer K99 bringt uns direkt von
Shanghai nach Hongkong. Ganz wie bei den Interzonenzuegen
frueher duerfen wir den Zug nach anfaenglicher Passkontrolle
nicht mehr verlassen. Etwas gespenstisch: Zwar haelt der Zug
ein paar Mal, jedoch steigt keiner zu oder aus. Die Bahngleise
sind jeweils mit mobilen Zaeunen ausgeruestet, Eine handvoll
Polizisten ueberwacht, dass sich niemand durch das Plumsklo
heimlich davon macht.

Glueck haben wir diesmal im Nachtzug mit unseren Schlafplaetzen,
obwohl wir die oberste Etage gebucht haben bleibt der Zug so leer,
dass wir eine Etage tiefer Platz nehmen koennen. Das ist toll,
da wir endlich einmal nicht 15cm entfernt von der Klimaanlage
naechtigen muessen. Mein rasselnder Husten klatscht Beifall,
denn die unvermeidlich zugigen und kalten Klimaanlagen gehen
mir nicht nur auf den Sack, sondern auch auf die Bronchen.

Hongkong
+++++++

Das Mekka der Hochhaueser. Unter 20 Stockwerke wird hier
gar nicht erst angefangen, ein Haus zu bauen. Egal ob
Wohnung oder Buerogebauede. Hongkong heisst auf knapper
Flaeche viel unterzubringen - und das geht nun mal am Besten
in der Hoehe. Hongkong im kleinen ist unser Doppelzimmer
im "Cosmos Guesthaus". Wie viele andere hat sich Cosmos
ein paar Zimmer und Wohnungen auf der 12ten Etage eines
ranzigen Betonseelenverkaeufers gemietet und bringt dort
so viele Rucksacktouristen unter wie moeglich. Das Gebaeude
kann man sich wie 100 aufeinander gestapelte
"Bibby Altona"-Schiffe vorstellen. Neben Rucksacktouristen
hausen Habenichtse von Immigranten in dem Block. Haueser
wie diese sind Sprungbrett ins Glueck fuer viele, die mit
nichts anfangen.

Unser Doppelzimmer ist drei viertel mal so gross wie ein
Bahnabteil in der Transsib. Zusaetzlich gibts eine kleine
Nasszelle, in welcher man sich um 90 Grad nach links und
um 90 Grad nach rechts drehen kann, wenn man in ihr steht.
Ein Vollkreis ist unmoeglich - will man in eine andere
Richtung geht man einfach raus, dreht sich vor der Tuer,
und kommt rueckwaerts in die Butze rein.

Das Zimmer ist komplett vom Boden bis zur Decke gefliesst
und versprueht den Charme einer Ausnuechterungszelle bei der
Polizei. Am Anfang hatte ich das Gefuehl, das staendig die
Tuer aufgehen koennte und ein Waerter einfach einen
Wasserschlauch reinhaelt und Insassen und Zelle gleichzeitig
reinigt. Das passiert hier aber nicht, denn niemand macht
hier sauber. Ab und zu wird der Muell entfernt. Vor der Tuer
stehen Besen, welche wir uns zum reinigen ausleihen koennen.

Untermieter
+++++++++++

Eines Morgends zertrampele ich Fritz und lasse seinen
zermatschten Koerper auf den Fliesen als Warnung fuer
seine Freunde liegen. Schnell haben Markus und ich
bemerkt, dass wir nicht zu zweit unsere Ausnuechterungszelle
bewohnen, sondern eine unbekannte Anzahl an Kakerlaken als
Untermieter haben.

Wir setzen zunaechst auf eine Politik der friedlichen
Koexistenz: Wenn wir uns im Raum befinden, moegen sie
sich bitte verstecken und nicht zeigen. Austoben koennen
sie sich bei Dunkelheit, wenn wir schlafen oder wenn wir
nicht im Raum sind. Ausserdem geben wir ihnen Namen, denn
das macht die Sache etwas persoenlicher - und wer will
schon mit jemanden zusammenwohnen, dessen Namen er nicht
kennt?

Anfangs halten sich Fritz und seine Freunde an die Abmachung.
Einmal muss ich mahnend mit dem Finger zeigen, wo der Maurer
das Loch gelassen hat. Fritz folgt dem Fingerzeig, huscht
Richtung Tuer uber den Boden und schiebt sich unter ihr
durch. Eine zweite Chance bekommt er nicht. Ob seine Freunde
oder die Betreiber des Hotels seine sterblichen Ueberreste
entfernt haben, weiss ich nicht.

Sonstiges
+++++++++

Neben obligatorischen Stadtbesichtungen habe wir am Samstag
den in Hamburg spielenden Film "Gegen die Wand" gesehen.
Den wollte ich schon in Hamburg sehen, habs aber verpasst.
Etwas Heimweh zu Beginn, als wir das viele Astra sehen.
Und St.Pauli Klamotten und Fahnen. Fussball haben wir hier
irgendwie verschwitzt, der Fussballverband nannte uns
zwar einen Termin und eine Spielstaette, doch als wir dort
ankamen, blieben die Stadiontore verschlossen.

Zweimal habe ich in der Lokalpresse schon das Wort Bielefeld
gelesen. Einmal konnte man auf die Partie HSV-Bielefeld setzen.
Und heute stand das Ergebnis zusammen mit der daraus folgenden
Beurlaubung Toppmoellers in der Zeitung. Ueber das Ergebnis
habe ich mich sehr gefreut - mehr aus Verbundenheit zur Arminia,
eine kleine Schadenfreude gegenueber dem HSV will ich aber
nicht leugnen.

Heute Abend schauen wir uns ein von der Lufthansa gesponsertes
Oktoberfest an. Wir erwarten Bierpreise wie in Muenchen. Morgen
gibts unser Visa von Vietnam und eine kleine Wanderung, Mittwoch
einen Tagesausflug nach Macao und am Donnerstag reisen wir erneut
nach China ein, um uns ein wenig Natur anzuschauen.

17.10.04

Shanghai

Chinesen spucken gerne und haeufig in der Oeffentlichkeit. Vorher
macht sich das akustisch durch lautes hochwuergen von Rotze
bemerkbar, welche dann umgehend mit Spucke verduennt auf
den Asphalt gespuckt wird. Vielleicht ist dieses Verhalten
ein Ausdruck von Potenz? Laut Reisefuehrer ist diese Vorliebe fuers
Spucken nicht in Taiwan zu beobachten. Die Taiwanesen spotten,
die Chinesen wuerden nur den schlechten Geschmack von 40 Jahre
Kommunismus loswerden wollen. Spaetstens seit SARS-Zeiten ist
Spucken in der Oeffentlichkeit verboten und in Shanghai muss
man eine Strafe von 20 Euro zahlen - wenn man erwischt wird.
Besonders hartnaeckig wird dieses Vergehen aber nicht verfolgt.

Lustig sind die chinesischen Zigaretten. Sie hoeren auf so
schoene Namen wie "Staatsgast", "Double Happiness" oder "Pride"
(mit einem Panda-Hologramm versehen). In der EU jetzt
vorgeschriebene Warnhinweise a la "Rauchen kann unter Umstaenden
das ungeborene Kind gefaehrden" sind hier noch keine Pflicht.
Diese werden erst in Hongkong auf die Packungen gedruckt.
Allerdings auf chinesisch, eine disziplinarische Wirkung ist daher
nur bei Kennern der chinesischen Sprache zu erwarten.

