29.9.04

Peking 2: Tempel, Kaiserseide und die grosse Revolution

Wir sind zur rechten Zeit am rechten Ort: Dieser Tage putzt sich Peking fuer zwei wichtige gesellschaftliche chinesische Grossereignisse heraus. Das eine war das Mondfest gestern Abend und am 1. Oktober wird der 55. Jahrestag der Revolution begangen. Anscheinend wird es auch wieder eine grosse Militaerparade, dem ein oder anderen vielleicht aus dem Fernsehen bekannt, geben. Markus und ich wollen hier nicht nur zuschauen, sondern auch daran teilnehmen und so ein Zeichen der internationalen Voelkerverstaendigung setzen. In den Laeden in den verwinkelten Gassen laesst sich dazu leicht entsprechende Kleidung einkaufen. Ich favorisiere die Uniform eines Kampfpiloten mit Helm, Markus wuerde gerne einen kittelaehnlichen bunten Kimono tragen. Als Slogan fuer ein mitzufuehrendes Spruchband haben wir uns den Satz "Mongolenland in China Hand!" oder alternativ, etwas weniger politisch, einfach "Forza St.Pauli!" ueberlegt. Richard, ein junger Englaender mit dem wir uns ein 4er Zimmer teilen, kann etwas chinesisch und wuerde uns bei der Uebersetzung helfen. Jetzt muessen wir nur noch die offizielle Anmeldestelle fuer die Teilnahme an der Parade finden. Vielleicht ist es fuer den ein oder anderen daheim gebliebenen von Interesse, am 1. oder 2. Oktober die Tagesschau zu sehen.

Erste Erfahrungen im Umgang mit grossen Menschenmassen konnte ich gestern Abend am Ende einer Fahrradtour sammeln. Mit geliehenen Raedern klapperten wir zunaechst einige wichtige Tempel und andere Sehenswuerdigkeiten ab. Gegen Abend auf dem Weg nach Hause fanden wir den Tiamenplatz unerwartet fuer Personen und Kraftfahrzeuge gesperrt vor. Abgeriegelt vom Militaer bestaunten tausende Chinesen und wir eine Flaggenwechsel-Zeremonie. Danach durften zumindest Fahrradfahrer wieder auf die Strasse, Massen von Fussgaengern blieben auf den Buergersteigen zurueck. Wieder einmal, wie schon zuvor berichtet, drehte ich
daher mehrere Extrarunden auf den Strassen rund um den Tiamenplatz. Das Bizarre dabei: Zur linken Hand winkende chinesische Zuschauermassen, welche vom Militaer zurueck gehalten wurden, und Soldaten zur Rechten auf dem Platz saeumten den Weg und bildeten ein beeindruckendes Spalier. Dem Drang, das Winken der Zuschauer bei meinen Extrarunden zu beantworten, konnte ich nicht wiederstehen und so drehte ich auf der vom sonst chaotischen Verkehr entleerten Strasse zu gleichen Teilen das Publikum und das Militaer huldvoll gruessend meine Runden. Nach drei Runden wars mit dem Spass dann vorbei, denn eine 6er Gruppe von Soldaten gab mir unmissverstaendlich zu verstehen, das es besser sei, das Gelaende nun zu verlassen.
In den letzten Tagen bin ich diverse Male von vorgeblichen chinesischen Kuenstlerinnen zwecks fachmaennischer Beurteilung ihres Werkes angesprochen worden (siehe hierzu auch den letzten Bericht). Mit dieser Masche wird versucht, den Touristen selbst gemalte Bilder zu verkaufen. Sehr charmant, aber zwecklos. Vielleicht aber auch eine gute Moeglichkeit, billig ein Weihnachtsgeschenk zu erwerben, denn schliesslich sind die Bilder von guter Qualitaet, auch wenn die Motive wiederkehrend langweilig sind (grosse Mauer, Bambus, chinesische Kaiser, Pandabaeren, etc., alles jeweils zu verschiedenen Jahreszeiten).

Die Chinesen sind sehr einfallsreich und versuchen immer wieder, den Touristen etwas Geld aus der Tasche zu ziehen. Imposant war der Besuch von Teilen der unterirdischen Bunkeranlagen, welche Mao innerhalb von 10 Jahren unterhalb Pekings zum Schutz vor einem atomaren sowjetischen Angriff anlegen liess. Die Anlage zollte neben der Nomenklatur bis zu 300 000 Pekinger Schutz bieten und wurde grosszuegig mit einem Kino, Krankenhaus und aehnblichem ausgestattet. Ausserdem war es moeglich, spezielle Seide ("Kaiserseide") in der unterirdischen Anlage herzustellen. Hoehepunbkt des Rundgangs war dann auch der Versuch,
Bettwaesche aus dieser Seide an uns zu verticken. Wie in einer amerikansichen "commercial presentation" wurden uns die Vorzuege dieser speziellen Bettwaesche gezeigt. Dankend lehnten wir jedoch ab (obwohl der Preis verfuehreisch billg war), denn fuer sowas voluminoeses ist in unseren Rucksaecken kein Platz. Vielleicht sollte sich aber Betten Stoelting einmal hier eindecken, in Detmold sehe ich einen grossen Markt fuer diese Produkte.

Nach einigen technisch bedingten Rueckschlaege feilt Markus immer noch an seinem naechsten grossen Bericht. Mit grosser Sicherheit wird das Wort "Federvieh" eine zentrale Rolle in seinem Bericht spielen, doch mehr soll nicht verraten werden. Ich werde mich jetzt etwas herausputzen und nach einer reinigenden Dusche einem Fussballspiel beiwohnen. Details dazu und anderes demnaechst hier.

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