In Shanghai sind wir im Puijang-Hotel abgestiegen. Dieses liegt
sehr zentral am Beginn der Prachtmeile ("The Bund") entlang des
Huangpu-Flusses. Zu Ende des 18. Jahrhunderts erbaut, protzt es
mit seiner Geschichte und alten viktorianischen Architektur.
Es war eines der ersten Grand Hotels in der Stadt, Prominente
wie Charlie Chaplin, US Praesident Grand, der englische Philosoph
Russell oder Einstein haben hier bereits genaechtigt. Von 1990
bis 1998 war im Hotel provisorisch die Boerse von Shanghai
untergebracht.

Die Holzdielen aechzen und quietschen. Kolonnen von Angestellten
sind taeglich damit beschaeftigt, den Boden neu zu wachsen und die
mit dunklem Holz getaefelten Waende mit Moebelpolitur einzureiben.
Der Geruch nach diese Pflegemitteln ist so ein staendiger Begleiter,
wenn man durch die Flure laeuft. Fuer Rucksacktouristen ist das oberste
Stockwerk vorgesehen, 6-8 Betten sind in diesem weniger gut in Schuss
gehaltenen Teil des Hotels in einem Raum, Kosten pro Nase und Nacht
7 Euro. Unbezahlbar ist der Blick ueber Shanghai vom mit Tuermen
geschmueckten Dach - besonders bei Nacht. Zur Zeiten der japanischen
Besatzung im zweitenWeltkrieg verlief die Grenze an der Bruecke vor
diesem Hotel, die Szene fluechtender Chinesen aus Spielbergs "The Last
Emperor" ist von unserem Zimmer aus aufgenommen worden.

Spuren aus europaeischer "Besetzung" waehrend der Kolionalzeit
finden sich auch heute noch ueberall in der Stadt. Besonders offensichtlich
zum Beispiel in der Architektur am Bund - Art Deco, eine Mini-Big Ben auf
dem Gebauede in dem heute eine Bank residiert. Oder in einer kleinen
englischen Parkanlage zu Beginn des Bund - das Schild "Hunden und
Chinesen ist der Eintritt verboten" wurde jedoch entfernt und kann nur
noch im Museum besichtigt werden. Noch heute tragen Taxifahrer
weisse Handschuhe. In der lokalen Taxiflotte ist Volkswagen mit dem
Santana 2000 am haeufigsten vertreten. Inzwischen wurde nach einem
weiteren Facelifting der Santana 3000 auf den Markt geschmissen.
Lange wird VW diesen alten Schrott hier nicht mehr verticken koennen,
denn mit wachsendem Reichtum werden die Chinesen auch anspruchsvoller.

Im Xulu Park enstpanne ich vom Stress der Stadt. In dem Park sitzen
hauptsaechlich aeltere Chinesen und vertreiben sich die Zeit mit
Gluecksspielen, Sport, Drachen steigen oder beim musizieren und
singen. In einem Pavillion an einem See spielt ein Paerchen auf einer
Geige und einem Akkordeon abwechselnd chinesische und europaeische
klassische Musik - hoert sich irgendwie nach Chopin an, aber sicher bin
ich mir da nicht.

Ein Chinese bemalt Papierfaecher und spricht mich an. Er moechte wissen,
woher ich komme (er tippt spontan auf Russland) und wir quatschen ein
wenig. Dann singt er mir ein paar chinesische Lieder vor, er hat eine
gute Stimme, auch wenn ich dem Text des Lieds nicht folgen kann. Neben
mir lauscht eine Menge von stehen gebliebenen Passanten seiner Sangeskunst.
Seiner Aufforderung, ihm im Gegenzug ein deutsches Lied vorzusingen,
komme ich gerne nach. Ich improvisiere ein Medley von Hans Albers Hits -
von "Komm auf die Schaukel,Luise" ueber "In meinem Herzen Schatz" bis
zum unvermeidlichen "Auf der Reeperbahn um halb Eins". Zwischendurch
verliere ich kurz den Faden, kann den Haenger aber durch zwei drei
eingestreute Zeilen aus "Die Partei hat immer Recht" ueberbruecken.
Ist zwar nicht von Hans Albers, aber da niemand aus dem Publikum
Deutsch spricht, faellts nicht weiter auf.

Unvermeidlich in Shanghai ist eine Fahrt mit der Magnetschwebebahn.
Der Transrapid verbindet den neuen Flughafen mit der Stadt und
benoetigt 8 Minuten fuer die 30km lange Strecke. Er beschleunigt auf
431 km/h und haelt diese Spitzengeschwindigkeit fuer eine halbe
Minute, muss dann wegen der kurzen Strecke aber schon wieder
abbremsen. Schade, gerade dann wenn man sich daran gewoehnt
hat und es am meisten Spass macht.... Auch wenn er schnell wie
ein Flugzeug ist, so bietet er angenehm viel Platz wie ein Zug.
Der Zug und der Transrapidbahnhof ist verwaist, nur eine handvoll
Touristen verirrt sich hierher. Ankommende Fluggaeste setzen
auch weiter auf traditionelle Fortbewegungsmittel um von der Stadt
zum Flughafen oder zurueck zu kommen. Der Preis fuer Hin und
Rueckfahrt liegt bei 8 Euro. Auch wenn ich darauf hinweise,
dass schon betraechtliche Summen meines Steuergeldes in diese
Technologie und diese Strecke geflossen sind und mit meinem Pass
wedele bekomme ich keine Ermaessigung. Nicht an allen Orten in
China kann man erfolgreich feilschen.

Trotz der vielen Shopping Malls schaffe ich es nicht, mir passende
Schuhe zu kaufen. Der Jahreszeit angemessen halte ich nach ein
paar einfachen Sandalen Ausschau. In der ganzen Stadt ist ab
Schuhgroesse 43 Schluss, meistens wird man nur kopfschuettelnd
angelaechelt, wenn man auf seine eigenen Fuesse zur Demonstration
der gewuenschten Schuhgroesse verweist. In Hongkong gelingt es
mir dann endlich, die gewuenschten Schuhe sehr preisguenstig
zu erstehen.

Bemerkenswert ist der Insekten und Tiermarkt in Shanghai.
Grillen, Raupen, Muecken, Schildkroeten zu Wasser und zu Land,
niedliche Kaetzchen, gelbe tschilpende Kueken, Hundewelpen und
alle Arten von Voegeln werden hier zum Verkauf angeboten. Neben
Futter bekommt man ansonsten alles, was zur Beheimatung und
Pflege der kleinen Freunde benoetigt wird: Pipetten und Pinzetten
zum Fuettern. Holzspiesse, Bolzenschussgerate und kleine Haemmer
zum Toeten und zubereiten wenn man Hunger verspuert und den
kleinen Freund erfolgreich auf Schnitzelgroesse hochgezuechtet hat.
Ab sofort nehme ich Bestellungen fuer gegrillte Huehnerkrallen
oder Seepferdchen am Spiess auf.

Shanghai waechst in einem atemberaubenden Tempo. Noch 1990
war gegenueber dem Bund Ackerland zur Versorgung der Stadt.
Kann man sich heute nicht mehr vorstellen, in nur 10 Jahren ist
dort eine imposante Skyline riesiger Buerokomplexe (hauptsaechlich
in Hochhausform) gewachsen. Der Fernsehturm ("Pearl Tower") ist
von ausgesuchter Kitschigkeit. Dicke Kugeln und Baelle die irgendwie
miteinander verbunden sind. Drei Hauptroehren tragen eine grosse
Kugel auf 260m Hoehe. Fuer 5 Euro kann diese besichtigt werden,
ueber Shaghai hat man von dort einen prima Blick. In welche Richtung
man auch schaut, die Stadt reicht bis zum Horizont. Kaum ein Tourist
laesst eine Besichtung aus, geschultes Perosnal dirigiert die
Menschenmassen wie Federvieh durch das Labyrinth an Roehren und
Fahrstuehlen.

Besonderes Vergnuegen macht es, von hier oben die Staus zu beobachten.
Da es dunkel ist erkennt man an den Scheinwerfern der Autos die
Stauschlange, auf denen sie sich durch die Stadt schieben, besonders gut.
Meistens stehen diese Schlangen, setzen sich nur langsam fuer ein paar
Meter in Bewegung und stoppen dann wieder. Kein Fahrzeug bleibt laenger
als 400 Meter in einer Spur. China mag ja ein begehrter Wachstumsmarkt
sein, der Verkehr ist bereits heute auf allen Strassen kollabiert.
Selbst wenn sich jeder Chinese ein Auto kauft, wird er keinen Platz finden,
um es zu fahren. Schon jetzt gibt es keinen Platz mehr, um die bisweilen
vierspurigen Strassen zu erweitern. Die Gefahr besteht, dass China sich an
seiner Groesse, an der Groesse seiner Bevoelkerung verschluckt.

Als ich den Turm verlasse ist eine 4spurige Strasse leer. Kein Auto
weit und breit. Eigentlich sollte mir das zu Denken geben, tut es aber nicht.
Auf Mitte der Strasse hoere ich einen Polizisten, der aufgeregt in seine
Trillerpfeife blaest. Ich bleibe stehen und sehe, das dieser Pfiff mir galt,
da von vorne und hinten, von links und rechts Polizisten auf mich zugerannt
kommen. Anscheinend soll ich die Strasse verlassen, was ich umgehend mache
- denn von links heizt mit einem Affenzahn eine Kolonne, bestehend aus einer
dicken Staatskarosse, eskortiert von Polizei auf Motorraedern, heran. Ich
schaffe noch rechtzeitig, die Strasse zu verlassen und ungebremst donnert
die Kolonne hinter mir ueber die nun wieder leere Strasse.

Am naechsten Tag lese ich in de Zeitung, das Chirac in der Stadt ist
und Abends zu einem Essen mit franzoesischen Geschaeftsleuten
gefahren wurde. Wie man eine Strasse RICHTIG absperrt, sollten sich
die Chinesen mal in Moskau bei den Russen abschauen.

14.10.04

Wasserstandsmeldung aus Hongkong

Wohl behalten sind wir heute mit dem K99 Interzonenzug aus China
aus- und nach Hongkong eingereist. Inzwischen habe ich mich daran
gewoehnt, aus dem Staunen nicht mehr herauszukommen und
sabbere nicht mehr, wenn ich mit offenem Mund durch die Strassen
laufe. In der englischen Lokalpresse "The South China Post" kuemmert
sich uebrigens eine gewisse Frau "Shelley von Strunkel" um das
Horoskop. Bei dem Namen kann ich mir gut vorstellen, dass ihr Opa
einmal zu Zeiten des ersten Weltkriegs als Oberstleutnant in einem
Infanterieregiment auf deutscher Seite gedient hat.

In Hongkong funktioniert auch das Internet so wie erwartet und ich
habe endlich wieder vollen Zugriff auf das BLOG und meine Mail. Von
Hongkong lernen heisst Westen lernen, da koennen sich die
Festlandschinesen noch das ein oder andere abschauen, auch wenn sie
ihre Sache ansonsten schon sehr gut machen.

Einen ausfuehrlichen Bericht ueber Shanghai folgt die Tage, wenn ich
mein Notizbuch wieder dabei habe. Unter anderem werde ich davon
berichten, wie es dazu kam, das mich Jaques Chirac des Abends fast
ueber den Haufen gefahren hat.

Schoene Gruesse aus Hongkong,
Joerg

12.10.04

Auf dem Yangtze von Chongqin nach Shanghai

Chongqin
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Keine drei Stunden nach unserer Ankunft in Chongqin sind wir bereits auf einem Boot auf dem Yangtze stromabwaerts Richtung Shanghai unterwegs. Mit seiner Hanglage auf einem Bergruecken zwischen dem Yangtze und einem groesseren Zufluss (dessen Name ich gerade nicht parat habe) erinnert die Stadt bei einer Taxifahrt vom Bahnhof zum Schiffsanleger stark an Monaco. Sollte es einmal wieder zu viele Formel 1 Grand Prixs in Europa geben, so laesst sich der von Monaco ohne Probleme hierher verlegen. Das waere dann neben Shanghai der zweite hier in China, Fernsehzuschauer des Spektakels wuerden sicher keinen Unterschied bemerken. Wegen seiner Berglage gibt es, untypisch fuer China, hier nur sehr wenige Fahrraeder. Die Menschen keulen ihre schwere Lasten auf einer Stange ueber die Schulter gebuckelt durch die Gassen und Treppengaenge. Einen laengeren Aufenthalt ist diese Stadt nicht wert, fuer uns ist sie nur als Startpunkt fuer eine Yangtze Flussfahrt interessant.

Kreuzfahrt auf dem Yangtze von Chongqin nach Wuhan
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Quartier beziehen wir in einer Kajuete der zweiten Klasse Kategorie. Der Mokel vom Reisebeuero versucht standhaft, uns zusaetzliche Tickets fuer Sehenswuerdigkeiten entlang der Schiffsroute zu verticken. 50 Euro will er fuer das komplette Besichtigungspaket haben. Wir verzichten und kaufen uns die Tickets vor Ort selbst und zahlen dafuer 30 Euro. In unserer Kabine, in welcher normalerweise 4 Leute untergebracht werden, sind wir alleine untergebracht. Fuer 30 Euro Aufpreis, die er sich vermutlich selber in die Tasche steckt, bietet er uns an, dafuer zu sorgen, dass keine weiteren zugestiegenen Fahrgaeste in unserer Kabine untergebracht werden. Mit dem Hinweis, dass wir nichts gegen chinesische Gesellschaft einzuwenden haben, uns im Gegenteil sogar darueber freuen wuerden, lehnen wir ab. Auch ohne diesen Aufpreis bekommen wird in den naechsten Tagen niemand neues mehr in unserer Kajuete einquartiert.

Das Schiff ist der reinste Seelenverkauefer. Staendig werden wir von anderen Booten ueberholt. Trotzdem mangelt es uns an nichts. Mit den Hochglanzbildern im Reisebuero hat die Kabine nicht entferntesten etwas zu tun.. Die Frontpaneele eines Bettes bricht ab, als wir uns zum Essen nebeneinander auf ein Bett setzen. Zukuenftig speisen wir daher ausserhalb der Kajuete mit Blick ueber das Yangtzeufer. Ihren Namen zu Recht traegt die Nasszelle: Rohre sparend fliesst saemtliches Altwasser aus der Dusche oder dem Waschbecken durch eine offene, im Fussboden eingelassene, Rinne (wahrscheinlich ungefiltert und direkt in den Yangtze) ab.

Neben zwei Hollaendern, einem Kanadier und einer Norwegerin sind wir die einzigen nicht-Asiaten an Bord. Abenteuerlustig haben diese in einer 8 Mann-Kabine Unterschlupf gefunden. Diese Ranzkajueten befinden sich direkt ueber der Wasserlinie, eingekeilt zwischen dem Maschinenraum und der fettigen Schiffskombuese . Immerhin ist es ihnen gestattet, die Decks der hoeheren Klassen zu betreten.

Viele Chinesen sind mit der kompletten Familie angerueckt und stopfen sich drei Generationn hoch in die schmalen Kammern. Fuer ihre Kinder sind Markus und ich die Hauptattraktion. Damit die erschoepften Eltern auch einmal etwas vom Urlaub haben uebernehmen wir die Freizeitgestaltung fuer ihre Kinder. Die Chinesenkinder haben so komplizierte Namen. Wir nennen sie daher Otto (etwa 7 Jahre alt), Heinz (11 Jahre, kann sogar ein paar Brocken Englisch und heisst sonst irgendetwas mit Chang, wobei unklar bleibt, ob dieses sein Vor- oder Nachname ist) und Lisa (etwa 7 Jahre). Neben diversen Phototerminen mit ihnen auf dem Vordeck spielen wir Schnipp-Schnapp-Schnurr und ein uns unbekanntes chinesisches Huepfspiel mit ihnen. Die Regeln verstehen wir nicht, irgendwie scheint Heinz sich am Ende immer wieder als Gewinner durchzusetzen. Der Verdacht, dass er die Regeln immer wieder zu seinen Gunsten modifiziert und dieses gegenueber Otto und Lisa aufgrund seines Alters und seiner beachtlichen Koerperstatur durchsetzt, laesst sich nicht gaenzlich ausraeumen.

Sehr beliebt ist auch Markuss Zugpolonaise, bei dem sich die Kinder unter Zuggerauschen einmal ums Schiff bewegen. Mit Otto, Lisa und Heinz rennt er los, nach einer Runde ums Schiff hat sich die Anzahl der Kinder verdreifacht, so dass uns bald die Namen fuer die Neuankoemmlinge (Ernst, Dieter, Susi, Karl-Heinz) ausgehen und wir etwas den Ueberblick verlieren. Essen brauchen wir diesen Tag nicht mehr zu kaufen, denn die Kleinen pluendern fuer uns immer wieder die Speisekammern ihrer Familien und fuettern uns mit Keksen, Chips, Mandarinen und undefinierten Speisen, die ich lieber direkt heimlich in den Yangtze verkappe statt sie zu Essen.

Wie die Russen ihre unberuehrte Natur verwenden die Chinesen den Yangtze als eine Muellhalde. Wenn es im Wasser platscht ist nicht etwa ein Yangtze Flussdelphin zum Luftholen aus den braunen Fluten aufgetaucht (sollte es hier tatsaechlich welche geben, so koennte man sie in der braunen lehmigen Bruehe nicht sehen), sondern ein Passagier der 1. oder 2. Klasse hat einfach eine benutzte Damenbinde, Toilettenpapier oder manchmal gleich eine komplette Plastiktuete mit Muell ueber die Reling ins Wasser geworfen. Neben den an der Oberflaeche treibenden alten Schuhen, leeren Plastiknudeltoepfen und Plastiktueten faellt der Neumuell auch nicht weiter auf und komplettiert so perfekt das Flussstillleben an Treibgut. Den Drang, im Yangtze ein Bad zu nehmen, verspuere ich nicht.

Die Tempel am Flussufer werden, wenn der Yangtze in ca. einem Jahr komplett aufgestaut und der Wasserspiegel sich um weitere 170 aufgestaute Meter angehoben hat, nur noch Inseln im dann groessten Stausee der Welt (Laenge 200 KM) sein. Saenftentrager, welche einen in einem an langen Bambusstangen befestigten Stuhl die steile Boeschung an Land tragen, werden dann arbeitslos sein. Aber ausser ein paar Amerikanern (immerhin "I vote for Kerry"-Button) nimmt heute schon kein Tourist diese Dienstleistung in Anspruch. Komplett im Fluss verschwinden wird eine "Ghost City" genannte Ortschaft. Frueh morgends gehe ich an Land, es ist noch dunkel und stinkt verfault. Als die Sonne aufgeht sieht man, dass niemand mehr in dieser Stadt wohnt. Die Haeuser sind verlassen, manche sind verfallen und halb abgerissen. Bizarr wie nach einem Bombenangriff liegt die tote Stadt am Ufer und wartet darauf, endlich Ruhe zu finden und in die Fluten eintauchen zu duerfen. Nur noch Horden von Touristen und Haendler bevoelkern die Strassen. Die zwei Polizisten an der Kreuzung wirken deplaziert, da es keinen nennenswerten Verkehr mehr zu regeln gibt. Der Strom fuer die Ampel wurde bereits abgeschaltet.

Stimmung kommt in der schiffseigenen Karaoke Bar nicht auf. Gelangweilt luemmeln sich die Mitarbeiter nach getaner Arbeit in den Sesseln, kein anderer Gast verirrt sich hierher. Gegenseitig singen sie sich chinesiche Schnulzen vor, deren Texte wir nicht verstehen, auch wenn wir sie von den Monitoren (in chinesisch) ablesen koennen. Auch aus den Begleitvideos erschliesst sich der Inhalt nicht, hauptsaechlich werden chinesische Naturparks, die grosse Mauer und Tempel, marschierende Soldaten und Frauen in Badeanzugen in Pools oder unter Wasserfaellen in einer Neun-Live Softporno Aestethik gezeigt. Eigentlich der richtige Ort, um selbst erste Erfahrungen im Umgang mit der Karaoke-Anlage zu sammeln. Erfahrungen die uns sicherlich auf der weiteren Reise, spaetestens in Thailand, von Nutzen seien koennten. Schliesslich kann man in dieser Abgeschiedenheit nichts kaputtmachen. Leider sind nur zwei westliche Lieder verfuegbar "Final Countdown" von Europe und "Life is Life" von Opus - immerhin nix vom Bohlen oder Farian und daher nehmen wir diese einmalige Chance nicht war.

Das ein Hoehepunkt der Schiffsfahrt erreicht ist erkennen wir daran, dass alle Passagiere mit einer Kamera bewaffnet aufs Vorderdeck stuermen. Wir passieren "die drei Taeler", hier hat der Yangtze sich tief in die umliegende Berglandschaft eingegraben. Teilweise ist der Fluss hier nur noch 100 Meter breit, steil steigen die Berge in den Himmel. Vergleichbar mit den norwegischen Fjorden, wober bei diesen die Bergspitzen durch Gletscher (die es hier am Yangtze wohl nicht gegeben hat, aber ich bin kein Geologe) abgerundet sind. Wuerde der Grand Canyon einmal wieder geflutet haette man einen ahnlichen Effekt. Auch nach der Aufstauung wird dieser berauschende Effekt bleiben, denn ob man nun 500 m oder 340 Meter nach oben schaut tut dem Zauber des Anblicks keinen Abbruch.

Highlight am Ende der Kreuzfahrt ist die Baustelle des Yangtze Staudamms. 2 km ist die Baustelle, die wir aber, da es bereits dunkel ist, nicht besichtigen. Stattdessen bleiben wir auf dem Schiff und lassen uns in 4 gewaltigen Staukammern 80 meter tiefer schleusen. In Yichan endet die Fahrt. Von dort reisen wir ueber Wuhan mit dem Zug nach Shanghai. Wuhan ist das Bielefeld unter den chinesischen Staedten: Es ist so langweilig, dass es einfach nichts zu berichten gibt.

Preise
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Flussfahrt mit drei Uebernachtungen von Chongqin nach Wuhan: 27 Euro

10.10.04

Von Peking zum Yangtze

Kulinarisches
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In diesem Teil von Asien gibt es natuerlich auch McDonalds und
die anderen Fastfood-Ranzbuden. Typisch chinesisches Essen ist
das aber nicht gerade. Auch was in Deutschland beim Chinesen
um die Ecke als "Platte der sieben Koestlichkeiten" o.ae. feilgeboten
wird sucht man hier vergebens.

Problematisch ist das Bestellen von Essen, wenn es keine englische
Speisekarte gibt. Meistens zeige ich einfach aus das Essen. Sehr
hilfreich ist auch das kleine "Point It" Taschenbuch (Danke, Niels!):
Ein kleines Taschenbuch in welchem die wichtigsten Objekte des
taeglichen Lebens abgebildet sind. Ich zeige auf Reis und bekomme
tatsaechlich Reis. Es funktioniert.

Haeufig weiss ich nicht, was ich esse. Die Speiseauswahl geschieht
ausschliesslisch nach optischen und olfaktorischen Kriterien.
Manchmal macht man dabei aber auch einen Fehler verspeisst
ploetzlich rohe Huehnereier in Aspik, zwischen wie Mozarella
aussehendem Tofu angerichtet. Hunde oder andere Wiederlichkeiten
habe ich bisher noch nirgendswo gesehen. Leckeres Pferdefleisch und
gebratene Froschfotzen am Spiess gibt es an jeder Ecke.

Beliebt unter den Backpackern ist folgende "Urban Legend": Obwohl
verboten gibt es in Hong Kong noch heute Hinterzimmer, in denen
Affen zum Verzehr angeboten werden. Dabei wird der lebende
Affe an den Tisch gebracht und muss seinen Kopf durch ein Loch in
der Mitte des Tischs stecken. Er ahnt, was kommt, schaut aengstlich
und beginnt zu weinen als ihm seine Schaedeldecke aufgeschnitten
wird. Bei lebendigem Leib und zur Freude der Gaeste wird sein
Gehirn mit heissem Fett direkt am Tisch fritiert und gegessen. Vielleicht
hat sich Thomas Harris von dieser Raeuberpistolen inspirieren lassen
als er "Hannibal" schrieb. Oder umgekehrt.

Oeffentliche Toiletten
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In Peking werden nicht nur Sterne fuer die Qualitaeten eines Hotels,
sondern auch auch fuer oeffentliche Toiletten in den Parks vergeben.
Auf einer 2 Sterne Toilette befindet sich neben den ueblichen Hockklos
mindestens eines zum Sitzen. Von einer 3 Sterne Toilette kann man
zusaetzlich erwarten, dass Klopapier am Platz vorhanden und nicht
selbst mitgebracht werden muss. Die S-Klasse ist jedoch
ein oeffentliche Toilette der 4 Sterne Kategorie: Ganze 4 Sitztoiletten,
sauber gekachelter Boden und holzgetaefelte Waende machen den
Gang zur Toilette zu einem unvergleichlichen Erlebnis.

In China gibt es uebrigens nicht den Brauch, der Schittmamsell ein
paar Muenzen klimpernd in eine Untertasse aus Porzellan zu werfen.
Die Benutzung der meisten oeffentlichen Toiletten ist umsonst.
Findige Chinese stellen in Strassenunterfuehrungen mobile Sitzklos
auf und verlangen 2 Cent fuer die Benutzung. Vorher.

Zuhause in Deutschland werde ich demnaechst an der
Volkshochschule Seminare zum Thema Sitzscheissen anbieten.
Die perfekte Vorbereitung, die bei keinem Asienurlaub fehlen darf.
Eine weitere wichtige Erkenntnis, die ich einbringen kann: Dort wo
auf dem Boden Spucke ist, ist vorne.

Lustige Japaner: Takara aus Osaka
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In unserer Pekinger Unterkunft treffen wir auf einen 55 Jahre
alten Japaner aus Osaka. Er arbeitet als Ingenieur bei Hitachi und ist
jede Woche in Peking, um hier an der Vollendung der U-Bahn
mitzuarbeiten. Als er hoert, das wir Deutsche sind, kriegen seine
Augen einen feuchten Glanz. Er kann nicht viele deutsche Worte ausser
Mercedes und Hitler. An diesem Abend bringen wir im die 10
wichtigsten deutschen Worte bei.

Er selbst ist stolzer Besitzer eines S-Klasse Mercedes und betont,
das seine Tochter im "Benz Business" arbeitet, also irgendwo in
Japan "fuern Daimler schafft". Er mag Deutschland sehr gerne
und ist in jungen Jahren nach eigenem Bekunden die Eiger Nordwand
heraufgeklettert. Wieso wir ploetzlich auf Hitler kommen weiss ich
nicht mehr so genau. Bart, ein Hollaender, und Paul aus England,
die auch mit am Tisch sitzen sind daran jedenfalls nicht Schuld.
Irgendwie ist Takara der Ansicht, dass alle Deutschen Bart tragen.
In unserer Gesellschaft (bei Markus und mir) stimmt das auch,
verallgemeinern laesst sich das jedoch nicht.

Ploetzlich deutet er mit zwei Fingern unterhalb seiner Nase einen
erstklassigen Hitler-Schnaeuzer an, springt auf und maschiert mit
wackeligen zackigem Stechschritt durch den Innenhof des Hutongs.
Wobei er die eine Hand als Bart an seine Lippen haelt. Dabei ruft
er "Hitler, Hitler", lacht sich kaputt, und maschiert seine Runden.
Das Schauspiel laesst sich am ehesten mit Charlie Chaplin in
"Der grosse Diktator" vergleichen. Takara ist aber der eindeutig
bessere Hitler-Imitator.

Bisher bin ich meine ganzen alten sd&m Visitenkarten losgeworden!
Die alten ohne, die Zwischenloesung mit Stele im Logo und dann doch
wieder nicht, mit und ohne "Member of Capgemini Claim" - hier
kann ich den ganzen in Deutschland veralteten Ranz loswerden. Ein
Angebot an meine Kollegen: Schickt eure alten Visitienkarten einfach
an mich, postlagernd nach Hongkong und ich kann sie hier problemlos
verkappen und ein paar Asiaten damit gluecklich machen. Auf den
Namen auf den Visitenkarten kommt es sowieso nicht an, die kann hier
eh meistens keine Sau lesen.

Pekinger Nachtleben: "Half & Half" und "Destination"
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Abgefuellt durch die vielen Freibiere von Takara verschieben wir
schon fasst die Plaene, mal ein paar Clubs in Peking aufzusuchen.
Christian, der schwule Schwede den wir zuerst in Ulan Bator
getroffen haben, will noch eine im Reisefuehrer erwaehnte
Schwulenbar aufsuchen.

Kurz entschlossen begleiten wir in einfach. Der Erkenntnis, das
Christian schwul ist kann man sich spaetestens wenn man
gesehen hat, wie tuntig und mit spitzen Fingern er in der
Mongolei beim Reiten sein Pferd mit der Reitpeitsche antreibt,
nicht mehr verschliessen. Der Laden "Half & Half" ist jedoch eine
glatte Enttaeuschung. 10 Gaeste stehen gelangweilt an der Bar,
wir setzen uns an einen Tisch und werden schnell von den anderen
Gaesten begruesst, die sich zu uns setzen. Die Musik ist schlecht und
niemand tanzt in diesem Schuppen, eine ganz traurige Veranstaltung.
Am spannendsten ist noch der Fernseher, auf welchem ein
Schwarzweissfilm ueber die Ardennenoffensive lauft. Muss eine
spezielle Fassung dieses Themas sein, den im Vordergrund der
Handlung stehen immer wieder Soldaten in schneidigen
Uniformen.

Die anwesenden Ortskundigen kennen sich jedoch gut in Perking und in
der Szene aus und fuehren uns in eine Schwulenbar mit dem Namen
"Destination", in der nach eigenem Bekunden die Post abgehen soll.
Das ist gelinde gesagt eine Untertreibung. Dieser Laden wuerde sicher
auch deutschen Schwulenmetropolen wie Koeln gut zu Gesicht stehen
und der dortigen Szene alle Ehre machen.

Auf der Toilette ist das Urinal in Doppelreihe besetzt. Als ich daher
zum Harn abschlagen eine nicht abgeschlossene Toillettentuer oeffne
geht der Mond gleich zweimal auf, denn von Hinten sehe ich zwei
blanke Hintern in eindeutiger Aktion. Auch die naechste Tuer ist
nicht verschlossen, die Nasszelle jedoch wirklich leer. Aus Gruenden
der Sicherheit schliesse ich sie vorsichtshalber hinter mir ab.

Den anwesenden Gaesten in der Bar und auf der Tanzflaeche scheine
ich gut zu gefallen. Ein Mongole fragt mich, ob ich ihn der Rest der
Nacht hart und ausdauernd durchficken moechte. Ich verneine.
Ein anderer streichelt mir ploetzlich durch den Bart, findet mich
seitdem er mich im "Half & Half" gesehen hat, "handsome". In
meinem ganzen Leben habe ich noch nicht soviele eindeutige
Angebote bekommen wie an diesem Abend, leider jedoch
unbrauchbare da aus meiner Perpektive vom anderen Ufer
kommend.

Rockkonzert
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Endlich schaffen wir es, mal keine Bohlen/Farian Musik zu hoeren.
Im Rahmen eines "Festivals for modern music" ist in einem Pekinger
Park eine Buehne aufgebaut. Feinste Rockmusik, vier Tage am Stueck.
Von Jazz, Blues bis hin zu Punk und hartem Rock wird hier alles geboten,
was man gerne hoert. Auch wenn wir die Texte nicht verstehen.

Ein Pekinger hat ein Werder Bremen Trikot an, kann aber kein Deutsch.
Vermutlich hat er es einfach wegen der gruenen Farbe gekauft. Die
meisten Besucher tragen Bundeswehrklamotten: Parkas, grosse und
kleine Kampfhemden, jeweils mit Deutschlandfahne auf der Schulter
und manchmal mit politischen Statements wie "Fuck USA! Long live
great chairman Mao!" versehen.

Wie schon beim Fussball sind auch wieder Origamiflieger zu bewundern.
Manche schaffen es bis auf die Buehne. Warum drei deutsche
Nazi-Skindheads mit Londsale Sweatshirts hier herumlungern will ich
gar nicht wissen. Lange halten sie es hier scheinbar nicht aus.

Bisher auf Festivals noch nicht gesehen ist der Kreiselpogo: 2-3
Chinesen halten sich an den Haenden, drehen sich immer schneller
im Kreis und rempeln dabei so lange rum, bis die umstehenden freiwillig
Platz machen (Pogo eben). Immer mehr Umstehenden machen mit und
schnell bildet sich ein grosser Kreis der sich rotierend eine grosse
freie Flaeche erkaempft. Irgendwann implodiert der Kreisel und die
Zuschauer tanzen nun freien Flaeche wild herum.

Verkehr
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Hupen hat hier im Strassenverkehr eine total andere Semantik als in
good old Europe. Hier heisst Hupen einfach nur soviel wie "Achtung!
Ich bin auch noch da" und dient dazu, andere Verkehrsteilnehmer
AUF SICH SELBST aufmerksam zu machen. Hupt man in Deutschland,
so will man meistens einen anderen AUF DESSEN FEHLVERHALTEN
hinweisen: "Ich glaub es hackt, Verpiss dich aus meiner Spur" oder
"Du faehrst wie eine besoffener Vollidiot!"

Zugfahren in China
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Der Luxus der Transsib, 1. Klasse in der wir uns ein grosses Abteil zu Zweit
teilen konnten, ist in China vorbei. Zuege muessen hier viele Menschen
transportieren, beim Schlafwagen gibt es nur 4er oder 6er Abteils. Der Verkauf
der Tickets startet 4 Tage vor der Abfahrt des Zuges, und schnell sind die
besten Plaetze belegt bzw. der Zug ausverkauft.

Die Waggons sind generell moderner als die der in der Transsib (dort zumeist
Baujahr 1988, VEB Vereinigte Waggonfabrik Leipzig). Die Qualitaet der Zuege ist unterschiedlich. Von Peking nach Chongqing hatten wir einen mit Teppichboden
ausgestatteten Luxuszug mit Waenden zum Gang erwischt, von Wuhan nach
Shanghai befoerderte uns eine etwas aeltere spartanische Variante mit zum
Gang offenen Abteilen - entfernt erinnert es an einen Gefangenentransport.
Allgemein gilt, dass die Waggons mit durchdachten Details ausgestattet sind:

- Hockklos mit einer Stange zum Festhalten waehrend der Fahrt. Damit ist die
Navigation und das Treffen der Scheissrinne ein Kinderspiel. Auch faellt man
beim Hocken nicht in seine eigene Scheisse.

- Koerbe an den Waenden der Toilette zum Ablegen von Handys, diese koennen beim Hocken sonst
leicht aus der Hosentasche und dann sonstwohin fallen. Wer einmal, den Boden eines Hockklos gesehen
hat, nachdem es 3 Stunden lang von circa 100 Menschen benutzt worden ist, moechte sich ein dort
gelandetes Handy auch nach einer gruendlichen Waesche nur noch sehr ungern ans Ohr halten

- Markierungen an der Wand zum Festlegen des Fahrpreises: Unter 1.10 m und unter 1.40 m grosse Chinesen
zahlen weniger

Trotz Einsatz moderner Technik wird zur Reinigung auf bewaehrte manuelle Hilfsmittel wie Reisigbesen und
Wischmops zurueckgegriffen. Im Unterschied zur Transsib, in welcher bei der taeglichen Reinigung zunaechst
immer ein grosses Stromkabel quer durch den Zug gelegt werden musste.

Immer wieder trifft man auf Uebersetzungen in schlechtem Englisch. Paul, der Englaender den wir in Peking getroffen
haben, hat eine beeindruckende Sammlung an Photos der besten Stilblueten (Bsp.: “You feel like writing everytime
you use this pencil”, Text eines Aufklebers auf einem Kugelschreiber). Nach der Zugfahrt kann ich seine Sammlung um die Inschrift “Do not use while stabilizing” auf der Toilettentuer erweitern – gemeint ist das Untersagen der Benutzung der Toilette waehrend der Zug steht.

In einem Waggon sind durch die effizientere 6er Belegung 200 % mehr Insassen als zu Transsibzeiten. Der Zug gleicht damit einem asiatischen Mikrokosmos: Ueberall wuseln Chinesen hin und her wie in einer Einkaufsstrasse. Schoen zu beobachten waherend wir auf Klappstuehlen im Gang sitzen. Verkauefer schieben ihre Wagen unter Gklingel und Anpreisung der Waren durch den Zug. Lebendig wie auf einem orientalischen Basar. Neben Toilettenpapier und Spielzeug wird hauptsaechlich fertiges Essen, Nudelsuppen oder Getraenke feilgeboten.

Die Chinesen im Zug sind sehr aufgeschlossen und man kommt leicht ins Gespraech. Immer findet man jemanden, der ein paar Brocken Englisch spricht. Bzw. man wird von diesen gefunden und dann in ein Gespraech verwicklet. Hilfreich hier ist wieder das oben erwaehnte "Point It"-Buch, in dem man leicht zeigen kann, wo Hamburg liegt, woher man bisher gereist ist und wohin die Reise noch gehen soll.

In userem Abteil ist ein junges Pekinger Polizistenpaerchen, welches zum Heimaturlaub nach Wuhan faehrt. Das Alter der Chinesen schaetzt man am besten wie in Europa und addiert dann 10 Jahre auf den Schaetzwert. Tatsaechlich sind beide 27 Jahre alt, sehen jedoch wie 17 oder 18 Jahre aus. Analoge Schaetzprobleme gibt es, wenn Chinesen das Alter eines Europaers schaetzen. Die junge Polizistin kann sogar etwas Deutsch. Nach nur 9 Monaten ist sie in der Lage, den “Spiegel” zu lesen und zu verstehen. Ich bin beeindruckt.

Schlecht schaetzen koennen die Chinesen auch die Nationalitaet (analog: einen Koreaner koennte ich auch nicht vom blossen Ansehen von einem Japaner oder Vietnamesen unterscheiden). Bisher wurde ich fuer einen Russen oder einen Australier, nie jedoch als ein Deutsher eingeschaetzt. So haelt mich ein aelterer Chinese fuer einen Russen und fragt auf Russisch, wie ich heisse. Ich antworte auf Russisch, sage woher ich komme und frage, wie es ihm geht. Nach 5 Minuten kann ih ihn dann auf Englisch davon ueberzeugen, dass mein aktiver maximal 30 Worte umfassender russischer Wortschatz bereits im ersten Satz unserer Konversation aufgebraucht ist und das es daher sinnvoll ist, im Weiteren Englisch zu sprechen.

Bisher konnten wir immer nur Tickets fuer die oben unter der Decke angebrachten Betten kaufen. Vielleicht werden diese auch bevorzugt an Auslaender verkauft. Nach etwas Uebung kann man in wenigen Handgriffen in diese Kojen klettern und ohne sich den Hals zu brechen wieder heraussteigen. Der zur Verfuegung stehende Schlafplatz hat exakt die Groesse eines YPS Abenteuerzeltes – das waren diese an beiden Seiten aufgeschnittenen Altkleidersaecke welche hochtrabend als Zelt gehandelt wurden. Fuer europaeische Massstaebe etwas klein geraten, aber wenn man erst mal liegt fuehlt man sich sicher und geborgen wie in einem Mutterbauch. Personen mit der Statur eines Hendrik Meiers wuerde ich jedoch von der Benutzung dieser Kojen entschieden abraten.

Im Zug selber herrscht ein hartes Regime: Einschluss ist um 10:30 Uhr Abends. Die Chinesen verschwinden in ihre Kojen, der Gang ist ploetzlich ungewohnt menschenleer. Wir machen es ihnen nach und keine 5 Minuten spaeter wird das Licht ausgeknippst.

Preise
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Bus: 1 Cent
Metro: 3-4 Cent
Taxi: 3-4 Euro pro Stunde, kleine Touren 1 Euro
Transrapid: 5 Euro
Eintritt Rockkonzert: 1 Euro
Zugfahrt ueber Nacht, 20 Stunden im 6er Abteil: 30 Euro

Wasserstandsmeldung aus Shanghai

Nach einer Kreuzfahrt auf dem Yangtze sind wir gestern morgen
wohlbehalten in Shanghai angekommen. Hier werden wir bis Mittwoch
bleiben, am Mittwoch selbst brechen wir dann zur letzten Station unserer
China-Tournee nach Hongkong/Macao auf.

Mein Notizbuch ist prall gefuellt mit den Erlebnissen der letzten Tage.
Aber leider gibts auf dem Yangtze kein Internet. Eine klare Fehlkonstruktion.
Hier in Shanghai muss ich erst einmal einen Internetanschluss finden,
welcher es mir erlaubt, Berichte in mein BLOG zu schreiben. Das ranzige
chinesische Internet macht Probleme, wenn es um CGI Skripte geht
(auch wenn das technisch keinen Sinn macht). Inzwischen habe ich den Blogger
daher so konfiguriert, dass ich per Mail Reportagen einstellen kann.
Das ist eine gute Loesung diverser technischer Probleme hier in China mit
dem Internet. Mails versenden klappt haeufig sehr gut.

In meinem naechsten Bericht werde ich ueber Erlebnisse in einer Pekinger
Schwulenbar, einem japanischen Hitlerimitator, einem chinesischen
Rockfestival und die Chinesekinder Otto, Heinz und Lisa schreiben. Und sonst
noch ueber andere Kleinigkeiten.

Schoene Gruesse aus Shanghai, dem etwas groesseren Wolfsburg und wuerdigen
Partnerstadt Hamburgs.

3.10.04

Das schreiben die Anderen: SPIEGEL ueber Transsib

Vielleicht sind wir dem Reporter des Spiegel Artikels http://www.spiegel.de/reise/fernweh/0,1518,320868,00.html ja inkognito auf der Fahrt begegnet. Vermutlich war er aber auch einfach nur vor uns wie wir mit der Transsib unterwegs. Jedenfalls eine interessante Ergaenzung zu unseren hier auf der Seite veroeffentlichten Berichten.

2.10.04

Kommentare zum BLOG

Hallo Freunde,

Der chinesische Teil des Internets gehorcht seinen eigenen mir nicht gelaeufigen Gesetzen. Bisher konnte ich zwar erfroglreich neue Berichte veroeffentlichen, leider aber keine dazu von euch abgegebenen Kommentare lesen oder diese weiter kommentieren. Wer mir also Feedback oder eine Nachricht zu den Berichten hinterlassen moechte, der tue dieses bitte per eMail an doelfer@gmx.de. Ich freue mich ueber jede Nachricht aus der Heimat!

1.10.04

Peking 3: Mondfest, Fussball und aquaplaning auf der chinesischen Mauer

Die Parade zum Nationalfeiertag haben wir heute morgen leider verpennt. Nach dem Fruehstueck um halb 12 sagte man uns, dass die offiziellen Feierlichkeiten schon beendet seien. Schade, denn wir hatten uns einiges vorgenommen, vielleicht wollte man uns aber auch einfach nicht dabei haben.

Zum Fussball: Das Ligaspiel am Mittwoch wurde zwischen Guan Beijing (Pekinger Team im gruenen Trikot) gegen Inter Shanghai (im blauen Trikot) ausgetragen. Durch zwei dicke
Torwartschnitzer ging Peking in der ersten Halbzeit 2:0 in Fuehrung, die harmlosen Shanghaier
konnten in der zweiten Halbzeit nur sehr selten in den Pekinger Strafraum eindringen und hatten so gut wie keine Chance, weshalb es bei diesem Spielstand blieb. Das Spiel selbst war auf
unerwartet auf hohem Niveau, vielleicht vergleichbar mit einem mittelmaessigen Zweitligaspiel.
Genauso wurde auch geholzt und in den den Gegner gegangen. Weiteres Vorbild scheint der
italienische Fussball zu sein, selten habe ich soviel Theater und Schwalben gesehen. Auf dem Platz lauter Eunuchen die schnell den sterbenden Schwan geben, wenn der Schiedsrichter zuschaut. Geschaetzte 15000 Zuschauer verliefen sich im etwas 80000 Zuschauer fassenden Stadion. Sie sorgten ausnahmslos fuer gute Stimmung. Viel haben sie sich anscheinend vom Europaeischen Fussball abgeschaut, denn die Anfeuerungsgesaenge hoert man so auch (natuerlich nicht in chinesisch) bei uns. Origineller authentischer chinesischer Akzent waren selbstgebastelte Papierflugzeuge, die sehr langsam und sehr weit fliegen. Schaffte es eines bis auf den Rasen wurde dieses jeweils mit grossem Applaus der Zuascheur honoriert. Im Stadion selbst werden ausnahmslos alkoholfreie Getraenke gereicht. In Hamburg kennt man dieses nur, wenn der Innenminister Schill heisst. Wuerstchen und aehnliches ist unbekannt, stattdessen werden kalte Hamburger und Chips zum Kauf angeboten. Wie auch draussen in der Stadt so herrscht auch Abends im Stadion Smog, welcher von den Flutlichmasten angestrahlt ein gelbes Dach ueber dem gruenen Rasen bildet. Wir treffen ausserdem eine Gruppe von fuenf deutschen Studenten, welche sich ein halbes Jahr hier aufhalten. Leicht erkennen sie uns an unseren St.Pauli Klamotten, sie kommen aus Mainz und sind etwas sauer darueber, das Mainz ausgerechnet in dem Moment aufsteigt, in dem sie in China weilen. Zum Finanzziellen: Ein Trikot der Heimmannschafft geht fuer 9,80 Euro ueber den Tresen, der Eintritt ist fuer schlappe 3 Euro mit freier Sitzplatzwahl zu haben. Stehplaetze gibt es ueberhaupt nicht. Morgan und Babara, ein Paerchen aus Irland welches wir nach Yekaterinenburg hier in Peking wiedergetroffen haben, freuen sich hauptsaechlich ueber die gruene Farben der Heimmanschaft (klar, sind ja auch Iren) und so ist die Frage, welches der Teams es zu unterstuetzen gilt, schon von Anfang an geklaert.

Ausserdem zu Feiern gab es am Mittwoch das chinesische Mondfest. Der chinesische Kalender
basiert auf den Mondphasen und der Vollmond, zu dem der Mond am naechsten zur Erde steht, wird besonders gefeiert. Ueblicherweise setzt man sich bei gutem Wetter dazu auf das Dach eines Hauses und betrachtet den aufgehenden Vollmond und isst dabei mitgebrachte Mondkuchen ("Mooncakes", mit suesser Schoolade gefuellter trockener Kuchen, etwa Handtellergross) und Aepfel. Wir sitzen im in der Kellerkneipe des Hotels und essen das gleiche, koennen aber nicht auf den Mond dabei schauen. Dafuer sind ein paar Musiker von der Pekinger Oper gekommen und bringen klassische Chinesische Musik zu Gehoer. Sehr gewoehnungsbedueftig, denn diese Musik kennt nicht das Konzept von Rhytmus oder Takt. Der Gesang hoert sich fuer Europaer wie Geschrei an, man erkennt aber, dass es durchaus gewisser kuenstlerischen Faehigkeiten bedarf, beim lauten Schreien den Ton zu halten. Zwischendurch gibt es eine Tombola bei der wir leider leer ausgehen und das obligatortische
Karaoke. Das ein dazu aufgeforderter Kanadier nicht mitsingen kann liegt wohl daran, das der
Text auf dem Monitor in chinesisch angezeigt wird. Ihm bleibt daher nichts anderes uebrig, als zur Melodie Schreilaute von sich zu geben, was vielleicht nicht dem Text entspricht, aber durchaus echt klingt.

Meine Verdauungsprobleme habe ich inzwischen weitesgehend im Griff. Seit Irkutsk litt ich unter Duennschiss und musste nach jeder Mahlzeit auf Toilette. Dank Immodium Akut stellte sich das andere Extrem ein: Fuer 3 Tage brauchte ich nicht mehr auf toillete. Inzwischen haben sich Land, Speise und mein Magen synchronisiert und alles laueft wie gewohnt.

Welche Farbe hat der Himmel ueber Peking? Diese Frage liess sich bisher nicht beantworten,
bedingt durch den Smog hatte ich bisher auf eitergelb getippt. Inzwischen ist der Herbst
nach Peking gekommen und der Wind vertreibt die dichten Smogfetzen. Auch hier ist der Himmel also blau.

Herbstlich war das Wetter auch gestern beim Besuch der grossen Mauer. Natuerlich
hatten wir keine Regenjacke dabei, konnten aber einen Poncho fuer drei Euro erwerben. Dieser
war nach 10 Minuten durch. Wind und Regen peitschten uns uber die baufaellligen Treppen als wir fuer 4 stunden ueber ein 15 kilometer langes Teilstueck wanderten. Nach einer Stunde verliess ich die Mauerkrone und ging eine Abkuerzung neben den Bergen und der Mauer durch die landestypischen Maisfelder (Reis habe ich hier noch ueberhaupt nicht zu Gesicht
bekommen). Bedingt durch einen Konstruktionsfehler und dem heftigen Niederschlag kam es
vereinzelt zu glitschigen Aquaplaning Situationen auf der Mauerkrone. Die Stiefel waren 30
Minuten nach der Kleidung durch. Frierend und nass bis auf die Knochen im kalten Buss brauchten wir noch etwa 4 Stunden zurueck ins Hotel. Welch eine Wohlfahrt eine heisse Dusche darstellen kann! Gesundheitlich haben wird das Abenteuer gut ueberstanden, Photos werden wohl wegen dem Wetter etwas weniger eindrucksvoll als von den Postkarten bekannt ausfallen.

Weiterhin bleibt uns das Planungsglueck hold. Die georderten Tickets nach ChongQuien haben wir heute erhalten. Dahin gehts im Schlafzug zusammen mit 4 anderen Chinesen im Abteil am Sonntag Abend. Von dort wird uns ein Boot den Yangtse an den Staudaemmen vorbei Richtung Shanghai bringen. Heute und morgen werden wir noch ausgiebig das Pekinger Nachtleben testen.